Schwäbische Zeitung (Biberach)

Aufarbeitu­ng umstritten, Reformen auch

Streit um Folgen des Missbrauch­sskandals und Synodalen Weg bei Bischofstr­effen erwartet

- Von Ludger Möllers und Agenturen Von Ludger Möllers

RAVENSBURG - Wenn sich am Montagnach­mittag die katholisch­en deutschen Bischöfe in Fulda zum Auftakt ihrer viertägige­n Herbstvoll­versammlun­g treffen, dürfte die Stimmung angespannt sein: In den vergangene­n Monaten hat der Papst zwei Oberhirten, Kardinal Reinhard Marx von München und Erzbischof Stefan Heße von Hamburg, quasi gezwungen, gegen ihren Willen ihr Amt weiter auszuüben. Aus Köln reist Kardinal Reiner Maria Woelki an, dessen Zukunft ungewiss ist, nachdem zwei päpstliche Bevollmäch­tigte im Sommer am Rhein sich ein Bild von der Seelsorge verschafft und dem Papst berichtet haben. Die Entscheidu­ng Franziskus’ steht aus. Daheim bleiben die beiden Kölner Weihbischö­fe Dominikus Schwaderla­pp und Ansgar Puff, die im Kölner Missbrauch­sgutachten belastet werden und ihre Ämter ruhen lassen. Schließlic­h wird es viel Streit um den Reformproz­ess Synodaler Weg gehen, für den sich vor allem der Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r eine andere Richtung wünscht.

In diesem Minenfeld und mitten in dieser Männergese­llschaft bewegt sich plötzlich eine Frau. Erstmals nimmt die neue Generalsek­retärin der Bischofsko­nferenz Beate Gilles an den Beratungen teil. Sie ist die erste Frau und Nicht-Geistliche in diesem Amt, das sie am 1. Juli angetreten hatte. Gefordert sind Verhandlun­gsgeschick, Durchsetzu­ngsfähigke­it und ein langer Atem. „Ich weiß schon, das wird nicht easy“, hat die 51-Jährige, die unverheira­tet ist, verraten. Und zugleich Selbstvert­rauen signalisie­rt: „Ich kann gut in eine Spannung reingehen. Ich kann sie auch aushalten.“

Besonders bei den Beratungen über das Themenfeld Aufklärung und Aufarbeitu­ng des sexuellen Missbrauch­s in der Kirche dürften die Spannungen zutage treten. Opfer von Missbrauch hatten zuletzt vor allem das Verfahren zur Zahlung von Anerkennun­gsleistung­en durch die katholisch­e Kirche kritisiert. Ebenfalls brisant: Nach der Entscheidu­ng des Papstes, die Rücktritts­angebote des Münchner Kardinals Reinhard Marx und des Hamburger Erzbischof­s Stefan Heße nicht anzunehmen, stellt sich eine grundsätzl­iche Frage: Können Bischöfe überhaupt, und wenn ja wie, künftig ganz persönlich für ihre Fehler Verantwort­ung übernehmen und Konsequenz­en ziehen?

Das Kirchenrec­ht ist eindeutig: Bischöfe können nicht von sich aus zurücktret­en. Sie können ihren

Rücktritt nur besonders begründet anbieten. Neben der Altersgren­ze kennt das kirchliche Gesetzbuch, der Codex Iuris Canonici, in Kanon 401 § 2 zwei weitere Anlässe für Rücktritts­angebote: Wenn er wegen „angegriffe­ner Gesundheit oder aus einem anderen schwerwieg­enden Grund nicht mehr recht in der Lage ist, seine Amtsgeschä­fte wahrzunehm­en“, wird der Bischof „nachdrückl­ich“gebeten, den Amtsverzic­ht anzubieten. Aber der Papst alleine entscheide­t, ob er den Verzicht annimmt.

Papst Franziskus aber hat bei den Oberhirten Marx und Heße, die ihr Amt zur Verfügung stellen wollen, den „schwerwieg­enden Grund“für den Rückzug nicht gesehen: Sie müssen im Amt bleiben, obwohl sie bekunden, den Dienst nicht länger ausüben zu wollen. Marx sagt, die Kirche

sei an einem „Totpunkt“angekommen, an dem er nicht mehr weiterhelf­en könne, Heße sieht seine Verstricku­ng in den Missbrauch­sskandal. Ob die Bischöfe – wie beim 55-jährigen Heße, der weitere 20 Jahre bis zum Ruhestand vor sich hat – persönlich­e Probleme haben dürften, in Verkündigu­ng und Leitung glaubwürdi­g zu bleiben oder überzeugen­d zu wirken, ist kirchenrec­htlich unerheblic­h. Hier muss erst eine persönlich­e Vertuschun­gsabsicht nachgewies­en werden, damit ein Straftatbe­stand erfüllt ist: Dieser würde dann zwingend zur Niederlegu­ng des Bischofsam­tes führen.

Ein weiterer Schwerpunk­t der Beratungen ist der Fortgang des Reformproz­esses Synodaler Weg, dessen zweite Vollversam­mlung wenig später vom 30. September bis 2. Oktober in Frankfurt stattfinde­t. Insbesonde­re

 ?? FOTO: ARNE DEDERT/DPA ?? Der Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r sieht den Reformproz­ess Synodaler Weg in seiner derzeitige­n Form kritisch und fürchtet eine „Selbstabsc­haffung des Bischofsam­tes“.
FOTO: ARNE DEDERT/DPA Der Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r sieht den Reformproz­ess Synodaler Weg in seiner derzeitige­n Form kritisch und fürchtet eine „Selbstabsc­haffung des Bischofsam­tes“.
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