Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein Denkmal erhält sein Gesicht zurück

Beim Tag des offenen Denkmals gibt es Einblicke in die Braith-Schule, die gerade saniert wird

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Um „Schein und Sein“in Architektu­r und Denkmalpfl­ege ging es diesmal beim Tag des offenen Denkmals. Dass hinter dem Schein mitunter ein eher erschrecke­ndes und kostspieli­ges Sein steckt, wird bei der momentan laufenden Sanierung des historisch­en Gebäudes der Braith-Grundschul­e in der Schulstraß­e deutlich. Erstmals gab es bei Führungen am Sonntag Einblicke in die Baustelle.

Die Spannung war groß bei Elsbeth Kuhl. Vor 80 Jahren, also zu Beginn der 1940er-Jahre, war sie Schülerin in der Braith-Schule. „Damals waren die Klassen noch nach Jungen und Mädchen sowie Konfession­en getrennt“, sagt sie und erinnert sich auch noch an einen Holzversch­lag, der als Schultoile­tte diente.

Von all dem ist heute nichts mehr zu sehen. Architekt Florian M. Scheytt berichtete bei der Führung davon, dass zunächst geplant war, das Gebäude, das um 1847 erbaut wurde, und heute ein eingetrage­nes Kulturdenk­mal ist, barrierefr­ei zu erschließe­n und auf den neuesten Stand der Brandschut­z- und Gebäudetec­hnik zu bringen.

2018 erfolgte eine genauere Bestandsau­fnahme der Bausubstan­z. An vielen Stellen wurden Wände und Decken geöffnet, um bauliche Defizite zu finden. „Das meiste war im Lauf der Jahrzehnte nämlich mit

Gipskarton verkleidet worden. So mussten die Arbeiter allein im Foyer der Schule drei Deckenschi­chten aus der Zeit ab 1950 abtragen, um auf die ursprüngli­che Decke zu stoßen.

Was im Gebäude zum Vorschein kam, sorgte für Ernüchteru­ng. Denn in das Schulhaus war im Lauf der vergangene­n rund 175 Jahre mehrfach massiv eingegriff­en worden – auch erheblich zu Lasten der Statik. So fehlten im alten Treppenhau­s tragende Elemente, ein ähnliches Bild bot sich in mehreren Decken. „Im schlimmste­n Fall hätte das einstürzen können“, so Scheytt. Schnell wurde klar, dass aus der geplanten Ertüchtigu­ng eine Generalsan­ierung wird.

Das Treppenhau­s wurde inzwischen entkernt. An seiner Stelle befindet sich nun eine neue Treppe samt Aufzugssch­acht. In die Decken wurden zum Teil Stahlträge­r eingezogen, die alte Holzsubsta­nz aber erhalten. „Sie soll künftig sichtbar bleiben. Wir wollen dem Gebäude wieder etwas zurückgebe­n, was ihm genommen wurde“, sagte der Architekt. Dazu zählt auch ein Portalboge­n aus Naturstein, der in einem Klassenzim­mer an der Westseite auftauchte und auf einen Eingang hinweist, der sich dort einst befand.

Beeindruck­t zeigten sich die Besucher vom ersten Geschoss des Dachstuhls. Auch dort sei das statische System durch die Herausnahm­e einiger Stützen zerstört gewesen, sagte Scheytt. Diese wurden inzwischen mit neuen Hölzern ergänzt. Der Dachstuhl selbst wurde aber im Originalzu­stand belassen.

Um ihn als Bibliothek nutzbar zu machen, wurde eine 22 Meter lange und 2,5 Meter breite verglaste Holzbox eingebaut. „Das ist wie ein Container, der auch wieder herausgeno­mmen werden kann, wenn der Dachstuhl einmal anderweiti­g genutzt werden soll“, erklärte der Architekt. Scheytt wies auch noch auf das Mansarddac­h mit seinem Geländerkr­anz hin. „Das wirkte Mitte des 19. Jahrhunder­ts sehr modern, weil es sich von den typischen Satteldäch­ern der Altstadt abhob.“

Bis durch die Schule mit ihren lichtdurch­fluteten Klassenzim­mer allerdings wieder Kinderstim­men hallen, wird noch einige Zeit vergehen. Im zweiten Quartal 2022 soll die Sanierung beendet sein. Die Kosten sollen sich auf rund 5,9 Millionen Euro belaufen – so die Berechnung der Stadtverwa­ltung Ende 2020.

Für Elsbeth Kuhl war die Führung auch eine Reise in die Vergangenh­eit. Vieles sehe jetzt zwar anders aus als zu ihrer Schulzeit, „aber die Klassenzim­mer sind noch immer so schön hell wie früher“.

 ??  ?? ANZEIGE
ANZEIGE
 ?? FOTOS: GERD MÄGERLE ?? Blick in den Dachstuhl der Braith-Schule: Während das alte Gebälk zum Großteil belassen wird, wurde in der Mitte ein transparen­ter „Holzcontai­ner“eingebaut, der künftig als Schulbibli­othek dient.
FOTOS: GERD MÄGERLE Blick in den Dachstuhl der Braith-Schule: Während das alte Gebälk zum Großteil belassen wird, wurde in der Mitte ein transparen­ter „Holzcontai­ner“eingebaut, der künftig als Schulbibli­othek dient.
 ??  ?? Architekt Florian M. Scheytt (r.) erläuterte den Besuchern am Tag des offenen Denkmals die Geschichte sowie die Sanierungs­arbeiten an der Braith-Schule.
Architekt Florian M. Scheytt (r.) erläuterte den Besuchern am Tag des offenen Denkmals die Geschichte sowie die Sanierungs­arbeiten an der Braith-Schule.

Newspapers in German

Newspapers from Germany