Schwäbische Zeitung (Biberach)
Seit 100 Jahren „Seelsorge pur“
Salvatorianer feiern Jubiläum in Bad Wurzach – Von Strohsack, Spüllumpen und Kaffeemühle
BAD WURZACH - Seit genau 100 Jahren leben Salvatorianer auf dem Gottesberg. Der 14. September 1921, das Fest Kreuzerhöhung, an dem ein großer Festgottesdienst gefeiert wurde, gilt als ihr offizielles „Einzugsdatum“.
Über das Jahrhundert seitdem berichtet ausführlich das Buch „100 Jahre Salvatorianer auf dem Gottesberg“, das Pater Leonhard Berchtold geschrieben hat und dieser Tage erschienen ist. Unterstützt worden ist er dabei von den Patres Friedrich Emde und Mariusz Kowalski.
Pater Leonhard berichtet darin nach Einsicht unter anderem in die 15bändige Chronik der Bad Wurzacher Niederlassung auch, wie es dazu kam, dass die Salvatorianer sich auf dem Gottesberg niederließen.
Zwei günstige Entwicklungen in den Jahren zuvor ermöglichten dies. Zum einen schenkte Fürst Georg von Waldburg-Zeil 1912 die Wallfahrtskirche samt Bruderhaus der katholischen Kirchengemeinde Bad Wurzach. Seit der Säkularisation unter Napoleon Bonaparte hatte das Fürstenhaus diese besessen. Zum anderen wurden 1917 die sogenannten Jesuitengesetze aufgehoben, die es missionarisch gesinnten Orden verboten, Niederlassungen in Deutschland zu gründen.
Dem damaligen Stadtpfarrer Karl Diener war, wie Pater Leonhard berichtet, sehr daran gelegen, die Wallfahrtskirche und ihre Heiligblut-Reliquie wieder Ordensleuten anzuvertrauen. Der letzte Bruder des Paulaner-Ordens war 1835 gestorben. Die Paulaner hatten 1764 das Tuchstückchen mit dem Blutstopfen Jesu auf den Gottesberg gebracht.
Diener kannte nun die Salvatorianer, die vom österreichischen Lochau aus oft in Oberschwaben wirkten. Verbindung von dort gab es auch zu den Armen Schulschwestern im Kloster Maria Rosengarten.
Anfang 1920 überbrachte der Stadtpfarrer dann den offiziellen Wunsch der Gemeinde an die Salvatorianer, nach Wurzach zu kommen. Die Ordensspitze habe „dieses Gesuch sehr wohlwollend“aufgenommen, schreibt Pater Leonhard. Die Salvatorianer baten im Sommer den Bischof von Rottenburg um die Genehmigung, die dieser nach nur wenigen Tagen erteilte.
Der „Wurzacher Anzeiger“berichtete ausführlich über den Einzug 1921, der sich unter anderem dadurch verzögert hatte, dass für den Mieter im Bruderhaus zuerst eine neue Bleibe gefunden werden musste. Bei der damaligen Wohnungsnot war dies kein leichtes Unterfangen. „Mit vier Bettlaken samt Zubehör“sei Pater Philippus Waldemaier als erster Pater schließlich eingezogen und „konnte seine müden Glieder auf dem Strohsack ausstrecken; es mag wohl ein hartes Lager sein, aber ein Pater weiß sich in alles zu schicken“, schreibt der Verfasser des Artikels. Er berichtet auch, dass in den Tagen darauf viele Sachspenden aus der Bevölkerung ankamen: „Vom Kochtopf bis zum Suppenlöffel, vom Spüllumpen bis zur Kaffeetasse;
auch für die Kaffeemühle sorgte zu guter Letzt eine mitleidige Seele.“
Dass der Gottesdienst stattfinden konnte, war, wie aus dem Artikel hervorgeht, auch Verdienst des Zimmermeisters Willburger und seiner Gehilfen, die Podium, Altar und Kanzel im Freien aufbauten, und des Fuhrmanns Herrn Fimpel, der Fuhre um Fuhre an Material zum Gottesberg brachte. Die Prozession zum Gottesberg bezeichnet der Autor als „prächtiges Schauspiel“.
Erster Superior auf dem Gottesberg war, vorläufig dazu ernannt, Pater Guerikkus Bürger. Insgesamt 13 Obere gab es seitdem auf dem Gottesberg. Am längsten hatten Pater Fidelis Bühler (1961 bis 1985) und sein Nachfolger Pater Manfred Kienle (1985 bis 2005) diese Aufgabe inne. Mehr als zehn Jahre lang wirkte hier auch Pater Apollinaris Thoma (1933 bis 1947). Seit 2019 ist Pater Konrad Werder der Superior auf dem Gottesberg.
Zehn Salvatorianer leben derzeit in Bad Wurzach. Sechs wohnen im Kolleg, drei auf dem Gottesberg. Der zehnte ist Pater Friedrich Emde, der seit Beendigung seiner Zeit als Rektor des Gymnasiums Salvatorkolleg ein Sabbatjahr einlegt und seitdem nicht in Bad Wurzach weilt.
Eben dieses Salvatorkolleg wurde bereits 1924 von den Salvatorianern, damals noch als Lateinschule, gegründet. Das nächste 100-Jahr-Jubiläum steht also in wenigen Jahren an. Und noch einmal wenige Jahre später gleich das nächste: 1928 wurde das erste Heiligblut-Fest gefeiert.
„Ein Wallfahrtsort, das passt zu einer Ordensgemeinschaft“, ist Pater Konrad zufrieden mit der damaligen Entscheidung seines Ordens. Zumal der Gottesberg von den Menschen auch gesucht und gefunden werde. „Die Gläubigen kommen zu uns und finden ein offenes Ohr. Das ist, frei von den vielen Organisationsaufgaben einer Pfarrei, Seelsorge pur.“
Er erinnert dabei auch daran, dass der Gottesberg nicht wegen der Reliquie gebaut wurde – sie kam ja erst gute 50 Jahre nach dem Kirchenbau nach Wurzach. „Es ging ums gute Sterben.“Dass die „Bruderschaft vom guten Tod“vor gut zwei Jahren auf Wunsch aus dem Kirchengemeinderat heraus wieder rechtzeitig zum SalvatorianerJubiläum belebt wurde, freut Pater Konrad umso mehr.
Wie wichtig den Menschen der Gottesberg ist, zeigt sich, wie Pater Konrad hervorhebt, auch in dem großen Engagement vieler, als es darum ging, die Kirche innen wie außen zu sanieren. Viel persönlichen und finanziellen Einsatz habe es gegeben, was auch für die Blutfreitage gelte, an denen viele Ehrenamtliche gebraucht würden. „Die Pfarrei lebt und trotzdem haben die Menschen auch den Wunsch, dass der Gottesberg lebt.“
Die großen Sanierungsarbeiten in Kirche und Bruderhaus sind mittlerweile abgeschlossen, zuletzt war dies eine aufwendige Schimmelbeseitigung im Wohngebäude. Derzeit laufen noch kleinere Maßnahmen in den Kellerräumen, „aber ansonsten ist hier alles schön“, freut sich Pater Konrad.
Wenig Freude hat freilich auch er, wenn er auf die Nachwuchsprobleme nicht nur seines Ordens schaut. 2018 mussten die Salvatorianer drei ihrer sieben deutschen Niederlassungen auflösen, zudem noch die in Lochau/ Vorarlberg. Die Probleme sind seitdem kaum kleiner geworden, was den Superior vom Gottesberg auch im Jubiläumsjahr sorgenvoll in die Zukunft blicken lässt. „Die nächsten zehn Jahre werden wir hier sein. Was dann sein wird? Da kann heute keiner was versprechen. Umso mehr tut es gut, wenn uns immer wieder Leute sagen, es sei schön, dass wir noch da sind.“