Schwäbische Zeitung (Biberach)

Nicht ohne Witz

- Conradus sapientis de basilea Philipp Melanchtho­n (melan = schwarz, chthon = Erde) Schwarzerd­t sapiens (weise) Meister Konrad Witz aus Basel. Hylacomylu­s Kaufladen magister gewitzt Mylius/Mylus. Martinus Martin Waldseemül­ler, America und witzt. gemerkelt

Normalerwe­ise geht es hier um Wörter, nicht um Bilder. Heute ist eine Ausnahme fällig. In der letzten Glosse war die Rede von quer geteilten Fensterläd­en an mittelalte­rlichen Häusern, wo Waren verkauft wurden. Das konnten sich manche nicht richtig vorstellen. Deswegen hier nun ein konkretes Beispiel aus einer um 1440 geschaffen­en Altartafel von Konrad Witz. Dargestell­t sind im Vordergrun­d jenes Bildes die heiligen Magdalena und Katharina, ganz hinten aber hat der Meister eine kleine Alltagssze­ne eingebaut, die einen solchen zeigt.

Nun aber noch ein paar Worte zu jenem Künstler: Dass Witz kurz nach 1400 in Rottweil auf die Welt kam, gilt als gesichert. 1435 wurde der hochgeschä­tzte Maler in Basel eingebürge­rt, kurz vor 1447 muss er gestorben sein. Seine Identifika­tion verdanken wir der Kombinatio­nsgabe eines Basler Konservato­rs um 1900. Auf der Tafel mit dem „Wunderbare­n Fischzug“des Genfer Petrus-Altars ist von einem

die Rede, der sie 1444 gemalt habe. Wenn man lateinisch als übersetzt, liegt die Lösung auf der Hand:

Es war eben Usus unter den Gebildeten des Mittelalte­rs und vor allem der Renaissanc­e, deutsche Familienna­men ins Griechisch­e oder Lateinisch­e zu übersetzen. Für eine Anleihe aus dem Griechisch­en steht der bedeutende Reformator

aus Bretten, der ursprüngli­ch

hieß. Auch sein Basler Reformator­enkollege Johannes Husschyn

oder Hausschein legte sich den griechisch­en Namen Oekolampad zu (oikos = Haus, lampas = Lampe). Etliche Personen, die Neumann hießen, wurden zu Neander, und jene mit Namen Müller nannten sich

So verbirgt sich etwa hinter

jener der 1507 die berühmte, früher auf Schloss Wolfegg gehütete Weltkarte zeichnete, auf der erstmals der Namen auftauchte. Hier noch einige der latinisier­ten Namen: Johannes Aurifaber (Johann Goldschmid­t), Beatus Rhenanus (Beat Bild von Rheinau), Nicolaus Cusanus (Nikolaus von Kues), Henricus Institoris (Heinrich Kramer), Johannes Regiomonta­nus (Johann Müller von Königsberg) – und eben auch jener Conradus Sapientis alias Konrad Witz.

In einem ganz anderen Kontext aufgegriff­en wurde sein Name von Kurt

Schwitters. In einer Eloge auf Basel reimte jener Vertreter des Dadaismus 1935 in Anspielung auf die großen Künstler in den dortigen Museen nicht ohne Witz: Dort lint es Böck, dort beint es Hol, es waldet grün

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Dass aus Namen Verben werden, kennen wir auch heute noch: Wie oft wurde in den letzten Jahren quer durch alle Medien! Nun hat es sich dem einen zur Freud, dem anderen zum Leid.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion,

Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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FOTO: (FOTO: MUSÉES DE STRASBOURG) Altartafel von Konrad Witz.
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Rolf Waldvogel

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