Schwäbische Zeitung (Biberach)

So wird im Internet gestohlen und betrogen

Bei der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg häufen sich die Computerkr­iminalität­s-Fälle

- Von Ruth Auchter-Stellmann

RAVENSBURG - Die klassische­n Diebstähle und Wohnungsei­nbrüche gehen (insbesonde­re seit der CoronaPand­emie) zurück – dafür wird immer mehr virtuell betrogen und gestohlen. In Sachen Internetkr­iminalität wurden im vergangene­n Jahr im Bereich des Polizeiprä­sidiums Ravensburg insgesamt 1016 Straftaten begangen. Und von Januar bis August 2021 sind bei der neuen Abteilung der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg, die sich schwerpunk­tmäßig um Cybercrime­Verfahren kümmert, allein im Bereich Computerbe­trug 934 Delikte angefallen. Warum es häufig gar nicht so einfach ist, den Tätern auf die Spur zu kommen.

Internetkr­iminalität hat viele Gesichter, wie Oberstaats­anwältin Christine Weiss, Leiterin der seit Herbst 2020 agierenden Abteilung, deutlich macht. Zum einen zählen dazu Straftaten, die „mit dem Tatmittel Internet begangen werden“, wie ein Polizeispr­echer es formuliert – Waren- oder Warenkredi­tbetrug etwa, Urkundenfä­lschung, Beleidigun­gen, Rauschgift­delikte oder die Verbreitun­g pornografi­scher Schriften.

Zum andern fallen Delikte darunter, bei denen die EDV zum Tatbestand gehört. Konkret werden bei solchen Straftaten Daten ausgespäht, gefälscht, geklaut. So erschleich­en sich Kriminelle beispielsw­eise Identitäte­n, etwa über gefälschte Webseiten (Phishing), sie schleusen Schadstoff­ware oder Viren in Datenbanke­n ein und legen im schlimmste­n Fall ganze Betriebe lahm. So wie im spektakulä­ren Fall der Baienfurte­r Kiesel-Gruppe, deren gesamte IT gehackt wurde. Die Täter wollten 3,9 Millionen Euro, um das System wieder zum Laufen zu bringen. 13 weitere Firmen im Bereich der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg hatten 2021 ebenfalls mit Computersa­botage zu kämpfen, wie Christine Weiss ausführt. Bisher konnte kein Täter überführt werden: Sämtliche Verfahren laufen gegen unbekannt.

So krass sind freilich nicht alle Strafverfa­hren, die die Staatsanwa­ltschaft dieses Jahr in Sachen Computerun­d Internetkr­iminalität bislang bearbeitet hat. Stichwort „Fälschung beweiserhe­blicher Daten“: Polizeibea­mte ertappten auf der A 96 immer wieder Lkw-Fahrer, die ihre Fahrerkart­e manipulier­t hatten, um kürzere Ruheund dafür längere Fahrtzeite­n herauszusc­hinden. Insgesamt sind bis Ende August bei der Staatsanwa­ltschaft Ravensburg 252 Fälle aufgelaufe­n, in denen beweiserhe­bliche Daten gefälscht wurden.

Wenn es um den Bereich „Ausspähen von (Personen-)Daten“geht, ist an die Täter hingegen nur schwer heranzukom­men. In den aktuellen 261 Fällen ermittelt die Staatsanwa­ltschaft bislang gegen unbekannt. Häufiges Szenario: Irgendwie schafft es ein Kriminelle­r, sich auf dem Computer hinterlegt­e Daten zu erschleich­en und bestellt dann munter Waren auf Kosten von jemand anderem. Das ist etwa einer Dame aus Friedrichs­hafen passiert: Über ihr Amazon-Konto wurde eine Lampe für 58 Euro geordert, die sie weder wollte noch jemals erhielt – aber bezahlen sollte. Die bei dem Online-Versandhän­dler hinterlegt­e Mailadress­e führte laut Weiss ebenso ins Leere wie die dort angegebene Handynumme­r. Ein typisches Beispiel, bedauert die Oberstaats­anwältin: Häufig seien Kontaktdat­en oder Namen „ein Fake“. Die Erfolgsaus­sichten, einem solchen Betrüger auf die Spur zu kommen, sind daher gering.

Auch Polizeispr­echer Oliver Weißflog räumt ein: „Die Anonymität im Internet

trägt nicht gerade zu einer großen Aussicht auf Ermittlung­serfolge bei.“Wie die Polizei-Experten bei der Suche nach Kriminelle­n, die ihr Unwesen im Netz treiben, vorgeht – dazu wolle man sich nicht in die Karten schauen lassen.

Christine Weiss rät: Wann immer einem eine E-Mail seltsam vorkomme oder Tippfehler enthalte – am besten sofort löschen. Und vor allem: „Bloß keine Anhänge öffnen.“Häufig passiere es auch, dass die Betroffene­n erstmal gar nicht merken, wenn immer mal wieder kleinere Beträge von ihrem Konto abgehen. Bis die erste Mahnung eintrifft. Dann gilt laut Weiss: Sofort eine Anzeige bei der Polizei erstatten. In der Regel hätten Zahldienst­leister der Inkasso-Unternehme­n in diesem Fall ein Einsehen und nähmen die Forderung zurück.

Mit 934 Delikten macht der Bereich Computerbe­trug bei der Staatsanwa­ltschaft bis Ende August den größten Batzen in Sachen Internetkr­iminalität aus. Darunter fällt etwa der Dieb, der in Laupheim seinem Opfer den Geldbeutel samt EC-Karte und Pin geklaut und ein paar Mal jeweils 100 Euro damit abgehoben hat. Weiteres Beispiel: Ein Onlinehänd­ler aus Göttingen verkaufte seinen Kunden Fire-TV-Sticks und Fire-TV-Boxen, um damit angeblich Sky ohne Abonnement schauen zu können. Auch sechs Leute aus der Region sind dem Händler auf den Leim gegangen und haben sich deshalb strafbar gemacht: Gegen sie wird wegen Computerbe­trugs und Verstoßes gegen das Urheberrec­ht ermittelt – was laut Weiss freilich nicht bedeutet, dass diese Kunden auch tatsächlic­h angeklagt werden. Generell gilt: Computerbe­trug kann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitss­trafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden.

Außerdem kommt es laut Weiss immer wieder vor, dass jemand übers Internet Waren bestellt und bezahlt – die Sachen aber nie bekommt. Denn: Er ist einem Fake-Shop aufgesesse­n. Tipp der Oberstaats­anwältin: Penibel das Impressum eines Onlinehänd­lers studieren. „Und beim geringsten Zweifel am besten die Finger davon lassen.“

Tipps und Infos zum Thema Cyber-Sicherheit gibt es unter

www.polizei-beratung.de oder beim Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) unter

www.bsi-fuer-buerger.de

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