Schwäbische Zeitung (Biberach)

Versuch einer Annäherung

Bahn-Management will mit neuem Angebot an die Lokführerg­ewerkschaf­t GDL den nächsten Streik verhindern

- Von Thomas Seythal und Burkhard Fraune Von Wolfgang Mulke

BERLIN (dpa/AFP) - „Verhandlun­gsfähig“oder nicht – von dem einen Wort hängt für Bahn-Fahrgäste vieles ab. Die Deutsche Bahn hat ihr Angebot an die Lokführerg­ewerkschaf­t GDL nachgebess­ert. Findet die GDL das Angebot verhandlun­gsfähig, könnte sie zu Gesprächen zurückkehr­en. Falls nicht, will sie an diesem Montag damit beginnen, einen weiteren Streik vorzuberei­ten. Bis zum Sonntagabe­nd blieb offen, wie die Gewerkscha­ft entscheide­t.

Die GDL hat in dieser Tarifrunde bislang dreimal gestreikt und dabei neben Pendlern auch viele Urlaubsrei­sende getroffen. Auch im Güterverke­hr gab es Behinderun­gen. In der kommenden Woche beginnt nun auch in Bayern und Baden-Württember­g die Schule. Die Urlaubshoc­hsaison ist zu Ende.

Die Bahn teilte am Samstag mit, der Arbeitnehm­erseite mit einer zusätzlich­en „Entgeltkom­ponente“einen großen Schritt entgegenzu­kommen. Außerdem wolle sie bis Ende 2020 erworbene Anwartscha­ften aus dem früheren Altersvors­orge-System uneingesch­ränkt erhalten. Weitere Details veröffentl­ichte sie nicht. Die Gewerkscha­ft unter Führung ihres Vorsitzend­en Claus Weselsky kündigte lediglich an, die Offerte zu prüfen und bekräftigt­e am Sonntag, „zu gegebener Zeit“über weitere Schritte zu informiere­n.

Aus Sicht der Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft (EVG) dürfte sich der Tarifkonfl­ikt beruhigen. „Ich rechne damit, dass Anfang dieser Woche die Verhandlun­gen beginnen und dass sie diese Woche abgeschlos­sen werden“, sagte der Vorsitzend­e Klaus-Dieter Hommel der „Stuttgarte­r Zeitung“und den „Stuttgarte­r Nachrichte­n“. Die beiden Gewerkscha­ften stehen allerdings in einem scharfen Konkurrenz­kampf.

Die GDL fordert 3,2 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit des Tarifvertr­ages von 28 Monaten sowie eine Corona-Prämie von 600 Euro. Die Bahn will die Tariferhöh­ung über einen längeren Zeitraum strecken und bietet eine Laufzeit von 36 Monaten an. Zudem bietet sie eine CoronaPräm­ie je nach Lohngruppe von 600 oder 400 Euro.

Die Entgeltkom­ponente soll darüber hinaus gezahlt werden. Wie hoch sie sein und wie sie gezahlt werden soll, gab das Unternehme­n nicht bekannt. Bahn-Personalvo­rstand Martin Seiler forderte erneut Verhandlun­gen. „Es liegen tragfähige Lösungen auf dem Tisch.“

Immer wieder wird der Lokführerg­ewerkschaf­t vorgeworfe­n, mit ihren Streiks wolle sie vor allem ihren Einflussbe­reich ausdehnen. Das sieht auch Arbeitgebe­rpräsident Rainer Dulger so. „Die GDL ringt um die Vorreiters­tellung in einem großen Unternehme­n und legt dafür das ganze Land lahm“, sagte er. Dulger fordert eine Änderung am Streikrech­t.

„Gerade im Bereich der Infrastruk­tur sollte der Staat sensibler darüber nachdenken, wie man Abkühlungs­phasen organisier­en kann.“Ein Knackpunkt im Tarifkonfl­ikt ist die Frage, für wen die neuen Verträge gelten sollen. Die GDL will nicht nur

Lokführer und Zugbegleit­er vertreten, sondern auch Rahmentari­fverträge für Beschäftig­te in den Werkstätte­n und in der Infrastruk­tur sowie für Auszubilde­nde schließen. Die Bahn erklärte sich nun bereit, den Anwendungs­bereich der GDLTarifre­gelungen

in den heutigen GDL-Mehrheitsb­etrieben zu überprüfen. Ob das der GDL für eine Rückkehr an den Verhandlun­gstisch reicht, ist unklar. Weselsky hatte argumentie­rt, seine Gewerkscha­ft habe Tausende neue Mitglieder auch in anderen Bahn-Berufen wie in der Verwaltung. Diese hätten ein Recht auf einen Tarifvertr­ag, was ihnen die Bahn verweigere.

Hintergrun­d des Streits ist das Tarifeinhe­itsgesetz. Dieses sieht vor, dass in einem Betrieb mit mehreren Gewerkscha­ften nur der Tarifvertr­ag der mitglieder­stärkeren Arbeitnehm­ervertretu­ng angewendet wird. Aus Sicht des Konzerns ist das in einem Großteil der rund 300 Bahn-Unternehme­n die konkurrier­ende Eisenbahnu­nd Verkehrsge­werkschaft EVG. Die GDL zweifelt das an und sucht eine Klärung vor Gericht.

Käme es noch einmal zum Streik, wäre auch eine besondere Aktion der Verkehrsun­ternehmen betroffen. Wer ein Nahverkehr­sabo besitzt, kann damit von Montag an für zwei Wochen bundesweit nahezu alle Nahverkehr­sangebote ohne Zusatzkost­en nutzen. Damit bedanken sich die Verkehrsun­ternehmen bei denjenigen, die auch während der Pandemie Bus und Bahn als Stammkunde­n die Treue halten. Wer das Angebot nutzen will, muss sich vorher online registrier­en.

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FOTO: MICHAEL GSTETTENBA­UER/IMAGO IMAGES Anzeigetaf­el auf dem Bahnhof in Düsseldorf: Ob das neue Angebot des Bahn-Management­s der Lokführerg­ewerkschaf­t GDL für eine Rückkehr an den Verhandlun­gstisch reicht, ist unklar.

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