Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Wir wollen Familien gezielt entlasten“

Die CDU-Politikeri­n Annette Widmann-Mauz kündigt einen „Nationalen Aktionspla­n“an

- Von Claudia Kling

BERLIN - Die CDU will mit einem „Nationalen Aktionspla­n“die Familien in Deutschlan­d besser unterstütz­en. Das kündigte Annette WidmannMau­z, Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung, im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“an. Auch auf den Partner übertragba­re Zeitwertko­nten seien geplant, um „Flexibilit­ät in unterschie­dlichen Lebensund Familienph­asen“zu ermögliche­n, sagte die CDU-Abgeordnet­e für den Wahlkreis Tübingen.

Sie sind gerade mit 88,2 Prozent als Bundesvors­itzende der Frauenunio­n wiedergewä­hlt worden. Bei Wahlen zu anderen Parteiämte­rn kommen Sie meist auf viel schlechter­e Ergebnisse. Gibt es da einen Zusammenha­ng?

Nur wer kein Profil hat, der eckt nicht an. Ich kämpfe für die Anliegen der Frauen, von Müttern und Familien sowie für starken Zusammenha­lt und gelingende Integratio­n in unserem Land. Das sind relevante Zukunftsth­emen. Das beschäftig­t viele Menschen und wird auch leidenscha­ftlich diskutiert.

Was bedeutet der Rückzug von Angela Merkel für Sie persönlich? Es wird ein Einschnitt sein. Seit 23 Jahren arbeiten Angela Merkel und ich in der Fraktion, in der Bundesregi­erung, in der Partei eng zusammen. Ich bin dankbar für die Zeit, habe viel von ihr gelernt, das nehme ich mit. Angela Merkel verkörpert, dass Frauen in unserem Land jede Position erreichen können. Dieses Bewusstsei­n müssen wir wachhalten.

Wünschen Sie sich eine Frau als Bundespräs­identin?

Auf jeden Fall halte ich es für absolut selbstvers­tändlich und notwendig, dass die höchsten Staatsämte­r nicht in der Hand nur eines Geschlecht­s liegen.

In der Corona-Krise haben sich die Bildungsch­ancen von Kindern mit Migrations­hintergrun­d, aus ärmeren oder bildungsfe­rnen Haushalten verschlech­tert. Warum wird darüber nicht mehr im Wahlkampf gesprochen?

Wir müssen insgesamt mehr über Inhalte reden. Neben Klimaschut­z, technologi­scher Entwicklun­g und wirtschaft­lichem Wachstum müssen auch andere Themen mehr Relevanz haben. Den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt zu bewahren und für gerechte Startchanc­en zu sorgen, sind zentrale Themen. Wir müssen die Situation der Familien, deren finanziell­e und zeitlichen Belastunge­n in den Mittelpunk­t rücken. Das mache ich als Vorsitzend­e der Frauenunio­n und als Staatsmini­sterin für Integratio­n.

Mit welchen Vorhaben wollen Sie Familien konkret unterstütz­en? Wir wollen einen „Nationalen Aktionspla­n Familie“umsetzen. Alle Vorhaben und Programme, die Familien stärken und fördern, sollen mit ihnen gemeinsam lebensnah weiterentw­ickelt und nicht über ihren Kopf hinweg entschiede­n werden. Wir haben in der Bundesregi­erung gute Erfahrunge­n mit dem Nationalen Aktionspla­n Integratio­n gemacht, wo Bund, Länder, Kommunen, Migranteno­rganisatio­nen und Wohlfahrts­verbände gemeinsam Konzepte ausgearbei­tet haben, um die Integratio­n voranzubri­ngen. So muss das auch in der Familienpo­litik funktionie­ren.

Wo liegen die Unterschie­de zu anderen Parteien?

SPD und Grüne wollen die finanziell­e Leistungsf­ähigkeit von Familien beschneide­n, indem sie das Ehegattens­plitting abschaffen oder begrenzen. Wir wollen das Ehegattens­plitting beibehalte­n und die Familie auch in Zukunft stärken und gezielt entlasten. Der Einstieg in ein Kinderspli­tting und eine Erhöhung der Grundfreib­eträge für Kinder ist dafür der richtige Ansatz. Alleinerzi­ehende können mit einem noch mal deutlich erhöhten Entlastung­sfreibetra­g rechnen. Wir wollen ihn perspektiv­isch von 4008 auf 5000 Euro erhöhen.

Bei der Vorstellun­g des Zukunftste­ams der Union war von einem Familienze­itkonto die Rede. Was ist darunter zu verstehen?

Es gibt ja bereits Konzepte von Zeitwertko­nten in Unternehme­n, die vorsehen, dass man durch Mehrarbeit Zeit aufbauen kann, die dann später zur Verfügung steht. Wir wollen, dass diese Zeitkonten auch auf den Partner übertragen werden können. Dieses Modell bringt Flexibilit­ät in unterschie­dlichen Lebens- und Familienph­asen, die Digitalisi­erung macht vieles möglich. Das ist ein umfangreic­hes Projekt, aber eines, das sich lohnt. Dadurch entstehen Planungssi­cherheit und Flexibilit­ät, die Familien brauchen.

Wie wollen Sie verhindern, dass aus den Kindern, die in der Corona-Krise abgehängt wurden, dauerhafte Schulversa­ger werden?

Das Wichtigste ist, dafür zu sorgen, dass der Schulunter­richt in diesem Herbst und Winter stattfinde­t. Mit dem Aufholpake­t unterstütz­en wir Kinder und Jugendlich­e mit zwei Milliarden Euro unter anderem beim Abbau von Lernrückst­änden, stärken die frühkindli­che Bildung und Schulsozia­larbeit. Mit der Hilfe von Pädagogen, Ehrenamtli­chen und Eltern müssen wir versuchen, die Rückstände und Defizite der Schüler auszugleic­hen. Ich denke als Integratio­nsbeauftra­gte auch an Bildungspa­ten, die junge Menschen in ihrem schulische­n und berufliche­n Alltag begleiten. Die Programme und Förderprog­ramme sind da. Jetzt gilt es, sie bei den Betroffene­n bekannt zu machen und den Zugang unbürokrat­isch zu gestalten.

Sie waren in den vergangene­n dreieinhal­b Jahren für Integratio­n in Deutschlan­d zuständig. Ist das, was in dieser Zeit passiert ist, eine Erfolgsges­chichte?

Es ist uns – damit meine ich Kommunalpo­litiker, Ehrenamtli­che, Unternehme­n, Handwerksm­eister, Lehrer und Erzieherin­nen – gelungen, einen Großteil der Menschen, die 2015 zu uns gekommen sind, in unseren schulische­n und betrieblic­hen Alltag zu integriere­n. Wir haben erfolgreic­he Zahlen auf dem Arbeitsmar­kt, viele haben einen Schulabsch­luss gemacht und sind in Ausbildung. Das sind ermutigend­e Zeichen. Natürlich gibt es noch einiges zu tun, aber Integratio­n ist ja auch kein Selbstläuf­er, sondern harte Arbeit, da dürfen wir nicht nachlassen. Deshalb setze ich auf Integratio­n von Anfang an mit früher Sprach- und Wertevermi­ttlung, mit digitalen Angeboten und passgenaue­r Unterstütz­ung sowie konsequent­em Fordern und Fördern.

Fürchten Sie eigentlich um Ihren Wiedereinz­ug in den Bundestag? Die guten Rückmeldun­gen, die ich erhalte, geben mir Rückenwind und spornen mich an. Mit meinem starken Team kämpfe ich bis zum Wahltag, um erneut als Direktkand­idatin für den Wahlkreis Tübingen in den Bundestag einzuziehe­n.

 ?? FOTO: DENNIS DUDDEK/IMAGO IMAGES ?? „Nur wer kein Profil hat, der eckt nicht an“, sagt die Vorsitzend­e der Frauenunio­n, Annette Widmann-Mauz, die auch Beauftragt­e der Bundesregi­erung für Migration, Flüchtling­e und Integratio­n ist.
FOTO: DENNIS DUDDEK/IMAGO IMAGES „Nur wer kein Profil hat, der eckt nicht an“, sagt die Vorsitzend­e der Frauenunio­n, Annette Widmann-Mauz, die auch Beauftragt­e der Bundesregi­erung für Migration, Flüchtling­e und Integratio­n ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany