Schwäbische Zeitung (Biberach)
Trend bei Kliniken geht zur Zentralisierung
Vielerorts im Land wird über Fusionen nachgedacht – Manchmal gelingt ein Konsens
BADEN-BADEN (dpa/sz) - Die Liste der Gründe für Krankenhausfusionen ist lang: Fachkräftemangel, medizinischer Fortschritt, wirtschaftlicher Druck durch hohe Fixkosten, politische Vorgaben zur Personalausstattung und Mindestmengen bei Eingriffen. Der Trend geht auch klar in Richtung Zentralisierung. Allein in Baden-Württemberg schrumpfte die Zahl innerhalb von 30 Jahren von 317 auf 250 Kliniken.
Aktuell steht der Landkreis Sigmaringen vor einer schweren Entscheidung: Dort haben die SRH-Kliniken bislang drei Krankenhausstandorte – neben der Kreisstadt auch in Pfullendorf und Bad Saulgau. Nun schlägt die Geschäftsführung der Kliniken nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“vor, die beiden letztgenannten Häuser zu schließen. Dem Kreistag lagen demnach bei einer Klausurtagung am Freitag und Samstag mehrere Varianten vor. Die wirtschaftliche Situation lasse aber eigentlich keine andere Wahl als die Schließung, heißt es. An diesem Montag wollen die Verantwortlichen über das künftige medizinische Konzept erstmals öffentlich informieren.
Ein Beispiel, wie eine Debatte eskalieren kann, ist der Streit um die Helfenstein-Klinik in Geislingen an der Steige. Der stationäre Betrieb dort soll nach einem Beschluss des Göppinger Kreistags bis 2024 eingestellt werden, in Geislingen wird darum sogar über einen möglichen Austritt aus dem Landkreis Göppingen und einen Wechsel in den AlbDonau-Kreis abgestimmt.
Ganz anders im Westen BadenWürttembergs. Für die Zukunft des Klinikums Mittelbaden haben sich der Baden-Badener Gemeinderat und der Kreistag Rastatt im Frühjahr ziemlich einvernehmlich entschieden, die drei Kliniken in einem neuen Zentralklinikum zusammenzuführen. Baden-Badens Oberbürgermeisterin Margret Mergen (CDU) nennt als Argumente unter anderem: gebündelte Fachkompetenz, keine Verlegungen für Patienten zwischen einzelnen Standorten, bessere Angebote für Erkrankte wie auch Mitarbeiter – etwa Kantine und Kinderbetreuung.
„Für Betrieb und Fortentwicklung eines Krankenhauses gibt es kein überall passendes Universalmodell“, erklärt der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg, Alexis von Komorowski. Berücksichtigt werden müssten regionale Bedarfe, örtliche Gegebenheiten etwa bei der Infrastruktur und der Versorgungsstruktur sowie Möglichkeiten, Personal zu gewinnen. „Daher finden die kommunalen Krankenhausträger je nach Vor-OrtLage unterschiedliche Antworten auf die Herausforderung, eine qualitativ hochwertige und hinreichend wohnortnahe stationäre Versorgung sicherzustellen.“Auch Entfernung sei ein wichtiger, aber nicht allein maßgeblicher Faktor.
Weil Probleme und Herausforderungen von Ort zu Ort unterschiedlich sind, ließen sich erfolgreiche Modelle zumeist schwer übertragen. „Wichtig ist in jedem Fall, dass die Debatten rund um Krankenhäuser sachlich und fair geführt werden“, so von Komorowski. Bei dem hochkomplexen Krankenhausthema dürften gerade die Meinungsträger nicht der Versuchung des Populismus erliegen.
Auch für die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft kommt es vor allem auf eine gute Kommunikation an bei Umstrukturierungen.
„Man muss klar kommunizieren, wie die Versorgung in Zukunft aussehen soll“, sagt Hauptgeschäftsführer Matthias Einwag. Bei der Debatte gehe es um Notfallversorgung und Arbeitsplätze. „Das ist sehr schnell auch ein emotionales Thema.“
Dass Krankenhäuser zusammengelegt werden, ist seit Jahren Thema. Im Sommer 2019 sorgte die Bertelsmann-Stiftung mit einer Studie zur Krankenhausdichte in Deutschland für Wirbel. Ihr Vorschlag: die Zahl auf unter 600 zu reduzieren. Im Juli sagte der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Vertretern von Ärzten, Kliniken und gesetzlichen Krankenkassen, Josef Hecken, in einem Zeitungsinterview: „Wir haben zurzeit 1900 Krankenhäuser, 1200 wären genug.“
Oft bekomme man kein Fachpersonal mehr, politische Vorgaben erschwerten den Betrieb kleiner Häuser, und weil die Medizin immer kleinteiliger werde, könnten nur größere Häuser eine breite Palette anbieten, erläutert Einwag. Und nicht zuletzt seien schon die laufenden Kosten sehr hoch – ohne dass überhaupt ein Patient behandelt werde. 40 bis 50 Prozent der Kliniken im
Südwesten verbuchen nach seinen Worten seit Jahren Defizite.
Von Komorowski vom Landkreistag fordert in dem Zusammenhang, dass das Land mehr Geld in die Krankenhäuser investieren müsse. Die Anstrengungen seien zwar durchaus anzuerkennen. „Mit Blick auf die Fortentwicklung der Krankenhausstandorte, eine moderne Geräteausstattung und vor allem die fortschreitende Digitalisierung der Krankenhäuser, muss das Land sein finanzielles Engagement aber noch deutlich verstärken, wenn die hohe Versorgungsqualität erhalten bleiben soll.“Für Gespräche zwischen Land und Kommunen zum Landeshaushalt 2021 sei dieses Thema vorgemerkt.
Gesundheitsminister Manfred Lucha wies die Kritik des Landkreistags als unangebracht zurück. Das Land sei hier der falsche Adressat, teilte der Grünen-Politiker am Sonntag mit. Baden-Württemberg habe bundesweit mit die höchste Investitionsquote pro Klinikbett. In Koalitionsvertrag und Haushalt sei zudem festgeschrieben, dass alle Förderprogramme des Bundes vom Land mitfinanziert würden. Die bestehenden Probleme müssten dringend im Bund angegangen werden.