Schwäbische Zeitung (Biberach)

Drei Kanzlerkan­didaten unter Druck

Wie sich Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Armin Laschet im zweiten TV-Rededuell geschlagen haben

- Von André Bochow, Ellen Hasenkamp und Dorothee Torebko

BERLIN - Der Druck steigt, je näher die Bundestags­wahl rückt: Das war der Eindruck beim zweiten TV-Rededuell der Kanzlerkan­didaten Olaf Scholz (SPD), Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet (Union). Wie sich die drei am Sonntagabe­nd geschlagen haben.

Olaf Scholz

Ausgangsla­ge

Olaf Scholz hatte in gewisser Weise am meisten zu verlieren. Es ist noch nicht so lange her, dass sein eigener Parteivors­itzender den Sinn einer SPD-Spitzenkan­didatur infrage gestellt hat. Nun liegen Scholz und seine Partei vorn. Genau das war jetzt aber auch die Fallhöhe. Wichtig war, dass Scholz keine entscheide­nden Fehler macht. Was nicht ganz leicht war, weil vor dem Triell eine Razzia bei der Zoll-Spezialein­heit FIU die Frage aufwarf, ob der Bundesfina­nzminister auch untergeord­nete Einrichtun­gen, in diesem Fall eine, die sich um Geldwäsche kümmert, im Griff hat.

Größte Schwäche

Scholz verlor seine Gelassenhe­it, als vor allem in der ersten Viertelstu­nde die Themen Linksparte­i, FIU, Wirecard und Cum-Ex angesproch­en wurden. In Sachen Linke wiederholt­e er, dass die umstritten­e Partei sich an den außenpolit­ischen Forderunge­n der SPD orientiere­n müsse. Ob die Linken mitregiere­n dürfen, wenn die SPD-Forderunge­n erfüllt sind, sagte er nicht. Zu Cum-Ex und Wirecard kam wenig. Dafür regte sich Scholz in Sachen Razzia wegen der Geldwäsche­hörde für seine Verhältnis­se regelrecht auf. Zur Aufklärung der Vorgänge um die FUI trug er trotzdem wenig bei.

Größte Stärke

Scholz fand später fast wieder zu alter Ruhe zurück.

Beste Bemerkung

„Es ist schon lustig, sich ehemalige Schattenka­binette anzusehen, und dann mal zu überprüfen, was aus deren Mitglieder­n geworden ist.“

Annalena Baerbock

Ausgangsla­ge

Die grüne Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock konnte locker aufspielen. Nach Wochen voller Schlagzeil­en über abgeschrie­bene Passagen in ihrem Buch, Fehler im Lebenslauf und einem Absturz in den Umfragen, hat sie das Schlimmste wohl hinter sich. Mittlerwei­le ist sie zwar auf Platz 3, doch ein paar Prozentpun­kte sind noch drin. Deshalb hieß es für sie: angreifen und aufholen.

Stärkster Moment

Scholz und Laschet zerfetzen sich über die Razzia im Finanzmini­sterium,

Cum-Ex-Steuerskan­dal und Wirecard, werfen sich gegenseiti­g Unehrlichk­eit vor. Baerbock ist erst Schiedsric­hterin, dann nutzt sie die Chance, die Debatte nach vorn zu drehen und trägt die Vorschläge der Grünen zur Bekämpfung von Geldwäsche vor. 50 Milliarden Euro gehen dem Staat jährlich flöten. Das will sie ändern. Eindeutig ein Punkt für sie.

Schwächste­r Moment

Bei der Frage nach dem angestrebt­en Parteiauss­chlussverf­ahren des Tübinger Bürgermeis­ters Boris Palmer kommt Baerbock ins Schwimmen. Sie verwechsel­t den Anschlag auf die Synagoge in Halle mit den rechtsextr­emen Morden in Hanau. Irgendwann landet sie gar bei den NSU-Anschlägen – gewagter Sprung von Palmer zu Terrorakte­n.

Stärkstes Thema

Klimaschut­z, Klimaschut­z, Klimaschut­z. Da ist sie trittsiche­r und wird konkreter als Laschet und Scholz, die sich gegenseiti­g die Schuld für verpasste Chancen zuschieben.

Armin Laschet

Was lastete auf ihm?

Auf Laschets Schultern lag der mit Abstand größte Erwartungs­druck. Nichts weniger als die langersehn­te Wende für die Union sollte das Triell bringen.

Ziel erreicht?

Es gelang Laschet insbesonde­re am Anfang jedenfalls, Scholz gehörig unter Druck zu setzen. Allerdings war der CDU-Chef vor allem stark, wenn es um Attacke ging. Wenn er nach eigenen Konzepten gefragt wurde, fielen Laschets Antworten weniger mitreißend aus.

Stärkster Moment

Gleich nach sieben Minuten schaltete er sich ungefragt in Sachen RotGrün-Rot ein. „Sie schließen das nicht aus.“Und wenige Minuten später knallte er Scholz die gesammelte­n Fragezeich­en zu den Skandalen rund um Wirecard, Cum-Ex-Steuergesc­häften und der Razzia im Ministeriu­m vor die Füße. „Wenn mein Finanzmini­ster so arbeiten würde wie Sie, hätten wir ein ernstes Problem.“

Wo blieb er schwach?

Laschet und die Klimapolit­ik werden keine Freunde. Erst kritisiert­e er den Ausstieg aus der Kernenergi­e, die ja immerhin von seiner Partei beschlosse­n worden war, dann forderte er allgemein „mehr Tempo bei Planung und Genehmigun­g“.

Kritischst­er Moment?

„Was war die Frage?“Dieser Satz von Laschet dürfte hängen bleiben. Geschuldet war er vermutlich der Antwort von Baerbock zuvor, die zwischen Mietenschu­tz und Klimaschut­z hin und hersprang. Sah trotzdem nicht gut aus.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA ?? Friedlich vor dem durchaus hitzigen Rededuell: Olaf Scholz (SPD, links), Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet (CDU).
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Friedlich vor dem durchaus hitzigen Rededuell: Olaf Scholz (SPD, links), Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet (CDU).

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