Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wasserstoff aus Meerwasser
Plan zur Produktion des grünen Sprits in der Nordsee
BERLIN - In der Nordsee sollen große Flächen für die Produktion von Wasserstoff mittels Windenergie ausgewiesen werden. Dafür plädiert ein Zusammenschluss aus sieben Stiftungen und Verbänden der Offshore-Windindustrie plus der Gewerkschaft IG Metall. Die Windparks sollten eine Leistung von zunächst fünf Gigawatt aufweisen. Dafür wären 300 bis 500 moderne Windräder nötig.
Sogenannter grüner Wasserstoff soll später in großen Mengen mit Hilfe erneuerbarer Energien aus Wasser gewonnen werden. Er könnte als Treibstoff für Schiffe und Lastwagen sowie als Brennstoff für die Industrie dienen. Bei diesen Anwendungen ist es schwierig, den Windstrom direkt als Antriebsenergie einzusetzen. Die Bundesregierung plant, bis 2045 die fossilen Energieträger mehr oder weniger durch klimafreundliche zu ersetzen.
Die Verbände schlagen das Seegebiet des sogenannten Entenschnabels vor – die nach Nordwesten reichende Spitze der ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands nördlich der Niederlande. Relativ dicht unter dem Meeresspiegel liegt dort auch die Doggerbank, ein guter Platz für die Fundamente der Windräder. Die fünf Gigawatt (GW, Milliarden Watt) kämen zu den 40 GW hinzu, die die Bundesregierung bis 2040 für die Stromproduktion in der Nordsee bauen lassen will.
Das Gebiet liegt so weit von der Küste entfernt, dass dorthin bislang keine Stromleitungen geplant sind. Die Organisationen schlagen den Bau einer Pipeline zum Transport des Wasserstoffs an Land vor. „Diese wäre viel günstiger als Stromtrassen“, sagte Jörg Singer, Bürgermeister von Helgoland und Vorsitzender des Fördervereins Aquaventus. Außerdem bringe eine Pipeline weniger ökologische Probleme mit sich als mehrere Kabelstränge. Nach Ansicht der Organisationen schädigen die neuen Windparks und ihre Infrastruktur das Ökosystem Meer weniger, als es ein ungebremster Klimawandel tun würde.
In diesem Konzept müssten auf dem Meer Elektrolyseure gebaut werden, um den Wasserstoff herzustellen. Den Verbänden schwebt vor, dass auch Wasserstoff-Windparks anderer europäischer Staaten an die Rohrleitung angeschlossen werden können. Sie sprechen von einer elektrischen Gesamtleistung von 20 GW.
„Die Industrie braucht eine Perspektive“, betonte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Ihm geht es um die Arbeitsplätze in den metallverarbeitenden Unternehmen an Land, die in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten komplett auf klimafreundliche Brennstoffe umstellen müssen. Grüner Wasserstoff ist die zentrale Option – aber auch eine Herausforderung für Küstenstandorte wie Bremen, Bremerhaven, Wilhelmshaven und Hamburg. Schließlich gilt es nicht nur, das Angebot zu entwickeln, sondern auch die Nachfrage: Unternehmen an Land müssen sich darauf vorbereiten, den Wasserstoff tatsächlich einzusetzen.
Um keine Zeit verstreichen zu lassen, fordern die Verbände, bald die Voraussetzungen für den Bau zu schaffen. Neben der Ausweisung der Flächen geht es um die Anpassung der Richtlinien für Ausschreibungen durch die Bundesnetzagentur.