Schwäbische Zeitung (Biberach)
Drei Kanzlerkandidaten unter Druck
Wie sich Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Armin Laschet im zweiten TV-Rededuell geschlagen haben
BERLIN - Der Druck steigt, je näher die Bundestagswahl rückt: Das war der Eindruck beim zweiten TV-Rededuell der Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD), Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet (Union). Wie sich die drei am Sonntagabend geschlagen haben.
Olaf Scholz
Ausgangslage
Olaf Scholz hatte in gewisser Weise am meisten zu verlieren. Es ist noch nicht so lange her, dass sein eigener Parteivorsitzender den Sinn einer SPD-Spitzenkandidatur infrage gestellt hat. Nun liegen Scholz und seine Partei vorn. Genau das war jetzt aber auch die Fallhöhe. Wichtig war, dass Scholz keine entscheidenden Fehler macht. Was nicht ganz leicht war, weil vor dem Triell eine Razzia bei der Zoll-Spezialeinheit FIU die Frage aufwarf, ob der Bundesfinanzminister auch untergeordnete Einrichtungen, in diesem Fall eine, die sich um Geldwäsche kümmert, im Griff hat.
Größte Schwäche
Scholz verlor seine Gelassenheit, als vor allem in der ersten Viertelstunde die Themen Linkspartei, FIU, Wirecard und Cum-Ex angesprochen wurden. In Sachen Linke wiederholte er, dass die umstrittene Partei sich an den außenpolitischen Forderungen der SPD orientieren müsse. Ob die Linken mitregieren dürfen, wenn die SPD-Forderungen erfüllt sind, sagte er nicht. Zu Cum-Ex und Wirecard kam wenig. Dafür regte sich Scholz in Sachen Razzia wegen der Geldwäschehörde für seine Verhältnisse regelrecht auf. Zur Aufklärung der Vorgänge um die FUI trug er trotzdem wenig bei.
Größte Stärke
Scholz fand später fast wieder zu alter Ruhe zurück.
Beste Bemerkung
„Es ist schon lustig, sich ehemalige Schattenkabinette anzusehen, und dann mal zu überprüfen, was aus deren Mitgliedern geworden ist.“
Annalena Baerbock
Ausgangslage
Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock konnte locker aufspielen. Nach Wochen voller Schlagzeilen über abgeschriebene Passagen in ihrem Buch, Fehler im Lebenslauf und einem Absturz in den Umfragen, hat sie das Schlimmste wohl hinter sich. Mittlerweile ist sie zwar auf Platz 3, doch ein paar Prozentpunkte sind noch drin. Deshalb hieß es für sie: angreifen und aufholen.
Stärkster Moment
Scholz und Laschet zerfetzen sich über die Razzia im Finanzministerium,
Cum-Ex-Steuerskandal und Wirecard, werfen sich gegenseitig Unehrlichkeit vor. Baerbock ist erst Schiedsrichterin, dann nutzt sie die Chance, die Debatte nach vorn zu drehen und trägt die Vorschläge der Grünen zur Bekämpfung von Geldwäsche vor. 50 Milliarden Euro gehen dem Staat jährlich flöten. Das will sie ändern. Eindeutig ein Punkt für sie.
Schwächster Moment
Bei der Frage nach dem angestrebten Parteiausschlussverfahren des Tübinger Bürgermeisters Boris Palmer kommt Baerbock ins Schwimmen. Sie verwechselt den Anschlag auf die Synagoge in Halle mit den rechtsextremen Morden in Hanau. Irgendwann landet sie gar bei den NSU-Anschlägen – gewagter Sprung von Palmer zu Terrorakten.
Stärkstes Thema
Klimaschutz, Klimaschutz, Klimaschutz. Da ist sie trittsicher und wird konkreter als Laschet und Scholz, die sich gegenseitig die Schuld für verpasste Chancen zuschieben.
Armin Laschet
Was lastete auf ihm?
Auf Laschets Schultern lag der mit Abstand größte Erwartungsdruck. Nichts weniger als die langersehnte Wende für die Union sollte das Triell bringen.
Ziel erreicht?
Es gelang Laschet insbesondere am Anfang jedenfalls, Scholz gehörig unter Druck zu setzen. Allerdings war der CDU-Chef vor allem stark, wenn es um Attacke ging. Wenn er nach eigenen Konzepten gefragt wurde, fielen Laschets Antworten weniger mitreißend aus.
Stärkster Moment
Gleich nach sieben Minuten schaltete er sich ungefragt in Sachen RotGrün-Rot ein. „Sie schließen das nicht aus.“Und wenige Minuten später knallte er Scholz die gesammelten Fragezeichen zu den Skandalen rund um Wirecard, Cum-Ex-Steuergeschäften und der Razzia im Ministerium vor die Füße. „Wenn mein Finanzminister so arbeiten würde wie Sie, hätten wir ein ernstes Problem.“
Wo blieb er schwach?
Laschet und die Klimapolitik werden keine Freunde. Erst kritisierte er den Ausstieg aus der Kernenergie, die ja immerhin von seiner Partei beschlossen worden war, dann forderte er allgemein „mehr Tempo bei Planung und Genehmigung“.
Kritischster Moment?
„Was war die Frage?“Dieser Satz von Laschet dürfte hängen bleiben. Geschuldet war er vermutlich der Antwort von Baerbock zuvor, die zwischen Mietenschutz und Klimaschutz hin und hersprang. Sah trotzdem nicht gut aus.