Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Jede nicht abgegebene Stimme macht jede abgegebene Stimme etwas wertvoller“
BERLIN - Rund ein Fünftel der Deutschen wird laut aktueller Forsa-Umfrage möglicherweise an der kommenden Bundestagswahl nicht teilnehmen. Wer nicht wählt, hat aber trotzdem einen Einfluss auf das Wahlergebnis. Welcher das ist, erklärt Mathematikprofessor
Christian Hesse (Foto: PR) von der Universität Stuttgart im Gespräch Sophie-Marie Erxmeyer.
Herr Hesse, wären die Nichtwähler eine Partei, wären sie laut Forsa-Umfrage derzeit zweitstärkste Kraft nach der SPD. Aber obwohl diese Leute gar nicht wählen, profitieren die Parteien von ihnen – welche am meisten?
Mit jeder nicht abgegebenen Stimme wird jede abgegebene Stimme etwas wertvoller. Alle Parteien profitieren deshalb von den Nichtwählern – am stärksten aber kleine Parteien mit einer leicht zu mobilisierenden Kernwählerschaft. Die brauchen bei geringer Wahlbeteiligung weniger absolute Stimmen, um die Fünf-ProzentHürde zu überwinden.
Wie lässt sich das erklären?
Gehen beispielsweise 100 Leute wählen, benötigt eine Partei fünf Stimmen, um die Fünf-ProzentHürde zu erreichen. Ist die Wahlbeteiligung geringer und 80 Menschen nehmen an der Wahl teil, reichen vier Stimmen aus, um in den Bundestag zu kommen. Eine kleine Partei mit einer Stammwählerschaft, die auf alle Fälle abstimmt, wird von einer niedrigen Wahlbeteiligung deshalb profitieren. Typischerweise sind extreme Parteien so aufgestellt.
Sind Menschen, die zur Wahl gehen und ihren Stimmzettel ungültig machen, auch einfach Nichtwähler oder werden sie anders gezählt?
Da gibt es tatsächlich einen gravierenden Unterschied: Wer zu viele Kreuze setzt oder aus Versehen seinen Stimmzettel unterschreibt, dessen Wahl ist zwar ungültig. Als Wähler mitgerechnet werden diese Leute trotzdem – denn auch sie sind Wähler, wenn auch ungültige Wähler. Sie spielen also eine Rolle, wenn es um die prozentualen Anteile der Parteien geht. Bisher sind diese ungültigen Stimmen aber nur ein sehr kleiner Anteil, der kaum ins Gewicht fällt.