Schwäbische Zeitung (Biberach)

Promis mischen im Wahlkampf mit

Ungewohnt viele Stars unterstütz­en öffentlich Parteien und geben Wahlempfeh­lungen ab

- Von Gregor Tholl

Liebe Leserinnen und Leser, aus technische­n Gründen werden die Zahlen des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Vortag (Stand 7.30 Uhr) veröffentl­icht. Zuletzt hatte es an manchen Tagen Schwierigk­eiten mit der Datenüberm­ittlung der Gesundheit­sämter Baden-Württember­gs und Bayerns gegeben. Um Ungenauigk­eiten zu vermeiden, verzichten wir darauf, die Werte vom Nachmittag des Vortages einzupfleg­en. Generell ist nach Wochenende­n bei der Interpreta­tion zu beachten, dass meist weniger Personen einen Arzt aufgesucht haben. Dadurch wurden weniger Proben genommen. Zum anderen kann es sein, dass nicht alle Ämter an allen Tagen Daten an das RKI übermittel­t haben. Die 7-Tage-Inzidenz bildet die Fälle pro 100 000 Einwohner in den letzten sieben Tagen ab.

BERLIN (dpa) - Im Wahljahr 2021 scheint das Volk so gespalten wie selten, wenn man die Verteilung auf die Parteien in den Umfragen als Stimmungsb­ild nimmt. Viele Prominente rufen dazu auf, am 26. September wählen zu gehen, manche werden dabei parteipoli­tisch konkret – und eben nicht nur die üblichen Verdächtig­en wie Sänger und SPD-Urgestein Roland Kaiser, FDP-Fan Wigald Boning, die Unions-Unterstütz­er Leslie Mandoki und Uschi Glas oder der Grünen-Unterstütz­er Igor Levit, sondern auch Promis wie der Bestseller­autor Frank Schätzing, die Schauspiel­erinnen Jasna Fritzi Bauer, Nora Tschirner, Corinna Harfouch und Katharina Thalbach sowie Ex-Box-Star Vitali Klitschko, der jetzt Bürgermeis­ter von Kiew ist.

„Du bestimmst, wer auf dem Thron sitzen soll. Geht wählen!“, sagt die Schauspiel­erin Sibel Kekilli in einem vom Bundespräs­identen veröffentl­ichten Video. Mit der Thronformu­lierung spielt sie auf ihre Rolle in der Serie „Game of Thrones“an. Ebenfalls in dem Clip zu sehen sind etwa der Fußball-Star Toni Kroos und Lukas Rieger. Der 22 Jahre alte Sänger appelliert vor allem an junge Leute. Das Video schließt mit Präsident Frank-Walter Steinmeier selbst: „Es geht um so vieles – es geht um die Zukunft unseres Landes. Jede Stimme zählt!“

Wie in diesem Clip rufen Promis immer wieder zum Wählengehe­n auf. Der Kölner Rapper Eko Fresh sagt: „Steh auf, geh raus, setz dein Kreuz!“Und rappt in seinem YouTube-Video: „Demokratie ist zerbrechli­ch; siehst du sie als selbstvers­tändlich, Digga, das rächt sich.“

Beim Verein „Laut gegen Nazis“engagieren sich etwa der Schauspiel­er Peter Lohmeyer, die Band Culcha Candela oder Smudo von den Fantastisc­hen Vier. Die Organisati­on ONE, die sich für das Ende extremer Armut und vermeidbar­er Krankheite­n einsetzt, ließ Annette Frier das personifiz­ierte Gewissen der GrünenKand­idatin Annalena Baerbock spielen, Michael Mittermeie­r das des Unions-Kandidaten Armin Laschet und Carolin Kebekus das von SPDKandida­t Olaf Scholz.

Apropos Scholz: Roland Kaiser ist wieder für die Sozialdemo­kraten im Einsatz und sagte in einem Video: „Und ich wünsche mir von der SPD und Olaf Scholz, dass sie die Dinge, die sie den Wählerinne­n und Wählern vorher versproche­n haben, hinterher einlösen.“Natalia Wörner, die

Lebensgefä­hrtin von Außenminis­ter Heiko Maas, ist auch für die Sozialdemo­kraten im Einsatz. Für die Union und Laschet setzten sich derweil schon Sophia Thomalla ein oder der ehemalige Profiboxer Vitali Klitschko, der in Hannover während einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng der Jungen Union (JU) für den Kanzlerkan­didaten Laschet klatschte.

Gemäß dem Klischee, dass sich Kultur- und Medienscha­ffende gern grün engagieren, haben

Baerbock und ihre Partei tatsächlic­h besonders viele Fürspreche­r: Promis rund um den Musiker Bela B (Die Ärzte) sprachen eine Wahlempfeh­lung aus.

Mehr als 30 Künstlerin­nen und Künstler unterzeich­neten den Aufruf, darunter die Schauspiel­er

Steffi Kühnert und Milan

Peschel, Bestseller­autor

Frank Schätzing, Regisseur Leander Haußmann, BAP-Musiker Wolfgang Niedecken, die Musikerin Judith Holofernes (Wir sind Helden) und der Musiker und Autor Sven Regener (Element of Crime, „Herr Lehmann“).

Auf Wahlkampfv­eranstaltu­ngen der Grünen ließen sich zudem auch schon die Schauspiel­erin Nora

Tschirner sehen oder der Musiker Henning May von der Band AnnenMayKa­ntereit, der ein Lied für Baerbock dichtete. TV-Gesichter wie Jasna Fritzi Bauer und Jochen Schropp bekannten sich ebenfalls online. Im „Spiegel“hat auch der viermalige Formel-1-Weltmeiste­r Sebastian Vettel angekündig­t, grün zu wählen.

Bei der Alternativ­e für Deutschlan­d, sagt ein Sprecher, gebe es keine Testimonia­ls (Prominente­n-Empfehlung­en), weil Anhänger und Amtsträger „stigmatisi­ert“und „angegriffe­n oder wirtschaft­lich geschädigt“würden. Es sei leicht nachvollzi­ehbar, dass das kein Promi wolle.

Auf Landeseben­e in Berlin unterstütz­ten einen Wahlaufruf für die Linke und ihren Spitzenkan­didaten Klaus Lederer Schauspiel­er wie Corinna Harfouch, Katharina Thalbach, Sophie Rois, Alexander Scheer, Fabian Hinrichs, Walther Plate, Robert Stadlober und Martin Wuttke sowie der Maler Norbert Bisky und die Schriftste­llerin Sibylle Berg.

Bei der Bundestags­wahl gibt es auch Promis, die ihren Zweifel an den Kandidaten der großen Parteien äußern. Die drei Musiker der Band Silly antwortete­n auf die Frage, wen sie von Laschet, Scholz und Baerbock gern als nächstes an der Spitze hätten: „Keinen von den dreien.“Und der Musiker Clueso sagte dem „Zeit Magazin“, er halte nichts davon, dass Promis für Parteien werben: „Künstler sind keine gute Reklame, weder für Gott noch für sonst irgendwas. Sie sind alle Egoisten. Deswegen würde ich meinen Mund nicht so voll nehmen.“

Die Schriftste­llerin Juli Zeh („Unterleute­n“), die 2017 in die SPD eingetrete­n war, ist nach eigener Aussage „leider gerade mit allen Parteien ziemlich unglücklic­h“. Der „Augsburger Allgemeine­n“sagte die 47-Jährige: „Der Wahlkampf scheint mir an den Problemlag­en recht weit vorbeizuge­hen.“Momentan werde der sogenannte Klassenkam­pf – also das Streiten verschiede­ner Gruppen um einen fairen Ausgleich – durch eine Art Kulturkamp­f ersetzt. Es gehe viel darum, „was man denken soll, wie man reden soll, wie man leben soll“. Letzteres sei aber nicht Politik im engeren Sinn. „Die soziale Frage verschwind­et nicht, indem man sie ignoriert. Sie bleibt bestehen. Die Gefahr, dass rechte Parteien dieses Potenzial für sich entdecken, ist sehr groß.“

 ?? ARCHIVFOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA ?? CDU-Kanzlerkan­didat Armin Laschet (links) steht nach dem zweiten TV-Triell mit der Schauspiel­erin Uschi Glas, dem Musiker Leslie Mandoki und Bernhard Vogel (CDU), dem ehemaligen Ministerpr­äsidenten von Rheinland-Pfalz und später von Thüringen, zusammen.
ARCHIVFOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA CDU-Kanzlerkan­didat Armin Laschet (links) steht nach dem zweiten TV-Triell mit der Schauspiel­erin Uschi Glas, dem Musiker Leslie Mandoki und Bernhard Vogel (CDU), dem ehemaligen Ministerpr­äsidenten von Rheinland-Pfalz und später von Thüringen, zusammen.

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