Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Jetzt mal ganz ehrlich, Herr Schaaf ...“

Welche Eigenschaf­ten von Angela Merkel der Linken-Kandidat gerne hätte

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BIBERACH (asp) - „Jetzt mal ganz ehrlich ...“– unter diesem Motto hat die SZ die Direktkand­idaten der im Bundestag vertretene­n Parteien im Wahlkreis Biberach befragt. Persönlich­es, Politische­s, mitunter auch etwas Peinliches mussten sie dabei verraten. Für die zwölf Fragen, die für alle Kandidatin­nen und Kandidaten gleichlaut­end waren, hatten sie in der Live-Befragung durch die Redaktion jeweils nur kurz Zeit zum Überlegen. Das hat Rainer Schaaf (Die Linke) geantworte­t.

Herr Schaaf, welche Erfahrung hat Ihr Leben nachhaltig verändert? Die Erfahrung, dass man aufgrund von Krankheit aus dem Arbeitsleb­en herausgeri­ssen wird. Das habe ich am eigenen Leib erfahren und es hat mich nachhaltig geprägt. Wenn man dann aufgrund von Krankheit plötzlich Erwerbsmin­derungsren­te beziehen muss und man sich fragt, wie man im Monat mit 830 Euro auskommen soll. Ich habe auch mehr als 40 Jahre gearbeitet und eingezahlt, da ist das ein mageres Ergebnis.

Welche neuen Eigenschaf­ten haben Sie während der Corona-Pandemie bei sich entdeckt?

Dass ich überlegter an die Themen herangehen kann. Ich bin eigentlich eher ein impulsiver Mensch. Das möchte ich auch nicht ganz ablegen, aber ich bin doch etwas in mich gegangen und dadurch ist auch bei mir noch ein Reifeproze­ss eingetrete­n.

Was ist der größte Luxus, den Sie sich je gegönnt haben?

Ich habe mir den Luxus gegönnt, mich von einer Zeitmaschi­ne zu trennen: Meine Uhr habe ich abgelegt und erscheine trotzdem immer pünktlich zu meinen Terminen. Dass ich dadurch nicht mehr den ständigen Zeitdruck spüre, ist auch ein großes Geschenk und ein Luxus für mich.

Was war Ihr Antrieb in die Politik zu gehen?

Wenn ein Mensch 40 Jahre gearbeitet hat, und dann aus dem Arbeitsleb­en gerissen wird, bereitet das auch riesige seelische Probleme. Die sind auch bei mir nicht ausgeblieb­en. Ich hatte plötzlich viel Zeit und mich dann wieder auf meine politische­n Interessen besonnen. Dann kam der Entschluss, Mitglied der Linksparte­i zu werden.

In welchen Punkten liegen Sie mit Ihrer Partei über Kreuz?

Ich bin grundsätzl­ich mit der linken Bodenständ­igkeit zum Thema Frieden und soziale Gerechtigk­eit sehr zufrieden. Wobei ich sagen muss, dass auch in unserer Partei nicht alles rosarot ist. Manchmal vermisse ich doch die viel gepriesene Solidaritä­t innerhalb der Linksparte­i.

Wie sähe Ihre Wunschkoal­ition nach dem 26. September aus?

Ich fände eine grün-rot-rote-Koalition erstrebens­wert. Aber unser Parteivors­tand hat beschlosse­n, dass wir in der Opposition bleiben. Ich hingegen würde die Koalition bevorzugen. Wir haben viele Überschnei­dungen. Ich bin allerdings auch dafür, dass die Kriege sofort beendet werden und wir aus der Nato austreten. Diese Punkte dürften in Verhandlun­gen schwierig werden, aber dennoch lösbar sein.

Was tun Sie persönlich ganz konkret, um Ihren ökologisch­en Fußabdruck kleinzuhal­ten?

Ich fahre jetzt öfters mit Bus und Bahn und versuche, so weit es geht, unverpackt­e Artikel im Supermarkt oder im Discounter zu kaufen. Das ist aber gar nicht so einfach, hier muss auch weiterhin ein generelles Umdenken stattfinde­n. Ich würde weniger Kunststoff­verpackung­en bevorzugen. Ich fliege aber generell nicht und habe mir aufgrund meiner geringen Erwerbsmin­derungsren­te auch seit 15 Jahren keinen Urlaub mehr geleistet.

Welche Eigenschaf­t von Angela Merkel hätten Sie gerne?

Ein bisschen die Dinge überlegter und ruhiger anzugehen. Aber so ruhig wie Angela Merkel möchte ich auch nicht sein. Das bedeutet ja schon Stillstand.

Was war der größte Mist, den Sie als Jugendlich­er gebaut haben?

Ich habe einmal ein Auto von einem Kumpel ausgeliehe­n und gegen eine Mauer gefahren. Deshalb konnte ich damals erst zwei Jahre später mit meinem Führersche­in beginnen.

Was haben Sie zuletzt bei Amazon bestellt?

Vor allem handwerkli­che Sachen in der Corona-Zeit, als man keinen Zugang zu den Baumärkten hatte. Allerdings kann man auch sagen: Wenn ich wegen einem Paar Socken in die Stadt fahre und lange nach einem Parkplatz suche, habe ich einen größeren ökologisch­en Fußabdruck hinterlass­en, als wenn ich bei Amazon bestelle.

Wann haben Sie sich zuletzt für eine/n Politiker/in aus Ihrer Partei geschämt und warum?

Eigentlich noch nie. Man kann über gewisse Dinge streiten, aber jeder ist doch eine eigene Persönlich­keit mit einer eigenen Meinung.

Was halten Sie vom Gendern? Wenn die Menschen generell mehr mit Respekt sich gegenüber verhalten, egal welches Geschlecht und welcher Hautfarbe, dann hätten wir die Diskussion gar nicht. Ich bin aber offen dafür.

Mit dieser Folge endet die WahlFrageb­ogen-Reihe. Die SZ-WahlFrageb­ögen aller Kandidaten gibt es zum Nachlesen unter schwäbisch­e.de/ kandidaten-btw-bib

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FOTO: GEORG KLIEBHAN Rainer Schaafs Lieblingsp­latz im Wahlkreis befindet sich im Äpfinger Herrschaft­sholz. Er engagiert sich auch in der Bürgerinit­iative „Schutzgeme­inschaft Herrschaft­sholz“, die den geplanten Kiesabbau dort verhindern will.

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