Schwäbische Zeitung (Biberach)
Streit um Schließung der Demenzstation
Angehörige befürchten schlechtere Betreuung – Geschäftsführung des ZfP widerspricht
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BAD SCHUSSENRIED - Die Geschäftsführung des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) hat damit begonnen, die ersten Bewohner der Demenzstation am Standort Bad Schussenried umzusiedeln. Die Station soll geschlossen werden, da sie seit Jahren rote Zahlen schreibt. Dagegen wehren sich Angehörige und Pflegende. Inzwischen hat sich auch die Politik eingeschaltet.
„Der Umzug läuft“, bestätigte Christoph Vieten, Leiter des Zentralbereichs Arbeit und Wohnen. Es sei schon lange klar, dass es keine Alternative zu der Schließung der kleinen Demenzstation gebe. Es sei für niemanden eine einfache Entscheidung gewesen, auch nicht für ihn. Und es sei auch verständlich, dass der Umzug viele Emotionen bei allen Beteiligten hervorrufe. Es werde jedoch niemand danach auf der Straße stehen. „Schließen werden wir die Einrichtung erst, wenn für alle Patienten eine gute Lösung gefunden wurde“, so Vieten.
Seit der spontanen Demonstration von Angehörigen und Mitarbeitenden vor zwei Wochen gegen die Schließung (SZ berichtete), habe es noch einige Gespräche gegeben. Mit den meisten Angehörigen habe man sich auf eine alternative Unterbringung an einem neuen Standort einigen können. Vieten wies erneut darauf hin, dass es genau aus diesem Grund im neu erbauten MariotteGlocker-Haus in Bad Schussenried zwei neue Demenzgruppen gebe.
Ebenso gut untergebracht seien jene Patienten, die in die Einrichtung in Bad Buchau umziehen würden.
Vieten bestätigte, dass beide Biberacher Bundestagsabgeordneten sich in die Debatte eingeschaltet haben. Sowohl der CDU-Bundestagsabgeordnete Josef Rief als auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster hätten um ein Gespräch gebeten. Wie Josef Rief mitteilte, ist am 13. September ein runder Tisch geplant, an dem er zusammen mit dem Gesundheitspolitiker Lothar Riebsamen teilnehmen werde. Es hätten sich mehrere Angehörige an ihn gewandt mit der eindringlichen Bitte, das Abt-Siard-Pflegeheim für Demenzkranke zu erhalten. „Zum einen gewöhnen sich Demenzkranke nur schwer an eine neue Umgebung. Zum anderen konnte ich mich vor Ort von den baulichen Vorteilen des Pflegeheims überzeugen, welches mit seinem ovalen Grundriss dem Bewegungsdrang der Pflegebedürftigen entgegen kommt“, erklärte Rief. „Ebenso haben sich Bruno Sing, langjähriger Personalrat des Zentrums für Psychiatrie, sowie Pflegende bei mir für einen Erhalt des Hauses eingesetzt. Auch kann ich nachvollziehen, dass die Stadt Bad Schussenried in den Entscheidungsprozess einbezogen werden möchte.“Er sei sich sicher, dass die Teilnehmer des runden Tischs zusammen an einer konstruktiven Lösung arbeiten würden.
Vieten dagegen sagte gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“, dass er gerne bei diesem runden Tisch allen Beteiligen noch einmal die Hintergründe
erläutern würde. Die Entscheidung, die Einrichtung zu schließen, stehe jedoch fest. Einige der Behauptungen, die seitens der Initiative seit der Demonstration in den Raum gestellt worden seien, „verwunderten“ihn. Sie seien schlichtweg falsch, so wie zum Beispiel die Behauptung, dass für die Beschäftigten am Standort Bad Buchau die seitens des Personalrats des ZfP ausgehandelten Tarifbedingungen nicht gelten würden.
Wie bereits berichtet, hätten alle Mitarbeiter, die bisher auf der Demenzstation am Standort Schussenried gearbeitet hätten, ein enormes Überstundenkontingent aufgebaut. Mit allen Beteiligten würden daher momentan Gespräche geführt, wie man diese Überstunden abbauen könne. Ziel sei es, diese innerhalb eines Jahres auf Null schrumpfen zu lassen. Kein Mitarbeiter werde jedoch danach arbeitslos sein, im Gegenteil. Jede Fachkraft werde weiterhin dringend benötigt, zum Beispiel zur Verstärkung des Teams im Mariotte-Glocker-Haus. Wer an den neuen Standort in Bad Buchau wechsele, bleibe weiterhin am ZfP angestellt.
Die Initiative wandte sich am Donnerstag erneut mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit und an die Entscheidungsträger am ZfP. Man werde weiter gegen die Schließung kämpfen. Die Verfasser appellierten an die ZfP-Geschäftsführung, vor dem runden Tisch keine neuen Fakten zu schaffen und den Umzug der Bewohner zu stoppen. Man erkenne die schwierige finanzielle Situation an. Aber: „Es sind jetzt Kostenträger, der Landkreis und die Politik gefragt, wie die wirtschaftliche Situation geändert werden kann. Hier gilt es Lösungen zu suchen. Eine würdevolle Pflege und Betreuung von Demenzkranken verursacht Kosten, die eine so reiche Gesellschaft aufbringen können sollte“, schreiben die Verfasser in dem offenen Brief, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster traf sich am Donnerstag mit Angehörigen und Vertretern des Personals. „Mein Eindruck war, dass bei Bewohnern und Angehörigen eine erhebliche Verunsicherung vorhanden ist angesichts der anstehenden Veränderungen“, sagte er. Es gebe die Sorge, dass die räumliche Situation an neuer Stelle nicht geeignet sei und die Betreuung sich verschlechtern werde. „Das sind Sorgen, die man ernst nehmen muss“, so Gerster. Er habe diese im nachfolgenden zweistündigen Gespräch mit Vertretern der ZfP-Geschäftsführung vorgetragen. In diesem Gespräch sei ihm zugesichert worden, dass es keine Einbußen bei der Betreuung geben werde und dass die räumliche Situation im Neubau sogar besser sei. Und für das Personal sei es eine enorme Verbesserung, dass sie an ihren neuen Arbeitsstellen besser Überstunden vermeiden oder abbauen könnten. Der Beschluss für die Schließung der Demenzstation sei gefallen und nicht mehr rückgängig zu machen.