Schwäbische Zeitung (Biberach)
Neue Bäume braucht der (deutsche) Wald
In Steinhausen entsteht ein Wald, in dem ausprobiert wird, welche Baumarten sich zukünftig hier wohlfühlen
STEINHAUSEN AN DER ROTTUM Der amerikanische Tulpenbaum, die ungarische Eiche oder die Gelbkiefer haben eins gemeinsam. Sie werden schon lange in deutschen Parks und Gärten kultiviert. Bisher waren sie jedoch noch nicht im deutschen Wald anzutreffen. Das soll sich nun ändern. Ein Klimawald-Pilotprojekt gibt es im Hasenwinkel in Steinhausen an der Rottum. In dem neuen Waldstück wurden vor einem Jahr 1700 Setzlinge gepflanzt, darunter rund 700 Setzlinge alternativer Baumarten.
Das neue Waldstück entsteht auf einer versteckten kleinen Lichtung. Bisher befand sich auf diesen 0,5 Hektar eine Wiese, die sich jedoch schlecht bewirtschaften ließ, weil sie stark abschüssig ist. Für das Projekt ist sie jedoch ideal, denn sie ist im oberen Bereich auch jetzt im September noch sehr sonnig, wohingegen der untere Teil schon früh im Schatten liegt. Oben ist das Grundstück auch weitaus trockener als unten am Waldrand, wo im Juni und Juli das Wasser stand. Und im Winter liege hier auch schon mal gut ein Meter Schnee, berichtet der örtliche Jagdpächter Klaus Demmel.
Wie gut die Setzlingen mit diesen unterschiedlichen klimatischen Bedingungen zurechtkommen – das herauszufinden, ist das Ziel. Denn schon lange zeichnet sich ab, dass der deutsche Wald sich im Wandel befindet und es Zeit wird, darauf zu reagieren. Wer den Klimawandel leugnen will, braucht nur einmal in Ruhe mit einem Förster durch den Wald stapfen. Denn dort zeigt sich an allen Ecken, dass jene Baumarten, die sich bei uns jahrhundertelang wohlgefühlt haben, nun zu kämpfen haben. Die zu trockenen Sommer und die wärmeren Temperaturen insgesamt führen zu neuen Krankheiten und neuen Feinden. „Wenn kein Wunder geschieht, dann haben wir bei uns bald ein Klima wie in der Toscana, und das wirkt sich ganz klar auf die Natur aus“, sagt Claus Lukat, örtlicher Revierleiter.
Ganz verschwinden würden die klassischen deutschen Baumarten nicht. Doch die Zeit der Monokulturen im Wald, wo eine Fichte oder Buche neben der anderen stand, sind vorbei, sagt er. Natürlich gehe es immer noch darum, einen Wald wirtschaftlich zu betreiben. Doch um den Wald gesund zu halten, brauche es eben eine vorausschauende Planung bei der Wiederaufforstung.
An diesem Tag, ein Jahr nach dem Setzen der Setzlinge, treffen sie sich zu viert im Wald. Neben Lukat und Demmel sind auch Steinhausens Bürgermeister Hans-Peter Reck und Gemeinderätin Susanne Krause in den Hasenwinkel gekommen. Denn das Grundstück gehört der Gemeinde. Und dass der „Klimawald“gerade hier entsteht, geht auch auf eine Initiative aus dem Gemeinderat zurück. Vor allem Susanne Krause, die als Diplom-Ingenieurin für Landespflege vom Fach ist, kennt sich mit der Materie aus und ist sehr daran interessiert herauszufinden, welche Bäume hier heimisch werden könnten. Die Beteiligten arbeiten bei diesem Projekt eng zusammen. Jäger Klaus Demmel ist fast jede Woche im Wald unterwegs und kontrolliert, ob die Verbissmaßnahmen greifen, die er getroffen hat. Mindestens
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zweimal im Jahr kommt Revierleiter Claus Lukat dazu. Heute geht es darum, die Setzlinge zu kontrollieren und zu schauen, welche das Jahr überlebt haben. Rund zehn Prozent haben es nicht geschafft. Das liegt zum einem daran, erklärt Lukat, dass einige Setzlinge den Transport nicht unbeschadet überstanden hatten. Zum anderen gibt es auf einer Wiese immer ein Problem mit Mäusen. Diese nagen die Setzlinge von unten an. „Ein Indiz dafür, welche Baumarten sich hier wohlfühlen, ist das daher noch nicht“, sagt er. Das werde sich erst in ein ein paar Jahren zeigen.
Bei der Auswahl der Baumarten für das neue Waldstück orientierten sich die Beteiligten an den Empfehlungen der Forstlichen Versuchsund
Forschungsanstalt BadenWürttemberg (FVA). Die FVA hat eine Steckbriefsammlung verfasst, in der erläutert wird, welche alternativen Baumarten aufgrund des Klimawandels in Deutschland heimisch werden könnten. Die nun ausgewählten Baumarten kommen aus der ganzen Welt. Einige stammen aus Nordamerika, andere aus Asien. Oftmals handelt es sich um denselben Breitengrad, jedoch um unterschiedliche Höhenlagen. „Und diese ist dafür entscheidend, wie warm oder kalt es dort das Jahr über ist“, sagt Krause. Dass es auf diesem kleinen Waldstück im Sommer sehr heiß, im Winter aber auch sehr kalt sein kann, dürfte daher für manche Baumart eine Herausforderung sein.