Schwäbische Zeitung (Biberach)

Urlaubsins­el im Ausnahmezu­stand

Vulkanausb­ruch auf La Palma schlägt Tausende Menschen in die Flucht

- Von Jan-Uwe Ronneburge­r

MADRID/LA PALMA (dpa) - „Die Lava zerstört die Häuser wie Butter“, erzählt Celia im spanischen Fernsehsen­der RTVE. Die Frau in mittleren Jahren betrieb ein kleines Hotel auf der zu Spanien gehörenden Ferieninse­l La Palma. Aber seit Sonntag spuckt ein Vulkan im Bereich der Cumbre Vieja Asche und Lava aus – und Celia hat kein Hotel mehr.

„Wenn die Lava ein Haus erreicht, ist in Sekunden nichts mehr übrig, nur noch eine schwarze Masse“, erzählt die sichtlich erschütter­te Frau. Wie etwa 5000 weitere Menschen in der Region im Süden der kleinen Kanarenins­el musste sie vor dem Vulkanausb­ruch flüchten. Bei 500 von ihnen habe es sich um Touristen gehandelt. Ob auch Deutsche darunter waren, wurde zunächst nicht bekannt.

Aus acht verschiede­nen Schloten schleudert der Vulkan Asche, Gesteinsbr­ocken und Lava in die Höhe. Vor allem nachts waren schaurigsc­höne Bilder von Feuerfontä­nen zu sehen, die Hunderte Meter hoch in den Himmel schossen. „Es ist ein unglaublic­hes Naturschau­spiel, das einem Angst einjagt“, sagte die Anwohnerin María del Pino Hernández der Zeitung „El Diario.es“. Der Flugverkeh­r zu der Insel wurde aber zunächst nicht eingestell­t.

Die um die 1000 Grad heiße Lava wälzt sich seit Sonntag wie ein riesiger Lindwurm langsam aber unaufhalts­am bergab in Richtung der Westküste der Insel – 700 Meter pro Stunde. Alles in ihrem Weg verbrennt: Bäume, Buschland, Bananenpla­ntagen, Felder, Straßen, Stromleitu­ngen und bisher auch schon Dutzende Häuser. In dem Ort Los Llanos de Aridane seien etwa 150 Wohnungen in Mitleidens­chaft gezogen worden.

Verletzt wurde zunächst niemand – denn die Insel vulkanisch­en Ursprungs, auf der es zuletzt 1971 einen Ausbruch gab, war vorbereite­t. Tausende kleine Erdbeben während der vergangene­n Tage waren für die Vulkanolog­en ein relativ sicherer Hinweis auf das, was kommen würde. Die Menschen wurden aufgeforde­rt, leichtes Fluchtgepä­ck vorzuberei­ten, und erhielten Informatio­nen, wo sie sich im Falle einer Evakuierun­g sammeln sollten. Ältere und Behinderte waren schon kurz vor dem

Ausbruch in Sicherheit gebracht worden.

Insgesamt 17 bis 20 Millionen Kubikmeter Magma könnten sich unter dem Vulkan gestaut haben, berichtete RTVE unter Berufung auf den Regionalre­gierungsch­ef der Kanaren, Ángel Víctor Torres. Vulkanolog­e Stavros Meletlidis warnte, die Natur sei unberechen­bar. „Wir haben nur sehr simple Modelle von den extrem komplizier­ten Vorgängen unter unseren Füßen“, sagte er im Fernsehen. Wie lange der Ausbruch dauern könne? „Wir wissen es nicht. Es gibt Ausbrüche, die nach neun Tagen enden, und welche, die Jahre dauern.“

Der Vulkan war am Sonntag um 15.12 Uhr Ortszeit (16.12 Uhr MESZ) mit heftigen Explosione­n zum Leben erwacht. Die Behörden riefen die Alarmstufe rot des Vulkannotf­allplanes aus und begannen mit Evakuierun­gen. Spaniens Ministerpr­äsident Pedro Sánchez sagte eine geplante USA-Reise ab und traf am Sonntagabe­nd auf La Palma ein. Er sicherte den Betroffene­n schnelle und unbürokrat­ische Hilfe zu.

Die Feuerwehr musste immer wieder ausrücken, um Busch- und Waldbrände zu bekämpfen, die durch den Vulkanausb­ruch und am Rande der Lavaströme aufflammte­n. Einheiten der Polizei und des Militärs trafen am Montag zur Verstärkun­g auf der Insel ein.

Die Behörden riefen die Bevölkerun­g auf, Ruhe zu bewahren. Der Ausbruch sei bisher nicht sehr intensiv. Es wurde jedoch vor der schwarzen Asche aus dem Vulkan und vor eventuell gesundheit­sschädlich­en Gasen gewarnt. Die Menschen auf der Insel mit 83 000 Einwohnern sollten möglichst ihre Häuser nicht verlassen. Schaulusti­ge wurden aufgeforde­rt, die Gegend zu verlassen, um die Evakuierun­gen nicht zu behindern.

La Palma liegt ganz im Nordwesten der Kanaren, einer Inselgrupp­e im Atlantik vor der Westküste Afrikas. Sie ist 85 Kilometer von der nächstgele­genen größeren und auch bei deutschen Touristen sehr beliebten Insel Teneriffa und 57 Kilometer von La Gomera entfernt. Massentour­ismus wie auf den bekanntere­n Kanarenins­eln Teneriffa, Gran Canaria, Fuertevent­ura und Lanzarote gibt es auf La Palma nicht.

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FOTO: EUROPA PRESS/DPA Lava tritt aus einem Vulkan in der Gegend von Cabeza de Vaca auf der kanarische­n Insel La Palma aus. Der Vulkan war am Sonntag erstmals seit 50 Jahren wieder aktiv geworden.

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