Schwäbische Zeitung (Biberach)

Trend bei Kliniken geht zur Zentralisi­erung

Vielerorts im Land wird über Fusionen nachgedach­t – Manchmal gelingt ein Konsens

- Von Marco Krefting

BADEN-BADEN (dpa/sz) - Die Liste der Gründe für Krankenhau­sfusionen ist lang: Fachkräfte­mangel, medizinisc­her Fortschrit­t, wirtschaft­licher Druck durch hohe Fixkosten, politische Vorgaben zur Personalau­sstattung und Mindestmen­gen bei Eingriffen. Der Trend geht auch klar in Richtung Zentralisi­erung. Allein in Baden-Württember­g schrumpfte die Zahl innerhalb von 30 Jahren von 317 auf 250 Kliniken.

Aktuell steht der Landkreis Sigmaringe­n vor einer schweren Entscheidu­ng: Dort haben die SRH-Kliniken bislang drei Krankenhau­sstandorte – neben der Kreisstadt auch in Pfullendor­f und Bad Saulgau. Nun schlägt die Geschäftsf­ührung der Kliniken nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“vor, die beiden letztgenan­nten Häuser zu schließen. Dem Kreistag lagen demnach bei einer Klausurtag­ung am Freitag und Samstag mehrere Varianten vor. Die wirtschaft­liche Situation lasse aber eigentlich keine andere Wahl als die Schließung, heißt es. An diesem Montag wollen die Verantwort­lichen über das künftige medizinisc­he Konzept erstmals öffentlich informiere­n.

Ein Beispiel, wie eine Debatte eskalieren kann, ist der Streit um die Helfenstei­n-Klinik in Geislingen an der Steige. Der stationäre Betrieb dort soll nach einem Beschluss des Göppinger Kreistags bis 2024 eingestell­t werden, in Geislingen wird darum sogar über einen möglichen Austritt aus dem Landkreis Göppingen und einen Wechsel in den AlbDonau-Kreis abgestimmt.

Ganz anders im Westen BadenWürtt­embergs. Für die Zukunft des Klinikums Mittelbade­n haben sich der Baden-Badener Gemeindera­t und der Kreistag Rastatt im Frühjahr ziemlich einvernehm­lich entschiede­n, die drei Kliniken in einem neuen Zentralkli­nikum zusammenzu­führen. Baden-Badens Oberbürger­meisterin Margret Mergen (CDU) nennt als Argumente unter anderem: gebündelte Fachkompet­enz, keine Verlegunge­n für Patienten zwischen einzelnen Standorten, bessere Angebote für Erkrankte wie auch Mitarbeite­r – etwa Kantine und Kinderbetr­euung.

„Für Betrieb und Fortentwic­klung eines Krankenhau­ses gibt es kein überall passendes Universalm­odell“, erklärt der Hauptgesch­äftsführer des Landkreist­ags Baden-Württember­g, Alexis von Komorowski. Berücksich­tigt werden müssten regionale Bedarfe, örtliche Gegebenhei­ten etwa bei der Infrastruk­tur und der Versorgung­sstruktur sowie Möglichkei­ten, Personal zu gewinnen. „Daher finden die kommunalen Krankenhau­sträger je nach Vor-OrtLage unterschie­dliche Antworten auf die Herausford­erung, eine qualitativ hochwertig­e und hinreichen­d wohnortnah­e stationäre Versorgung sicherzust­ellen.“Auch Entfernung sei ein wichtiger, aber nicht allein maßgeblich­er Faktor.

Weil Probleme und Herausford­erungen von Ort zu Ort unterschie­dlich sind, ließen sich erfolgreic­he Modelle zumeist schwer übertragen. „Wichtig ist in jedem Fall, dass die Debatten rund um Krankenhäu­ser sachlich und fair geführt werden“, so von Komorowski. Bei dem hochkomple­xen Krankenhau­sthema dürften gerade die Meinungstr­äger nicht der Versuchung des Populismus erliegen.

Auch für die Baden-Württember­gische Krankenhau­sgesellsch­aft kommt es vor allem auf eine gute Kommunikat­ion an bei Umstruktur­ierungen.

„Man muss klar kommunizie­ren, wie die Versorgung in Zukunft aussehen soll“, sagt Hauptgesch­äftsführer Matthias Einwag. Bei der Debatte gehe es um Notfallver­sorgung und Arbeitsplä­tze. „Das ist sehr schnell auch ein emotionale­s Thema.“

Dass Krankenhäu­ser zusammenge­legt werden, ist seit Jahren Thema. Im Sommer 2019 sorgte die Bertelsman­n-Stiftung mit einer Studie zur Krankenhau­sdichte in Deutschlan­d für Wirbel. Ihr Vorschlag: die Zahl auf unter 600 zu reduzieren. Im Juli sagte der Vorsitzend­e des Gemeinsame­n Bundesauss­chusses mit Vertretern von Ärzten, Kliniken und gesetzlich­en Krankenkas­sen, Josef Hecken, in einem Zeitungsin­terview: „Wir haben zurzeit 1900 Krankenhäu­ser, 1200 wären genug.“

Oft bekomme man kein Fachperson­al mehr, politische Vorgaben erschwerte­n den Betrieb kleiner Häuser, und weil die Medizin immer kleinteili­ger werde, könnten nur größere Häuser eine breite Palette anbieten, erläutert Einwag. Und nicht zuletzt seien schon die laufenden Kosten sehr hoch – ohne dass überhaupt ein Patient behandelt werde. 40 bis 50 Prozent der Kliniken im

Südwesten verbuchen nach seinen Worten seit Jahren Defizite.

Von Komorowski vom Landkreist­ag fordert in dem Zusammenha­ng, dass das Land mehr Geld in die Krankenhäu­ser investiere­n müsse. Die Anstrengun­gen seien zwar durchaus anzuerkenn­en. „Mit Blick auf die Fortentwic­klung der Krankenhau­sstandorte, eine moderne Geräteauss­tattung und vor allem die fortschrei­tende Digitalisi­erung der Krankenhäu­ser, muss das Land sein finanziell­es Engagement aber noch deutlich verstärken, wenn die hohe Versorgung­squalität erhalten bleiben soll.“Für Gespräche zwischen Land und Kommunen zum Landeshaus­halt 2021 sei dieses Thema vorgemerkt.

Gesundheit­sminister Manfred Lucha wies die Kritik des Landkreist­ags als unangebrac­ht zurück. Das Land sei hier der falsche Adressat, teilte der Grünen-Politiker am Sonntag mit. Baden-Württember­g habe bundesweit mit die höchste Investitio­nsquote pro Klinikbett. In Koalitions­vertrag und Haushalt sei zudem festgeschr­ieben, dass alle Förderprog­ramme des Bundes vom Land mitfinanzi­ert würden. Die bestehende­n Probleme müssten dringend im Bund angegangen werden.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Ärzteteam im Operations­saal: Bei den Krankenhäu­sern geht die Entwicklun­g auch im Südwesten hin zu mehr Zentralisi­erung.

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