Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kramen in der Psycho-Kiste
Tatort: Der Reiz des Bösen (ARD, Sonntag, 20.15
Uhr) - „Übertötung“, sagt Kommissar Schenk gleich zu Beginn, „spricht für Wut und Leidenschaft“. Eine Krankenschwester wird mit zwölf Messerstichen ermordet. Kurz darauf ist klar, dass sie einen Mann geheiratet hat, den sie per Brieffreundschaft während seiner Haftzeit kennengelernt hat. Dass sie mit ihren Beziehungen generell kein Glück hat, zeigen Ehemann und ExEhemann, beide aufbrausend und gewalttätig.
Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) müssen in ihrem 82. Fall tief in der Psycho-Kiste kramen. Zum Glück gibt’s die Psychologinnen Rosenberg (Juliane Köhler) und Ansbach (Tanja Schleiff). Von den beiden hören sie zum ersten Mal vom Phänomen
Hybristophilie, auch Bonnie-und-Clyde-Syndrom genannt. Aber das Wissen um die Zuneigung mancher Frauen zu gewalttätigen Männern hilft nicht recht weiter. Erst als Norbert Jütte (Roland Riebeling), der etwas seltsame und bedächtige Assistent, auf einen früheren Fall aufmerksam macht, wird’s spannend.
Dieser „Tatort“beginnt zunächst mit vielen Standards, nimmt nur langsam Fahrt auf, doch nach der ersten Hälfte wird es richtig spannend. So viel sei verraten: Präsentiert wird ein raffinierter Erzählansatz, den man nicht gleich durchschaut. Doch wenn es einmal klick macht, ist die Geschichte durch und durch glaubwürdig. Schön auch, dass Ballauf und Schenk ganz die Alten bleiben, zurückhaltend agieren, und Jütte sich endlich offenbaren darf.