Schwäbische Zeitung (Biberach)
Hochwasserschutz geht vielen zu langsam
In Mettenberg wünschen sich die Bürger, dass Maßnahmen zügig umgesetzt werden
METTENBERG - An und in 74 Gebäuden in Mettenberg sind durch die Starkregenfälle Ende Juni zum Teil große Schäden entstanden. Entsprechend groß war das Interesse an der Informationsveranstaltung, die Ortsund Stadtverwaltung am Dienstagabend in der Festhalle abhielten. Die vorgestellten Lösungen und die Zeit bis zu deren Umsetzung gefielen aber nicht allen der rund 90 Besucher.
Roland Roth, Leiter der Wetterwarte Süd in Bad Schussenried, ordnete die Unwetter aus dem Frühsommer zunächst in die größeren Zusammenhänge des Klimawandels ein. Infolge des CO erwärme sich die Atmosphäre weiter, was zu häufigeren Wetterextremen auch in den nächsten Jahren führen werde.
Bei Überschwemmungen spiele auch die Topografie eine Rolle. Während sich das Wasser in der Ebene gleichmäßig verteile, seien Tallagen gefährdet. Hangwasser, Regen und Wasser, das aus dem Oberlauf komme, lasse kleine Bäche blitzartig ansteigen. Roth verwies auf die Rolle der Wälder vor allem in Hanglagen. „Sie saugen das Wasser wie ein Schwamm auf.“Er warnte gleichzeitig vor einer weiteren Versiegelung und Vermaisung der Landschaft und mahnte mit Bezug auf die Unwetter der vergangenen Jahre: „2016 und 2021 werden wieder passieren – womöglich noch stärker. Ich bin in diesem Punkt leider sehr pessimistisch.“
In Mettenberg waren vor allem die Bereiche Im Weideler, Schnellbäumle, Weiher sowie die Ortsmitte von den Wassermassen betroffen, wie Ortsvorsteher Alexander Wachter anhand einer Karte aufzeigte. Noch immer sei die Erfassung der Schäden nicht komplett abgeschlossen.
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Während bereits umgesetzte Hochwasserschutzmaßnahmen im Bereich des Kreisels am Ortseingang sich diesmal bewährt hätten, waren die geplanten Baumaßnahmen in der Ortsmitte nicht rechtzeitig fertig geworden. Dort dauert die Umgestaltung der Ortsdurchfahrt noch immer an. Ob der Standort der Feuerwehr im Rathaus langfristig der richtige sei, gelte es zu überlegen: „Was hilft es, wenn die Feuerwehr selbst von Hochwasser bedroht ist?“Bewährt haben sich laut Wachter die regelmäßigen Kontrollen und Leerungen der Einlaufschächte sowie das kostenlose Bereitstellen von Sandsäcken.
Bei der Stadtverwaltung sei man erschüttert über die Wucht, mit der das Wasser in der Kernstadt und den Teilorten Schäden angerichtet habe, sagte Baubürgermeister Christian Kuhlmann. Man versuche im Rahmen der Stadtplanung auf den Klimawandel zu reagieren. „Wir werden aber auch künftig nicht in der Lage sein, all diese Probleme abzuwenden“, sagte er. Eine Vollkaskomentalität funktioniere hier nicht.
Stadtverwaltung und Gemeinderat werden im Oktober darüber beraten, welche kurzfristigen Schutzmaßnahmen im gesamten Stadtgebiet, auch in Mettenberg, in den betroffenen Gebieten möglich sind, kündigte Kuhlmann an. Dazu soll es Anfang November auch eine Informationsveranstaltung geben. „Dies sind dann vor allem kleinere Maßnahmen, die die Stadt selbst bezahlen muss“, so Kuhlmann. Weil der Gemeinderat darüber entscheiden müsse, könne er aktuell nichts versprechen.
Für größere Schutzmaßnahmen, die das Land bezuschusst, müsse die Stadt in den kommenden zwei bis drei Jahren zunächst eine Starkregenuntersuchung für das Gesamteinzugsgebiet der Riß erstellen, sagte Tiefbauamtsleiter Peter Münsch. Über die
Planung bis zum Bau könnten weitere Jahre vergehen. Münsch appellierte deshalb auch an die Eigenverantwortung jedes Hauseigentümers, entsprechende Maßnahmen auf dem eigenen Grundstück und Gebäude zu ergreifen. Die Stadt habe hierzu seit Juni rund 400 Beratungsgespräche geführt.
Bei den Besuchern kamen diese langen Umsetzungszeiträume nicht gut an. Die Stadt wisse seit Langem um die gefährdeten Gebiete und hätte längst etwas unternehmen können, lautete die mehrfach geäußerte Kritik. Die Stadt verstehe die Betroffenheit, „deswegen kommen wir auch zu Veranstaltungen wie diesen“, sagte Kuhlmann. Bis 2016 seien die Kommunen für Starkregenschäden gar nicht zuständig gewesen, ergänzte Münsch. Erst danach hätten die Landesbehörden entsprechende Leitfäden konkretisiert. „Das Thema läuft jetzt erst richtig an.“