Schwäbische Zeitung (Biberach)

Scholz weist Vorwürfe in Sachen Geldwäsche zurück

SPD-Kanzlerkan­didat sagt vor dem Finanzauss­chuss persönlich aus

- Von Dieter Keller und Wolfgang Mulke

BERLIN - Die Hauptperso­n schlich sich durch die Hintertür in den Sitzungssa­al E 400 im Bundestag. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) wollte den wartenden Journalist­en vor Beginn einer Sondersitz­ung des Finanzauss­chusses offenkundi­g entgehen. Dabei hatten weder Union noch Opposition wohl mit einem persönlich­en Auftritt des Ministers gerechnet. Als Scholz schon da war, drohte die CDU-Abgeordnet­e Antje Tillmann noch mit einer Zwangsvorf­ührung des Kanzlerkan­didaten, in dem Sitzungsin­halte als „geheim“deklariert werden könnten. Das hätte eine alternativ geplante virtuelle Anhörung des Kanzlerkan­didaten unmöglich gemacht. Doch letztlich sagte er Wahlkampfa­uftritte in Tübingen und Nürtingen ab und stand den Bundestags­abgeordnet­en persönlich Rede und Antwort.

Worum geht es?

Der Anti-Geldwäsche-Einheit FIU, die zum Zoll und damit zum Einflussbe­reich des Finanzmini­steriums gehört, wird schlechte Arbeit vorgeworfe­n. Sie soll Bankmeldun­gen über Millionenü­berweisung­en nach Afrika nicht oder zu spät an die Staatsanwa­ltschaft weiterglei­tet haben, weshalb der Verdacht der Terrorfina­nzierung nicht nachverfol­gt werden konnte. Auf der Suche nach den Verantwort­lichen ließ die Staatsanwa­ltschaft Osnabrück auch das Bundesfina­nzminister­ium durchsuche­n, obwohl dort keine Beschuldig­ten sitzen. Pikant am Vorgehen der

Staatsanwa­ltschaft ist, dass der Chef der zuständige­n Staatsanwa­ltschaft ebenso wie die zuständige Justizmini­sterin in Niedersach­sen der CDU angehören. Der SPD-Abgeordnet­e Cansel Kiziltepe mutmaßt, dass die Union die Staatsanwa­ltschaft für ihren Wahlkampf missbrauch­e. Die Partei bestreitet diesen Vorwurf. Die FIU hat schon im Fall des Pleitekonz­erns Wirecard versagt. Von 34 Verdachtsm­eldungen im Zusammenha­ng mit Wirecard blieben nach Angaben des CSU-Abgeordnet­en Hans Michelbach 32 unbearbeit­et. „Die Geldwäsche­bekämpfung ist ein Skandal.“

Brachte die Sondersitz­ung neue Erkenntnis­se?

Es sei deutlich geworden, wie viele Baustellen es bei der Geldwäsche gebe, sagte der FDP-Finanzpoli­tiker Florian Toncar. Scholz betonte zwar erneut, wie wichtig ihm die Bekämpfung sei. Er habe das Personal der FIU von 160 auf 500 Mitarbeite­r aufgestock­t. Aber offenbar arbeiteten sie schlecht. Zwar haben sich die Verdachtsm­eldungen bei der FIU von 2017 bis 2020 auf 144 000 mehr als verdoppelt. Aber die Zahl der Meldungen an die Staatsanwa­ltschaft sackte ab, zitierte die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“aus einer Studie.

In der polizeilic­hen Kriminalst­atistik tauchten weiterhin nur etwa zehn Fälle pro Jahr auf. Scholz musste zugeben, dass er in den dreieinhal­b Jahren im Amt kein einziges Mal mit dem Chef der FIU gesprochen, geschweige denn dass er die Behörde in Köln besucht hätte. Das Problem der Geldwäsche sei in den letzten Jahren unterschät­zt worden, und dafür sei der Minister an erster Stelle verantwort­lich, kritisiert­e der AfD-Abgeordnet­e Kay Gottschalk. Scholz zog sich immer auf die Position zurück, für operative Fragen bei der FIU sei er nicht zuständig.

Schützenhi­lfe bekam SPD-Kanzlerkan­didat Scholz vom SPD-Abgeordnet­en Jens Zimmermann. Er schob Scholz Vorgänger Wolfgang Schäuble die Schuld in die Schuhe, der die FIU einst eingericht­et und ihr dabei keine größeren Ressourcen zugebillig­t hat. „Er hat einen Scherbenha­ufen hinterlass­en“, sagt Zimmermann.

Gibt es neue Erkenntnis­se zu Wirecard und zum Cum-Ex-Skandal? Auch in diesen Fällen hätten Aufsichtsb­ehörden, für die Scholz zuständig ist, ihren Job nicht gemacht, kritisiert­e die Grünen-Finanzpoli­tikerin Lisa Paus. Die Grünen-Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock hatte ihn im Triell am Sonntag aufgeforde­rt, ein bisher geheim gehaltenes Sitzungspr­otokoll der Finanzbehö­rden offenzuleg­en, was jedoch nicht geschah.

Noch immer beruft sich Scholz bei Gesprächen mit dem Chef der Warburg-Bank in seiner Zeit als Erster Bürgermeis­ter in Hamburg auf Erinnerung­slücken. Dabei geht es um Millionen-Steuernach­forderunge­n, die der Bank zunächst erlassen wurden.

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FOTO: CARSTEN KOALL/DPA Olaf Scholz verlässt nach der Anhörung vor dem Bundestags­finanzauss­chuss den Sitzungssa­al.

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