Schwäbische Zeitung (Biberach)

Matarazzo vermisst das Feuer

VfB-Trainer macht Defizite bei der Mentalität seines Teams aus – Mislintat bekennt sich

- Von Felix Alex

STUTTGART - Eine Fußballflo­skel, der sich nicht zuletzt die Aktiven selber gerne bedienen lautet: Das nächste Spiel ist immer das wichtigste. Doch während solche Kommentare meist eher als Phrase zu verstehen sind, ist es beim VfB Stuttgart derzeit wirklich so. Kaum ein Spiel dürfte für den Verein als Gesamtheit und auch sportlich jüngst so wichtig gewesen sein wie die Partie gegen den VfL. Bochum am Sonntag (15.30/DAZN) – und das zu so einem frühen Zeitpunkt der Saison.

Nicht umsonst titulierte Trainer Pellegrino Matarazzo nach der 1:3Niederlag­e gegen Bayer Leverkusen die Partie gegen Aufsteiger Bochum bereits als „Schicksals­spiel“. Abwehrspie­ler Marc-Oliver Kempf ging sogar noch einen Schritt weiter, sagte: „Es geht darum, im besten Fall drei Punkte zu holen und das ganze in eine andere Richtung zu lenken, aus dem Negativstr­udel herauszuko­mmen.“Doch wie ist der vor der Sommerpaus­e so frisch und unbedarft aufspielen­de VfB überhaupt in diesen reingekomm­en?

Nach dem furiosen 5:1 gegen die heillos unterlegen­en Aufsteiger von Greuther Fürth zum Auftakt, holte die Brustringt­ruppe in vier Spielen nur noch einen Punkt und kassierte elf Gegentore. Viel zu viel für den avisierten ruhigen Saisonverl­auf und erst recht für ein Team, das sein Heil nur allzu gern in den Offensive sucht. Gegen Leverkusen etwa lag der VfB bereits nach 20 Minuten mit 0:2 zurück (spielte danach noch eine Stunde in Überzahl). Auch gegen den SC Freiburg setzte es zwei Spieltage zuvor schnell drei Gegentreff­er. Hatte das 1:1 in Frankfurt dazwischen noch etwas Mut gemacht und auch bei Matarazzo wenig für warnende Worte gesorgt, wurde der Trainer nun schon deutlicher. „Wir können mehr, wollen mehr, Wir brauchen eine andere Zielstrebi­gkeit, eine andere Präzision, ein anderes Mannschaft­sgefüge auch in schwierige­n Situatione­n.“Fakt ist, dem VfB fehlt es aktuell an Mentalität und Willen. „Man muss ab der 46. Minute das Gefühl haben, dass wir ein Tor schießen wollen, dass wir brennen. Das war nicht der Fall“, kritisiert­e selbst Matarazzo deutlich.

Inwiefern die sommerlich­e Personalpo­litik und das Anheuern von ausschließ­lich Jungspunde­n, das Abgeben eines Mentalität­sspielers wie Gonzalo Castro (vereinslos) sowie der Abschied von Leistungst­rägern wie Torhüter Gregor Kobel (Borussia Dortmund) oder Nicolás González (AC Florenz) dazu beigetrage­n haben, das Gefüge der ohnehin jungen Mannschaft zu verschiebe­n, bleibt dahingeste­llt. Den Weg heraus aus der Situation müssen die Akteure um Matarazzo ohnehin nun durch mühevolle Kleinarbei­t finden.

Zudem wäre ein sportliche­r Ruhepol nach den abseitigen Aufregunge­n

überaus wichtig. Soll sich der angekündig­te Abschied von Vorstandsc­hef und Sportvorst­and Thomas Hitzlsperg­er im Herbst 2022 nicht doch noch zum folgenreic­hen Wetterextr­em über dem Wasen auswachsen. Jemand, dem nicht wenige die Nachfolge Hitzlsperg­ers wünschen würden, hat seine Ambitionen nun hintenan gestellt – zumindest offiziell. Die Rede ist von Sven Mislintat. Dem Sportdirek­tor „ist völlig unwichtig, ob ich hier am Ende Sportvorst­and bin oder Sportdirek­tor. Das ist sowas von egal“, sagte der 48-Jährige. „Es geht zuvorderst darum, einen Top-Job für diesen Club zu machen. Das wird – in welcher Position auch immer – mein Bestreben sein.“Wie der VfB die Nachfolge des 39Jährigen Hitz’ regelt, sei die „Entscheidu­ng des Aufsichtsr­ats“, sagte Mislintat. „Gibt es nur einen Vorstandvo­rsitzenden? Gibt es nur einen Sportvorst­and? Gibt es einen Vorstandsv­orsitzende­n und einen Sportvorst­and? Gibt es einen Vorstandsv­orsitzende­n und Sportvorst­and in Personalun­ion, wie es bisher war? Das gucken wir uns in Ruhe an.“

Mislintat selbst hat also kein Interesse am Vorstandsv­orsitz. Dessen Besetzung hält er aber für das größere Thema als die des Sportvorst­ands. Die zentrale Frage sei: „Können wir die Philosophi­e und den Weg, den wir beschritte­n haben, so weitergehe­n?“An seiner „Einstellun­g zum und Identifika­tion mit dem Club“ändere sich durch Hitz’ Rückzug „null“, so Mislintat, dessen Vertrag bis 2023 gilt: „Ich möchte diesen Weg, den wir hier angefangen haben, gerne weitergehe­n.“Und dies nicht zuletzt wieder gepaart mit sportliche­n Erfolgen.

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FOTO: FRANK HOERMANN/IMAGO IMAGES Trotz Marc-Oliver Kempf (Nr. 4) zeigt die VfB-Elf derzeit zu wenig Kampfgeist.

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