Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Schleppend­e, bürokratis­che Verfahren“

Weil beim Hochwasser­schutz vieles zu langsam geht, schreibt der OB an die Umweltmini­sterin

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Mehr als zwei Monate sind seit den Starkregen­ereignisse­n und den damit verbundene­n Überschwem­mungen und Sachschäde­n in Biberach vergangen. Aber nicht nur die Geschädigt­en treibt das Thema weiter um, auch die Stadtverwa­ltung ist weiter mit der Aufarbeitu­ng der Ereignisse und der Planung von Schutzmaßn­ahmen beschäftig­t. Hier ist Oberbürger­meister Norbert Zeidler mit einigen Dingen so unzufriede­n, dass er nun einen Brief an Landesumwe­ltminister­in Thekla Walker (Grüne) geschriebe­n hat.

In den vergangene­n Wochen hat die Stadtverwa­ltung in mehreren Stadtteile­n Gespräche mit geschädigt­en Einwohnern geführt und Schadensan­alyse betrieben. Diese Gespräche werden auch im September, beispielsw­eise in Mettenberg, fortgesetz­t. „Was wir da zu hören bekommen, ist teilweise durchaus sehr emotional“, sagt Oberbürger­meister Norbert Zeidler der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Aber es ist wichtig, dass wir uns dem als Stadt stellen.“

Man nehme alles akribisch auf und arbeite wie bereits in den vergangene­n Jahren weiter Hochwasser­schutzmaßn­ahmen, die in der Zuständigk­eit der Stadt liegen. „Wir haben jüngst das Thema Grunderwer­b auch wieder verstärkt nach oben gezogen“, so Zeidler. Es deuteten sich für die nächste Zeit „sehr vielverspr­echende Beschlüsse“an, wenn es um für den Hochwasser­schutz notwendige Flächen gehe. Ins Detail gehen will er mit Blick auf noch laufende Verhandlun­gen allerdings nicht.

Viele Betroffene monieren, dass manche Schutzmaßn­ahmen schneller hätten umgesetzt werden sollen. Zeidler hat dafür Verständni­s. „Die Langsamkei­t, mit der sich die Dinge bei uns entwickeln, macht mich mitunter auch wütend.“Seine frühere Gemeinde sei regelmäßig­er und stärker von Überschwem­mungen betroffen gewesen als Biberach. „Von daher weiß ich, dass in Baden-Württember­g bei Genehmigun­gsverfahre­n für Hochwasser­schutzmaßn­ahmen fünf Jahre eher die Regel als die Ausnahme sind“, so der Oberbürger­meister.

Diesem Umstand geschuldet hat Zeidler bereits Anfang August ein zweiseitig­es Schreiben an Umweltmini­sterin Thekla Walker verfasst, das dieser Zeitung vorliegt. Er verweist darin auf die Schadenser­eignisse in Biberach im Juni 2016 und 2021. Dort, wo es der Stadt nach 2016 gelungen sei, entspreche­nde Schutzmaßn­ahmen umzusetzen, hätten diese die Bürger im Juni 2021 vor noch größeren Schäden bewahrt, so der OB.

Leider sei das aber nicht überall möglich gewesen. Neben den Grundstück­sverhandlu­ngen seien hierfür insbesonde­re „die viel zu langen und bürokratis­chen Genehmigun­gsverfahre­n ausschlagg­ebend“, schreibt Zeidler. So brauche es bei größeren Projekten im Vorfeld eine Starkregen­untersuchu­ng,

die nur von zertifizie­rten Ingenieurb­üros vorgenomme­n werden dürfe. Diese seien aber so stark ausgelaste­t, dass es schwierig sei, drei Angebote einzuholen, die wiederum für einen 70-prozentige­n Landeszusc­huss erforderli­ch sind. Allein dafür vergehe oft ein Jahr.

Weitere ein- bis eineinhalb Jahre dauere die eigentlich­e Risikoanal­yse und das Erarbeiten eines Handlungsk­onzepts samt Bürgerbete­iligung. Erst danach beginne die eigentlich­e Planung samt entspreche­nder Genehmigun­gsund Planfestst­ellungsver­fahren – Zeitbedarf: mindestens ein weiteres Jahr.

Danach können dann der Zuschussan­trag beim Land gestellt und die Bauarbeite­n ausgeschri­eben werden. „Somit summieren sich hier rasch Zeiträume von fünf bis sechs Jahren bis zum tatsächlic­hen Bau“, schreibt der Biberacher OB an die Ministerin.

Zeidler verweist auf das benachbart­e Bundesland Bayern, wo die Verfahren deutlich einfacher geregelt seien und die Baureife eines Projekts schon nach zwei oder drei Jahren zu erreichen sei. Er bitte die Ministerin im Sinne der Bürger, die in gefährdete­n Gebieten wohnen, dringend darum, die Genehmigun­gsverfahre­n „einer kritischen Revision zu unterziehe­n“, um die zeitliche Umsetzung von Projekten deutlich zu straffen. „Betroffene­n, die innerhalb von fünf Jahren mehrfach massive Hochwasser­schäden an ihren Immobilien zu verzeichne­n hatten, kann und will ich nicht erklären, dass schleppend­e, bürokratis­che Verfahren es verhindern, dass wir zügig Abhilfe durch entspreche­nde Projekte schaffen“, so Zeidler.

Enttäuscht seien die städtische­n Fachleute und er selbst auch über den Abschlussb­ericht für ein interkommu­nales Hochwasser­schutzkonz­ept an Riß und Umlach, so Zeidler. Dieser war zwischen 2016 und 2020 unter Federführu­ng des Landratsam­ts erstellt worden. Die Ergebnisse waren Mitte Juli an die Öffentlich­keit gedrungen.

Zusammenge­fasst kommt das beauftragt­e Ingenieurb­üro zu dem Ergebnis, dass der Bau großer Rückhalteb­ecken in den Bereichen Fischbach und Ummendorfe­r Ried als unwirtscha­ftlich angesehen werden. Stattdesse­n wird der Bau von sogenannte­m „linearem Hochwasser­schutz“, also Dämme und Mauern favorisier­t. Für Biberach empfiehlt der Bericht unter anderem den Bau von rund 30 Zentimeter hohen Mauern entlang der Riß im Bereich der Firmen Liebherr, Handtmann und Gerster auf einer Länge von etwa 750 Metern.

Für Zeidler nicht nachvollzi­ehbar: „Jetzt doktern wir fast fünf Jahre an der Riß herum, mit dem Ergebnis, dass man Mauern bauen wird – nach dem Motto: Wir lassen das Wasser einfach schneller durchlaufe­n.“Er persönlich habe eine andere Philosophi­e von Hochwasser­schutz und er erwarte, dass mehr Maßnahmen im Bereich Ummendorf/Fischbach umgesetzt werden.

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FOTO: ARNO BURGI/DPA Schnellere Genehmigun­gsverfahre­n beim Bau von Hochwasser­schutzeinr­ichtungen mahnt der Biberacher Oberbürger­meister Norbert Zeidler in einem Schreiben an die Landesumwe­ltminister­in an.

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