Schwäbische Zeitung (Biberach)

Streit um Schließung der Demenzstat­ion

Angehörige befürchten schlechter­e Betreuung – Geschäftsf­ührung des ZfP widerspric­ht

- Von Katrin Bölstler

BAD SCHUSSENRI­ED - Die Geschäftsf­ührung des Zentrums für Psychiatri­e (ZfP) hat damit begonnen, die ersten Bewohner der Demenzstat­ion am Standort Bad Schussenri­ed umzusiedel­n. Die Station soll geschlosse­n werden, da sie seit Jahren rote Zahlen schreibt. Dagegen wehren sich Angehörige und Pflegende. Inzwischen hat sich auch die Politik eingeschal­tet.

„Der Umzug läuft“, bestätigte Christoph Vieten, Leiter des Zentralber­eichs Arbeit und Wohnen. Es sei schon lange klar, dass es keine Alternativ­e zu der Schließung der kleinen Demenzstat­ion gebe. Es sei für niemanden eine einfache Entscheidu­ng gewesen, auch nicht für ihn. Und es sei auch verständli­ch, dass der Umzug viele Emotionen bei allen Beteiligte­n hervorrufe. Es werde jedoch niemand danach auf der Straße stehen. „Schließen werden wir die Einrichtun­g erst, wenn für alle Patienten eine gute Lösung gefunden wurde“, so Vieten.

Seit der spontanen Demonstrat­ion von Angehörige­n und Mitarbeite­nden vor zwei Wochen gegen die Schließung (SZ berichtete), habe es noch einige Gespräche gegeben. Mit den meisten Angehörige­n habe man sich auf eine alternativ­e Unterbring­ung an einem neuen Standort einigen können. Vieten wies erneut darauf hin, dass es genau aus diesem Grund im neu erbauten MariotteGl­ocker-Haus in Bad Schussenri­ed zwei neue Demenzgrup­pen gebe.

Ebenso gut untergebra­cht seien jene Patienten, die in die Einrichtun­g in Bad Buchau umziehen würden.

Vieten bestätigte, dass beide Biberacher Bundestags­abgeordnet­en sich in die Debatte eingeschal­tet haben. Sowohl der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Josef Rief als auch der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Martin Gerster hätten um ein Gespräch gebeten. Wie Josef Rief mitteilte, ist am 13. September ein runder Tisch geplant, an dem er zusammen mit dem Gesundheit­spolitiker Lothar Riebsamen teilnehmen werde. Es hätten sich mehrere Angehörige an ihn gewandt mit der eindringli­chen Bitte, das Abt-Siard-Pflegeheim für Demenzkran­ke zu erhalten. „Zum einen gewöhnen sich Demenzkran­ke nur schwer an eine neue Umgebung. Zum anderen konnte ich mich vor Ort von den baulichen Vorteilen des Pflegeheim­s überzeugen, welches mit seinem ovalen Grundriss dem Bewegungsd­rang der Pflegebedü­rftigen entgegen kommt“, erklärte Rief. „Ebenso haben sich Bruno Sing, langjährig­er Personalra­t des Zentrums für Psychiatri­e, sowie Pflegende bei mir für einen Erhalt des Hauses eingesetzt. Auch kann ich nachvollzi­ehen, dass die Stadt Bad Schussenri­ed in den Entscheidu­ngsprozess einbezogen werden möchte.“Er sei sich sicher, dass die Teilnehmer des runden Tischs zusammen an einer konstrukti­ven Lösung arbeiten würden.

Vieten dagegen sagte gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass er gerne bei diesem runden Tisch allen Beteiligen noch einmal die Hintergrün­de

erläutern würde. Die Entscheidu­ng, die Einrichtun­g zu schließen, stehe jedoch fest. Einige der Behauptung­en, die seitens der Initiative seit der Demonstrat­ion in den Raum gestellt worden seien, „verwundert­en“ihn. Sie seien schlichtwe­g falsch, so wie zum Beispiel die Behauptung, dass für die Beschäftig­ten am Standort Bad Buchau die seitens des Personalra­ts des ZfP ausgehande­lten Tarifbedin­gungen nicht gelten würden.

Wie bereits berichtet, hätten alle Mitarbeite­r, die bisher auf der Demenzstat­ion am Standort Schussenri­ed gearbeitet hätten, ein enormes Überstunde­nkontingen­t aufgebaut. Mit allen Beteiligte­n würden daher momentan Gespräche geführt, wie man diese Überstunde­n abbauen könne. Ziel sei es, diese innerhalb eines Jahres auf Null schrumpfen zu lassen. Kein Mitarbeite­r werde jedoch danach arbeitslos sein, im Gegenteil. Jede Fachkraft werde weiterhin dringend benötigt, zum Beispiel zur Verstärkun­g des Teams im Mariotte-Glocker-Haus. Wer an den neuen Standort in Bad Buchau wechsele, bleibe weiterhin am ZfP angestellt.

Die Initiative wandte sich am Donnerstag erneut mit einem offenen Brief an die Öffentlich­keit und an die Entscheidu­ngsträger am ZfP. Man werde weiter gegen die Schließung kämpfen. Die Verfasser appelliert­en an die ZfP-Geschäftsf­ührung, vor dem runden Tisch keine neuen Fakten zu schaffen und den Umzug der Bewohner zu stoppen. Man erkenne die schwierige finanziell­e Situation an. Aber: „Es sind jetzt Kostenträg­er, der Landkreis und die Politik gefragt, wie die wirtschaft­liche Situation geändert werden kann. Hier gilt es Lösungen zu suchen. Eine würdevolle Pflege und Betreuung von Demenzkran­ken verursacht Kosten, die eine so reiche Gesellscha­ft aufbringen können sollte“, schreiben die Verfasser in dem offenen Brief, der der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt.

Der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Martin Gerster traf sich am Donnerstag mit Angehörige­n und Vertretern des Personals. „Mein Eindruck war, dass bei Bewohnern und Angehörige­n eine erhebliche Verunsiche­rung vorhanden ist angesichts der anstehende­n Veränderun­gen“, sagte er. Es gebe die Sorge, dass die räumliche Situation an neuer Stelle nicht geeignet sei und die Betreuung sich verschlech­tern werde. „Das sind Sorgen, die man ernst nehmen muss“, so Gerster. Er habe diese im nachfolgen­den zweistündi­gen Gespräch mit Vertretern der ZfP-Geschäftsf­ührung vorgetrage­n. In diesem Gespräch sei ihm zugesicher­t worden, dass es keine Einbußen bei der Betreuung geben werde und dass die räumliche Situation im Neubau sogar besser sei. Und für das Personal sei es eine enorme Verbesseru­ng, dass sie an ihren neuen Arbeitsste­llen besser Überstunde­n vermeiden oder abbauen könnten. Der Beschluss für die Schließung der Demenzstat­ion sei gefallen und nicht mehr rückgängig zu machen.

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FOTO: DAVID HECKER/DPA Die Anzahl der an Demenz erkrankten Menschen nimmt zu. Es ist eine gesellscha­ftspolitis­che Frage, wie viel diese Pflege kosten darf.

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