Schwäbische Zeitung (Biberach)
Aufsicht geht gegen grünlackierte Geldanlagen vor
Fehlende Standards öffnen Mogeleien Tür und Tor – An welchen Kriterien sich Privatanleger orientieren können
BERLIN - Der Markt für nachhaltige Aktienfonds oder grüne Anleihen wächst rasant. 335 Milliarden Euro investierten private oder professionelle Anleger im vergangenen Jahr darin, ein Plus von 25 Prozent innerhalb eines Jahres, wie aus dem Marktbericht des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) hervorgeht. Experten gehen von einem anhaltenden Wachstum aus. Ein Wunder ist das nicht. Die Wirtschaft benötigt viel Geld für Investitionen in den Klimaschutz. Auch wollen viele Anleger mit ihrem Geld lieber saubere Geschäfte finanzieren als Unternehmen, die die Umwelt zerstören oder Rüstungsgüter herstellen.
Die grüne Welle am Finanzmarkt hat eine Schattenseite, die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) aufgeweckt hat. Da mit nachhaltigen Anlagen viel Geld zu verdienen ist, schmücken Anbieter, etwa von Fonds, gerne mit dem Begriff ihre Werbung und versprechen dabei zu viel. Jüngst beklagte zum Beispiel die frühere Nachhaltigkeitschefin der FondsGesellschaft DWS, dass dort entgegen der Außendarstellung Nachhaltigkeit kein Kern des Geschäftsmodells darstelle. Die Tochter der Deutschen Bank bestreitet den Vorwurf, der zwischenzeitlich auch die amerikanische Börsenaufsicht auf den Plan gerufen haben soll.
Als Greenwashing, „grün waschen“, werden Schummeleien bezeichnet. Die Bafin sagt derlei Mogelpackungen nun den Kampf an. In einer Richtlinie will die Behörde nun Vorgaben für die Begriffsbezeichnung einführen. Denn konkrete Standards für Nachhaltigkeit gibt es nicht. Fondsmanager haben daher große Spielräume bei der Zusammenstellung ihrer Aktienanlagen. „Auf diese Weise lässt sich auch Etikettenschwindel betreiben“, weiß Bafin-Direktor Thorsten Pötzsch.
Der Entwurf der Behörde sieht eine Mindestinvestitionsquote vor. Nur wenn wenigstens 75 Prozent des Kapitals nachhaltig angelegt sind, darf ein Fonds das etikettieren. Die Vermögensanlagen müssen dazu beitragen, dass Umwelt- oder soziale Ziele erreicht werden. Außerdem schreibt die Richtlinie Höchstgrenzen vor, etwa für die Energiegewinnung
aus fossilen Brennstoffen. Alternativ zur Mindestquote können Fonds auch in die jeweils nachhaltigsten Unternehmen einer Branche investieren oder einen darauf spezialisierten Index nachbilden.
Kompliziert wird die Kennzeichnung nachhaltiger Geldanlagen, weil es keinen einheitlichen Standard dafür gibt und die Bewertungen sehr unterschiedlich ausfallen. Generell gelten die sogenannten ESG-Kriterien als Maßstab. Die Abkürzung steht für Environmental- (Umwelt), Social- (soziale) und Governance(gute Unternehmensführung) Kriterien. Über die konkreten Inhalte gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Ein Beispiel dafür sind die unterschiedlichen Ansichten Deutschlands und Frankreichs bei der Atomkraft. Das Nachbarland sieht Kernenergie als Technologie für den Klimaschutz an, Deutschland hingegen nicht. Bei Erdgas ist es umgekehrt. Derlei Bewertungsunterschiede erschweren die Entwicklung eines europäischen ESG-Standards noch.
Am vergangenen Montag lief die Frist für Stellungnahmen zum Entwurf der Bafin aus. Die ersten Reaktionen darauf waren unterschiedlich. Der Fondsverband BVI befürchtet, dass Fonds nach Luxemburg abwandern, weil zu wenige die Mindestinvestitionsquote von 75 Prozent nachhaltiger Investments erreichen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) verlangt mehr Transparenz bei den grünen Geldanlagen. „Dass Geldanlagen tatsächlich zu einer nachhaltigen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft beitragen, darf nicht nur behauptet, sondern sollte nachgewiesen werden müssen“, sagt vzbv-Finanzexpertin Dorothea Mohn.
Kleinanleger müssen trotz dieser komplizierten Gemengelage nicht verzweifeln. Der Markt, und damit auch seine Regeln, entsteht gerade erst. Die Bundesregierung will die Auswahl nachhaltiger Anlagen erleichtern. Geplant ist eine Ampelkennzeichnung, die dem Nutriscore bei Lebensmitteln ähnlich ist. Anhand der Farbkennzeichnung sollen Sparer schnell erkennen, wie streng die ESG-Kriterien einer Finanzanlage gehandhabt werden.
Auf europäischer Ebene entwickelt die EU-Kommission ebenfalls Standards. Doch die Fertigstellung der sogenannten Taxonomie-Verordnung zur Klassifizierung von Nachhaltigkeit lässt weiter auf sich warten.
Aber Anleger können sich auch selbst ein Bild davon verschaffen, wie nachhaltig ein von ihnen ausgewählter Fonds ist. Gute Anbieter von nachhaltigen Fonds veröffentlichen die Kriterien, nach denen sie ihre Investments auswählen. Meist verfolgen sie dabei zwei Strategien. Einerseits schließen sie unerwünschte Aktivitäten der Unternehmen aus. Nach Angaben der FNG rangieren bei diesen Ausschlusskriterien Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Kohle in der Rangliste ganz oben.
Der zweite Ansatz nennt sich Best-In-Class und bedeutet, dass ein Fonds nur die nachhaltigsten Unternehmen einer Branche ins Portfolio aufnimmt. Schließlich können Anleger auch auf Nummer sicher gehen und ihr Geld über eine der Ökobanken anlegen, die recht strenge Kriterien an ihre Finanzgeschäfte anlegen.