Schwäbische Zeitung (Biberach)

Der Schlaue mit dem Schnauzbar­t

„Hobbythek“-Moderator und Wissenscha­ftsjournal­ist Jean Pütz wird an diesem Dienstag 85 Jahre alt

- Von Hannah Rüdiger

KÖLN (AFP) - „Ich hab da mal was vorbereite­t“: Erklang dieser Satz im Fernsehen, waren Jean Pütz und sein Zwirbelbar­t nicht weit. In der „Hobbythek“, einer der ersten Do-It-Yourself-Sendungen im deutschen Fernsehen, bastelte und tüftelte sich der stets gut aufgelegte Kölner Moderator ab den 70er-Jahren in die Herzen der Bundesrepu­blik. Am Dienstag feiert einer der begabteste­n Erklärer der Nation seinen 85. Geburtstag.

Seine Leidenscha­ft für Chemie, Physik und Technik entdeckte Pütz lange vor seinem Moderation­stalent. Der am 21. September 1936 geborene Sohn einer Luxemburge­rin und eines Deutschen begann sein Arbeitsleb­en als Elektromec­haniker und arbeitete nach der Ausbildung einige Zeit lang in einem Eisenhütte­nwerk. Danach studierte er erst Nachrichte­ntechnik und schließlic­h Physik, Mathematik und Chemie auf Lehramt an der Kölner Universitä­t.

Zum Wissenscha­ftsjournal­ismus fand der gebürtige Kölner ab 1970 beim Westdeutsc­hen Rundfunk (WDR), für den er auch die Redaktion Naturwisse­nschaft und Technik aufbaute. In seiner ersten Serie „Energie, die treibende Kraft“machte Pütz komplizier­te Physik anschaulic­h. Mal erklärte die rheinische Frohnatur geduldig die Grundsätze der Wärmelehre, mal das Prinzip der Kernspaltu­ng. Das leicht verständli­che Wissenscha­ftsformat fand großen Anklang.

Sein Durchbruch gelang Pütz, der seinen Schnurrbar­t damals noch etwas kürzer trug, spätestens mit der „Hobbythek“, die 1974 erstmals ausgestrah­lt wurde. Hobbyfreun­den, Tüftlern und Bastlern zeigte Pütz in der Sendung etwa, wie man Käse macht, Bier braut oder im heimischen Wohnzimmer Kosmetik herstellt. Der neue Ansatz telegener Wissensver­mittlung erwies sich als Erfolgsrez­ept, das der Sendung Einschaltq­uoten von bis zu 15 Prozent einbrachte.

Bis zu 150 000 Zuschauer forderten pro Sendung die sogenannte­n Hobbytipps an. Hunderte Geschäfte vertrieben Zutaten und Zubehör, um Pütz' Bastel- und Tüftelidee­n umzusetzen oder verkauften gleich die fertigen Produkte. Entspreche­nde Begleitbüc­her zur „Hobbythek“verkauften sich so gut, dass der Wissenscha­ftsjournal­ist zu einem der erfolgreic­hsten deutschen Buchautore­n aufstieg.

Die von Pütz geschriebe­nen oder herausgege­benen rund 80 Bücher erreichten eine Gesamtaufl­age von über sechs Millionen Exemplaren. Pütz, der mit zunehmende­n Alter immer größere Ähnlichkei­t zur Physik-legende Albert Einstein entwickelt­e, produziert­e von da an eine Wissenscha­ftssendung nach der anderen. Auch die „Wissenscha­ftsshow“des WDR, den Vorläufer des heutigen Formats „Quarks & Co.“, konzipiert­e er.

Im Oktober 2001 begab sich Pütz offiziell in Pension und trat die Redaktion der „Hobbythek“ab. Seine Karriere nahm damit jedoch noch lange kein Ende. Pütz moderierte und erklärte sich weiter durchs Fernsehpro­gramm. Unvergesse­n sind etwa seine Gastauftri­tte bei „TV Total“, bei denen er dem Moderator Stefan Raab seine persönlich­en Geheimreze­pte gegen Schweißfüß­e verriet, Getränke gegen den Kater mixte und das Gästesofa einem Milbentest unterzog.

Auch privat ließ es Pütz, der in zweiter Ehe mit der Italieneri­n Pina Coluccia verheirate­t ist, nicht ruhiger angehen. 2010 wurde er im Alter von 74 Jahren zum dritten Mal Vater. Zu alt für diese Rolle fühlte er sich nicht: Seine Fitness habe er den Rezepten und Tipps aus der „Hobbythek“zu verdanken, sagte er einmal. Seit 2018 betreibt er seinen eigenen YouTubeKan­al „Quergedach­t“, mit dem er sogenannte Querdenker aufs Korn nimmt.

Seinem Ziel, „bis zum Umfallen arbeiten zu wollen“, wie er es 2020 formuliert­e, scheint Pütz treu zu bleiben. Selbst für seinen eigenen Grabstein überlegte er sich schon eine Spielerei - einen QR-Code. „Wenn Sie ihn mit dem Smartphone erfassen, lädt ein Video, das ich noch aufnehmen werde, bevor ich abkratze“, sagte er in einem Interview. Darin wolle er den Menschen sagen: „Dankeschön, es war ein wunderbare­s Leben.“

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Wissenscha­ftsjournal­ist und Fernsehmod­erator Jean Pütz wird 85 Jahre alt.

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