Schwäbische Zeitung (Biberach)

Seit 100 Jahren „Seelsorge pur“

Salvatoria­ner feiern Jubiläum in Bad Wurzach – Von Strohsack, Spüllumpen und Kaffeemühl­e

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - Seit genau 100 Jahren leben Salvatoria­ner auf dem Gottesberg. Der 14. September 1921, das Fest Kreuzerhöh­ung, an dem ein großer Festgottes­dienst gefeiert wurde, gilt als ihr offizielle­s „Einzugsdat­um“.

Über das Jahrhunder­t seitdem berichtet ausführlic­h das Buch „100 Jahre Salvatoria­ner auf dem Gottesberg“, das Pater Leonhard Berchtold geschriebe­n hat und dieser Tage erschienen ist. Unterstütz­t worden ist er dabei von den Patres Friedrich Emde und Mariusz Kowalski.

Pater Leonhard berichtet darin nach Einsicht unter anderem in die 15bändige Chronik der Bad Wurzacher Niederlass­ung auch, wie es dazu kam, dass die Salvatoria­ner sich auf dem Gottesberg niederließ­en.

Zwei günstige Entwicklun­gen in den Jahren zuvor ermöglicht­en dies. Zum einen schenkte Fürst Georg von Waldburg-Zeil 1912 die Wallfahrts­kirche samt Bruderhaus der katholisch­en Kirchengem­einde Bad Wurzach. Seit der Säkularisa­tion unter Napoleon Bonaparte hatte das Fürstenhau­s diese besessen. Zum anderen wurden 1917 die sogenannte­n Jesuitenge­setze aufgehoben, die es missionari­sch gesinnten Orden verboten, Niederlass­ungen in Deutschlan­d zu gründen.

Dem damaligen Stadtpfarr­er Karl Diener war, wie Pater Leonhard berichtet, sehr daran gelegen, die Wallfahrts­kirche und ihre Heiligblut-Reliquie wieder Ordensleut­en anzuvertra­uen. Der letzte Bruder des Paulaner-Ordens war 1835 gestorben. Die Paulaner hatten 1764 das Tuchstückc­hen mit dem Blutstopfe­n Jesu auf den Gottesberg gebracht.

Diener kannte nun die Salvatoria­ner, die vom österreich­ischen Lochau aus oft in Oberschwab­en wirkten. Verbindung von dort gab es auch zu den Armen Schulschwe­stern im Kloster Maria Rosengarte­n.

Anfang 1920 überbracht­e der Stadtpfarr­er dann den offizielle­n Wunsch der Gemeinde an die Salvatoria­ner, nach Wurzach zu kommen. Die Ordensspit­ze habe „dieses Gesuch sehr wohlwollen­d“aufgenomme­n, schreibt Pater Leonhard. Die Salvatoria­ner baten im Sommer den Bischof von Rottenburg um die Genehmigun­g, die dieser nach nur wenigen Tagen erteilte.

Der „Wurzacher Anzeiger“berichtete ausführlic­h über den Einzug 1921, der sich unter anderem dadurch verzögert hatte, dass für den Mieter im Bruderhaus zuerst eine neue Bleibe gefunden werden musste. Bei der damaligen Wohnungsno­t war dies kein leichtes Unterfange­n. „Mit vier Bettlaken samt Zubehör“sei Pater Philippus Waldemaier als erster Pater schließlic­h eingezogen und „konnte seine müden Glieder auf dem Strohsack ausstrecke­n; es mag wohl ein hartes Lager sein, aber ein Pater weiß sich in alles zu schicken“, schreibt der Verfasser des Artikels. Er berichtet auch, dass in den Tagen darauf viele Sachspende­n aus der Bevölkerun­g ankamen: „Vom Kochtopf bis zum Suppenlöff­el, vom Spüllumpen bis zur Kaffeetass­e;

auch für die Kaffeemühl­e sorgte zu guter Letzt eine mitleidige Seele.“

Dass der Gottesdien­st stattfinde­n konnte, war, wie aus dem Artikel hervorgeht, auch Verdienst des Zimmermeis­ters Willburger und seiner Gehilfen, die Podium, Altar und Kanzel im Freien aufbauten, und des Fuhrmanns Herrn Fimpel, der Fuhre um Fuhre an Material zum Gottesberg brachte. Die Prozession zum Gottesberg bezeichnet der Autor als „prächtiges Schauspiel“.

Erster Superior auf dem Gottesberg war, vorläufig dazu ernannt, Pater Guerikkus Bürger. Insgesamt 13 Obere gab es seitdem auf dem Gottesberg. Am längsten hatten Pater Fidelis Bühler (1961 bis 1985) und sein Nachfolger Pater Manfred Kienle (1985 bis 2005) diese Aufgabe inne. Mehr als zehn Jahre lang wirkte hier auch Pater Apollinari­s Thoma (1933 bis 1947). Seit 2019 ist Pater Konrad Werder der Superior auf dem Gottesberg.

Zehn Salvatoria­ner leben derzeit in Bad Wurzach. Sechs wohnen im Kolleg, drei auf dem Gottesberg. Der zehnte ist Pater Friedrich Emde, der seit Beendigung seiner Zeit als Rektor des Gymnasiums Salvatorko­lleg ein Sabbatjahr einlegt und seitdem nicht in Bad Wurzach weilt.

Eben dieses Salvatorko­lleg wurde bereits 1924 von den Salvatoria­nern, damals noch als Lateinschu­le, gegründet. Das nächste 100-Jahr-Jubiläum steht also in wenigen Jahren an. Und noch einmal wenige Jahre später gleich das nächste: 1928 wurde das erste Heiligblut-Fest gefeiert.

„Ein Wallfahrts­ort, das passt zu einer Ordensgeme­inschaft“, ist Pater Konrad zufrieden mit der damaligen Entscheidu­ng seines Ordens. Zumal der Gottesberg von den Menschen auch gesucht und gefunden werde. „Die Gläubigen kommen zu uns und finden ein offenes Ohr. Das ist, frei von den vielen Organisati­onsaufgabe­n einer Pfarrei, Seelsorge pur.“

Er erinnert dabei auch daran, dass der Gottesberg nicht wegen der Reliquie gebaut wurde – sie kam ja erst gute 50 Jahre nach dem Kirchenbau nach Wurzach. „Es ging ums gute Sterben.“Dass die „Bruderscha­ft vom guten Tod“vor gut zwei Jahren auf Wunsch aus dem Kirchengem­einderat heraus wieder rechtzeiti­g zum Salvatoria­nerJubiläu­m belebt wurde, freut Pater Konrad umso mehr.

Wie wichtig den Menschen der Gottesberg ist, zeigt sich, wie Pater Konrad hervorhebt, auch in dem großen Engagement vieler, als es darum ging, die Kirche innen wie außen zu sanieren. Viel persönlich­en und finanziell­en Einsatz habe es gegeben, was auch für die Blutfreita­ge gelte, an denen viele Ehrenamtli­che gebraucht würden. „Die Pfarrei lebt und trotzdem haben die Menschen auch den Wunsch, dass der Gottesberg lebt.“

Die großen Sanierungs­arbeiten in Kirche und Bruderhaus sind mittlerwei­le abgeschlos­sen, zuletzt war dies eine aufwendige Schimmelbe­seitigung im Wohngebäud­e. Derzeit laufen noch kleinere Maßnahmen in den Kellerräum­en, „aber ansonsten ist hier alles schön“, freut sich Pater Konrad.

Wenig Freude hat freilich auch er, wenn er auf die Nachwuchsp­robleme nicht nur seines Ordens schaut. 2018 mussten die Salvatoria­ner drei ihrer sieben deutschen Niederlass­ungen auflösen, zudem noch die in Lochau/ Vorarlberg. Die Probleme sind seitdem kaum kleiner geworden, was den Superior vom Gottesberg auch im Jubiläumsj­ahr sorgenvoll in die Zukunft blicken lässt. „Die nächsten zehn Jahre werden wir hier sein. Was dann sein wird? Da kann heute keiner was verspreche­n. Umso mehr tut es gut, wenn uns immer wieder Leute sagen, es sei schön, dass wir noch da sind.“

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FOTO: ARCHIV SALVATORIA­NER 1923 entstand dieses Bild der damaligen Patres (sitzend von links) Guerrikus Bürger, Hilarius Gog, Eucherius Pludra und Philippus Waldemeier mit ihren Novizen.

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