Schwäbische Zeitung (Biberach)
Merkel ruft zu Corona-Impfungen auf
Herdenimmunität noch weit entfernt – Ärztepräsident warnt vor Druck auf Ungeimpfte
BERLIN (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zum Start einer bundesweiten Impfaktionswoche aufgerufen, die Angebote für Corona-Impfungen zu nutzen. „Nie war es einfacher, eine Impfung zu bekommen. Nie ging es schneller“, sagte sie vor dem Start der Aktion an diesem Montag. Jeder könne sich dann ohne Termin und kostenfrei impfen lassen. „Ich bitte Sie daher: Schützen Sie sich selbst und andere. Lassen Sie sich impfen“, appellierte die Bundeskanzlerin. Die Aktionswoche dauert bis zum 19. September.
Leider steige die Zahl der Neuinfektionen wieder, warnte Merkel in einem am Sonntag veröffentlichten Video-Podcast. Die große Mehrheit der Patienten, die im Krankenhaus oder auf der Intensivstation behandelt würden, seien ungeimpft. Um gut durch Herbst und Winter zu kommen, „müssen wir daher noch mehr Menschen überzeugen, sich impfen zu lassen“. Vier Millionen Menschen in Deutschland seien an dem Virus erkrankt und über 90 000 Menschen daran gestorben. Die Kanzlerin sprach von „Zahlen, die für enormes Leid und tiefe Trauer stehen“.
Nach dem jüngsten Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) hatten in der Bevölkerung über 60 Jahre 83 Prozent den vollen Impfschutz. Bei den Erwachsenen unter 60 Jahren liegt die Quote hingegen lediglich bei 66 Prozent, bei Kindern und Jugendlichen im Alter von zwölf bis 17 bei etwa einem Viertel. Das RKI geht davon aus, dass eine Herdenimmunität erreicht wird, wenn 85 Prozent der Zwölf- bis 59Jährigen und 90 Prozent der über 60Jährigen geimpft sind. Dann wären auch jene geschützt, die sich nicht impfen lassen können.
Ärztepräsident Klaus Reinhardt hält stärkere Einschränkungen für Ungeimpfte trotz der nur langsam steigenden Impfquote für unangebracht: „Im Moment bin ich dagegen. Noch mehr Druck auf Nicht-Geimpfte auszuüben, wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht angemessen.“Reinhardt argumentierte, zum einen sei das Gesundheitssystem aktuell nicht so sehr beansprucht. Zum anderen könne mehr Druck Unentschlossene abschrecken. Baden-Württemberg will in dieser Woche härtere Einschränkungen für Ungeimpfte beschließen.