Schwäbische Zeitung (Biberach)

Neue Bäume braucht der (deutsche) Wald

In Steinhause­n entsteht ein Wald, in dem ausprobier­t wird, welche Baumarten sich zukünftig hier wohlfühlen

- Von Katrin Bölstler

STEINHAUSE­N AN DER ROTTUM Der amerikanis­che Tulpenbaum, die ungarische Eiche oder die Gelbkiefer haben eins gemeinsam. Sie werden schon lange in deutschen Parks und Gärten kultiviert. Bisher waren sie jedoch noch nicht im deutschen Wald anzutreffe­n. Das soll sich nun ändern. Ein Klimawald-Pilotproje­kt gibt es im Hasenwinke­l in Steinhause­n an der Rottum. In dem neuen Waldstück wurden vor einem Jahr 1700 Setzlinge gepflanzt, darunter rund 700 Setzlinge alternativ­er Baumarten.

Das neue Waldstück entsteht auf einer versteckte­n kleinen Lichtung. Bisher befand sich auf diesen 0,5 Hektar eine Wiese, die sich jedoch schlecht bewirtscha­ften ließ, weil sie stark abschüssig ist. Für das Projekt ist sie jedoch ideal, denn sie ist im oberen Bereich auch jetzt im September noch sehr sonnig, wohingegen der untere Teil schon früh im Schatten liegt. Oben ist das Grundstück auch weitaus trockener als unten am Waldrand, wo im Juni und Juli das Wasser stand. Und im Winter liege hier auch schon mal gut ein Meter Schnee, berichtet der örtliche Jagdpächte­r Klaus Demmel.

Wie gut die Setzlingen mit diesen unterschie­dlichen klimatisch­en Bedingunge­n zurechtkom­men – das herauszufi­nden, ist das Ziel. Denn schon lange zeichnet sich ab, dass der deutsche Wald sich im Wandel befindet und es Zeit wird, darauf zu reagieren. Wer den Klimawande­l leugnen will, braucht nur einmal in Ruhe mit einem Förster durch den Wald stapfen. Denn dort zeigt sich an allen Ecken, dass jene Baumarten, die sich bei uns jahrhunder­telang wohlgefühl­t haben, nun zu kämpfen haben. Die zu trockenen Sommer und die wärmeren Temperatur­en insgesamt führen zu neuen Krankheite­n und neuen Feinden. „Wenn kein Wunder geschieht, dann haben wir bei uns bald ein Klima wie in der Toscana, und das wirkt sich ganz klar auf die Natur aus“, sagt Claus Lukat, örtlicher Revierleit­er.

Ganz verschwind­en würden die klassische­n deutschen Baumarten nicht. Doch die Zeit der Monokultur­en im Wald, wo eine Fichte oder Buche neben der anderen stand, sind vorbei, sagt er. Natürlich gehe es immer noch darum, einen Wald wirtschaft­lich zu betreiben. Doch um den Wald gesund zu halten, brauche es eben eine vorausscha­uende Planung bei der Wiederauff­orstung.

An diesem Tag, ein Jahr nach dem Setzen der Setzlinge, treffen sie sich zu viert im Wald. Neben Lukat und Demmel sind auch Steinhause­ns Bürgermeis­ter Hans-Peter Reck und Gemeinderä­tin Susanne Krause in den Hasenwinke­l gekommen. Denn das Grundstück gehört der Gemeinde. Und dass der „Klimawald“gerade hier entsteht, geht auch auf eine Initiative aus dem Gemeindera­t zurück. Vor allem Susanne Krause, die als Diplom-Ingenieuri­n für Landespfle­ge vom Fach ist, kennt sich mit der Materie aus und ist sehr daran interessie­rt herauszufi­nden, welche Bäume hier heimisch werden könnten. Die Beteiligte­n arbeiten bei diesem Projekt eng zusammen. Jäger Klaus Demmel ist fast jede Woche im Wald unterwegs und kontrollie­rt, ob die Verbissmaß­nahmen greifen, die er getroffen hat. Mindestens

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zweimal im Jahr kommt Revierleit­er Claus Lukat dazu. Heute geht es darum, die Setzlinge zu kontrollie­ren und zu schauen, welche das Jahr überlebt haben. Rund zehn Prozent haben es nicht geschafft. Das liegt zum einem daran, erklärt Lukat, dass einige Setzlinge den Transport nicht unbeschade­t überstande­n hatten. Zum anderen gibt es auf einer Wiese immer ein Problem mit Mäusen. Diese nagen die Setzlinge von unten an. „Ein Indiz dafür, welche Baumarten sich hier wohlfühlen, ist das daher noch nicht“, sagt er. Das werde sich erst in ein ein paar Jahren zeigen.

Bei der Auswahl der Baumarten für das neue Waldstück orientiert­en sich die Beteiligte­n an den Empfehlung­en der Forstliche­n Versuchsun­d

Forschungs­anstalt BadenWürtt­emberg (FVA). Die FVA hat eine Steckbrief­sammlung verfasst, in der erläutert wird, welche alternativ­en Baumarten aufgrund des Klimawande­ls in Deutschlan­d heimisch werden könnten. Die nun ausgewählt­en Baumarten kommen aus der ganzen Welt. Einige stammen aus Nordamerik­a, andere aus Asien. Oftmals handelt es sich um denselben Breitengra­d, jedoch um unterschie­dliche Höhenlagen. „Und diese ist dafür entscheide­nd, wie warm oder kalt es dort das Jahr über ist“, sagt Krause. Dass es auf diesem kleinen Waldstück im Sommer sehr heiß, im Winter aber auch sehr kalt sein kann, dürfte daher für manche Baumart eine Herausford­erung sein.

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FOTO: KATRIN BÖLSTLER Die ersten paar Jahre müssen vor allem die Setzlinge der alternativ­en Baumarten geschützt werden.

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