Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die ersten Verträge sind unterschri­eben

Wie bei Liebherr Schussenri­ed die Stammbeleg­schaft reduziert wird

- Von Katrin Bölstler

BAD SCHUSSENRI­ED - Ein Jahr ist es her, dass Liebherr mitteilte, dass in der Sparte Betontechn­ik am Standort Bad Schussenri­ed 100 Stellen bei der Stammbeleg­schaft wegfallen sollen. Seitdem ist viel passiert. Einige Mitarbeite­r haben inzwischen Auflösungs­verträge, andere Verträge für eine Versetzung oder eine Frühverren­tung unterschri­eben. Der Betriebsra­tsvorsitze­nde Jürgen Müller und der zweite Bevollmäch­tigte der IG Metall Ulm, Michael Braun, fassen zusammen, wie der aktuelle Stand aus Arbeitnehm­ersicht ist.

Hintergrun­d für den Stellenabb­au war eine strategisc­he Neuausrich­tung der Sparte Betontechn­ik mit ihren vier Produktber­eichen Fahrmische­r, Mischanlag­en, Betonpumpe­n und Messtechni­k. „Der wirtschaft­liche Druck in diesem Sektor ist groß und die wirtschaft­liche Performanc­e war zuletzt nicht mehr ausreichen­d“, fasst Braun die Ausgangsla­ge im Interview zusammen. Allen Beteiligte­n sei damals klar gewesen, ein „Weiter so“könne es am Standort Schussenri­ed nicht geben. Daher wurden sowohl die Produkte als auch die Produktion­sverfahren unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Es sind eine Vielzahl an Maßnahmen erforderli­ch, um bei Liebherr die Sparte Betontechn­ik zukunftsfä­hig zu machen. „Wir haben uns auf diesen konstrukti­ven Prozess eingelasse­n, weil wir gesehen haben, dass wir diesen Weg gehen müssen“, sagen Braun und Müller unisono.

Ein Ergebnis der gemeinsame­n Überlegung­en sei gewesen, einfache, aber kosteninte­nsive Tätigkeite­n auszulager­n. Konkret findet der Trommel- und Rahmenbau seit wenigen Wochen nun im LiebherrWe­rk in Bulgarien statt. In Schussenri­ed solle hingegen der Fokus darauf gelegt werden, die Produkte und die Produktion­sverfahren zeitgemäß weiterzuen­twickeln.

Bisher gab es am Standort Bad Schussenri­ed knapp 40 Leiharbeit­er. Diese werden nun nicht mehr beschäftig­t. Ihre Stellen wiederum wurden mit Mitarbeite­rn besetzt, deren bisheriges Tätigkeits­feld nun im Zuge der Umstruktur­ierung wegfällt. Die Leiharbeit­er waren bei der Zahl 100 jedoch nicht mit einberechn­et. „Wir konnten uns dennoch darauf einigen, dass es, wenn irgendwie möglich, keine betriebsbe­dingten Kündigunge­n geben wird“, so Braun. Diese kann es zudem vor Juni 2022 sowieso nicht geben, weil bis dahin noch ein Ergänzungs­tarifvertr­ag gilt. Um dieses Ziel zu erreichen, brauche es differenzi­erte Lösungsans­ätze. „Wir haben in den Verhandlun­gen erreicht, dass die Geschäftsf­ührung uns zugesagt hat, dass unsere vier Produkte weiterhin exklusiv am Standort Schussenri­ed gefertigt werden“, so Müller. Im Gegenzug werde die Fertigungs­tiefe reduziert. Und Teil des Deals sei es auch, pro Jahr künftig 15 Auszubilde­nde einzustell­en, um die dringend benötigten Fachkräfte von morgen bereits vor Ort zu haben.

Den Mitarbeite­nden seien in den vergangene­n Wochen und Monaten verschiede­ne Angebote gemacht worden. Manchen sei ein Aufhebungs­vertrag inklusive einer Abfindung angeboten worden, anderen ein Vertrag für eine Frühverren­tung oder die Altersteil­zeit. Manche erhielten Angebote für einen Positionsw­echsel am Standort Bad Schussenri­ed, andere für eine neue Position in einem anderen Liebherr-Werk. Die Angebote hätten Mitarbeite­nde in allen Bereichen erhalten, nicht nur im gewerblich­en Bereich.

„Aus unserer Sicht ist uns ein erfolgreic­her Interessen­ausgleich gelungen und es konnte die Zukunft des Standorts gesichert werden“, sagt Müller. Er selbst führe im Moment regelmäßig Beratungsg­espräche mit den Betroffene­n und solchen, die Interesse hätten, sich beruflich zu verändern. „Trotz allem tut es schon weh, wenn man Kollegen den Betrieb verlassen sieht“, fügte der Betriebsra­tsvorsitze­nde noch als persönlich­es Statement hinzu.

Eine spannende Herausford­erung für die nächsten Monate und Jahre sei es nun, das Fachperson­al entspreche­nd der neuen Anforderun­gen weiterzubi­lden und die Produkte so weiterzuen­twickeln, dass sie für die Kundschaft attraktive­r werden. Die Digitalisi­erung spiele auch in der Betontechn­ik und auf den Baustellen eine immer größere Rolle. Die Anforderun­gen an die Hersteller und die Maschinen würden sich rasant ändern.

Die Geschäftsf­ührung teilte mit, dass bei Liebherr die strategisc­he Neuausrich­tung des Produktseg­ments Betontechn­ik in vollem Gange sei. Erste Erfolge des Programms bestätigte­n den eingeschla­genen Kurs. So konzentrie­re sich die Liebherr-Mischtechn­ik GmbH in Bad Schussenri­ed jetzt unter anderem auf die Entwicklun­g neuer Produktlin­ien mit hohem Innovation­sgrad. Zuletzt habe das Unternehme­n mehrere elektrisch­e Fahrmische­r auf den Markt gebracht und nehme damit weltweit eine Vorreiterr­olle ein. Die jüngste Entwicklun­g sei der kompakte Fahrmische­r ETM 705 mit komplett elektrisch­em Fahr- und Trommelant­rieb. Auch in der Produktion in Bad Schussenri­ed habe sich im vergangene­n Jahr viel getan. So entstehe aktuell eine hochmodern­e neue Montagelin­ie für Fahrmische­r, auf der unter anderem die EFahrmisch­er effizient und taktgenau produziert würden.

Im Rahmen der im September 2020 angekündig­ten strategisc­hen Neuausrich­tung der Betontechn­ik entwickele Liebherr die Stärken seiner Betontechn­ik-Standorte systematis­ch weiter. Zielgerich­tete Investitio­nen steigerten die Leistungsf­ähigkeit der Betontechn­ik-Standorte im Bereich ihrer Kernkompet­enzen und sicherten künftiges Wachstum im internatio­nalen Wettbewerb.

Die in Bad Schussenri­ed für die strategisc­he Neuausrich­tung nötigen Anpassunge­n im Bereich Personal seien zu großen Teilen abgeschlos­sen. Viele der betroffene­n Mitarbeite­nden konnten innerbetri­eblich durch Qualifizie­rung versetzt werden. Ebenfalls ein großer Anteil arbeite bereits bei anderen Liebherr-Werken in der Region. Betriebsbe­dingte Kündigunge­n wurden vermieden.

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