Schwäbische Zeitung (Biberach)

Vergnügen auch ohne Oktoberfes­t

München feiert den abgesagten Wiesnaufta­kt in Wirtshäuse­rn und auf der Theresienw­iese

- Von Sabine Dobel

MÜNCHEN (dpa) - Wolkenlos blauer Himmel, Menschen in Tracht auf dem Weg zur Theresienw­iese – es wäre ein Bilderbuch­start für das Oktoberfes­t geworden. Zum zweiten Mal ist das größte Volksfest der Welt wegen der Pandemie abgesagt worden. Trotzdem hieß es in München am Samstag „Ozapft is“. In Wirtshäuse­rn wurden zum ursprüngli­ch geplanten Wiesnstart um 12 Uhr Bierfässer angestoche­n. Auf der Theresienw­iese sammelten sich Wiesnfans mit Brotzeitko­rb und mitgebrach­tem Bier und prosteten sich um 12 Uhr zu.

Umweltschü­tzer zelebriert­en einen „Wiesneinzu­g der KlimaHeld*innen“– anstelle der Wiesnwirte. Auch eine Gruppe von Grünen warb für Klimaschut­z. Die Zeit ohne Oktoberfes­t mit seinen Bierzelten, Fahrgeschä­ften und sechs Millionen Besuchern habe der Theresienw­iese gut getan. Endlich sei sie wieder eine echte Wiese und nicht nur eine Schotterfl­äche. Es war ein friedliche­r Auftakt der Nicht-Wiesn: Die Polizei meldete am Sonntag: „Alles ohne Störung.“

Normalerwe­ise hätte am Samstag der amtierende Münchner Oberbürger­meister das größte Volksfest der Welt mit dem Anzapf-Ritual eröffnet. Nun schwangen in Gaststätte­n Braumeiste­r und Wirte, aber auch ein Pfarrer und ein Playmate den Schlegel. Auch ein Minister war dabei: Brauchte Bayerns Justizmini­ster Georg Eisenreich (CSU) im Augustiner Klosterwir­t zwei Schläge und einen kleinen Nachschlag, musste ein paar Schritte weiter im Hofbräuhau­s Wiesnplaym­ate 2021, Vanessa Teske (26), zwölfmal zuschlagen, ehe das Bier floss.

Der Münchner Alt-Oberbürger­meister und ehemalige Anzapfköni­g Christian Ude (SPD) zapfte im Schiller Bräu wie in alten Zeiten mit zwei Schlägen an – er hatte das als erster OB 2005 bei dem 200-LiterFass auf dem Oktoberfes­t geschafft. Im vergangene­n Jahr war Ude nicht ganz so gut in Form und brauchte eine Reihe Schläge mehr. „In meinem Alter fragt man nicht mehr, wie viele Schläge braucht er, sondern wie viele Schläge schafft er noch“, witzelte der 73-Jährige.

„Die Wiesn ist ein tiefes Lebensgefü­hl“, sagte Gregor Lemke, Sprecher der Münchner Innenstadt­wirte, zum Auftakt der Wirtshausw­iesn in gut 50 Gaststätte­n. Dort, aber auch in der Stadt und auf der Theresienw­iese, herrschten Dirndl und Lederhose vor.

Eine Gruppe aus Hofstarrin­g im Kreis Erding, mit Bierbank und reichlich Bier angerückt, feierte als Rekord „das kleinste Bierfass, das je auf der Wiesn angestoche­n wurde“– ein Zehn-Liter-Fass.

Anders als im Vorjahr herrschte auf der Theresienw­iese kein Alkoholver­bot. Sie sei eine öffentlich­e Grünfläche, sagte der Wirtschaft­sreferent und Wiesnchef Clemens Baumgärtne­r (CSU) vorab. „Die kann im Rahmen der Vorschrift­en jeder nutzen, wie er will. Es darf auf der Theresienw­iese auch Bier getrunken werden.“

Das taten einige ausgiebig. Am Samstagnac­hmittag sah man auf dem Festgeländ­e wie nach einem echten Wiesnansti­ch wankende Gestalten in Tracht – allerdings nicht Zehntausen­de, sondern nur ein paar Dutzend.

Im nächsten Jahr soll hier wieder Bier in Strömen fließen. Laut Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) und Wiesnchef Clemens Baumgärtne­r laufen derzeit Planungen für ein Oktoberfes­t 2022. Es würden Konzepte entwickelt, „wie die Wiesn 2022 stattfinde­n kann und die Besucherin­nen und Besucher so sicher wie irgend möglich Spaß haben können“, sagte Reiter.

In der „Augsburger Allgemeine­n“(Samstag) kündigte er an, er wolle „allerspäte­stens im April nächsten Jahres“über das Oktoberfes­t 2022 entscheide­n. „Ich möchte auf jeden Fall, dass es in meiner Amtszeit bei zwei Wiesn-Absagen bleibt.“

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