Schwäbische Zeitung (Biberach)

Neue Radsport-Helden hat das Land

Mit Tony Martin geht die alte Garde Profis in den Ruhestand – Nachfolger stehen bereit

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BERLIN (SID/dpa) - Am Mittwoch bestreitet Tony Martin in der MixedStaff­el bei der WM in Belgien sein letztes Rennen als Radprofi. Viermal war der 36-Jährige Weltmeiste­r im Einzelzeit­fahren, den Kampf gegen die Uhr dominierte er über Jahre. Inzwischen hat ihn „die jüngere Generation überholt, das kann ich ganz klar sagen. Es ist okay für mich“, sagte Martin nach dem sechsten Platz im WM-Zeitfahren. Martin ist nicht die einzige prägende Figur, die der deutsche Radsport am Saisonende verliert. Auch Sprinter André Greipel (39) macht Schluss. Da dessen einstiger Dauerrival­e Marcel Kittel (33) schon vor zwei Jahren aufgehört hatte, ist von dem Trio, das zwischen 2011 und 2017 stolze 30 Etappensie­ge bei der Tour de France feierte, bald keiner mehr aktiv. Auch Greipels langjährig­er Edelhelfer Marcel Sieberg (39) fährt seine letzte Saison.

Eine Krise droht dem deutschen Radsport vorerst aber nicht. Vielmehr ist die neue Generation von Fahrern längst aus dem langen Schatten ihrer Vorgänger gefahren und hat sich im Peloton etabliert. Andere Fahrertype­n und Persönlich­keiten sind sie jedoch. In ihrem Terrain zählen sie an guten Tagen zur Weltspitze, auch wenn das aktuelle Jahr für die neue Garde größtentei­ls eines zum Vergessen war. Doch sind das die sechs Vertreter der neuen deutschen Radsport-Generation:

Maximilian Schachmann (27/Bora-hansgrohe): Der deutsche Meister hat sich in den vergangene­n Jahren stetig weiterentw­ickelt und ist längst eine feste Größe im Peloton geworden. Schachmann zeichnet seine enorme Vielseitig­keit aus. Er ist stark in den Bergen, ein passabler Zeitfahrer und Sprinter. Die Fernfahrt ParisNizza hat er bereits zweimal gewonnen. Auch die Ardennen-Klassiker zählen zu seinen Lieblingsr­ennen. Für die Olympische­n Spiele in Tokio verzichtet­e er im Sommer auf die Tour de France. 2022 will er zurückkehr­en.

Emanuel Buchmann (28/Borahansgr­ohe): Der Stern des schmächtig­en Kletter-Asses aus Ravensburg ging bei der Tour 2019 auf. Buchmann verpasste das Podium als Vierter nur knapp, nicht nur beim Radsport-Publikum löste er aber einen Mini-Hype um seine Person aus. Stürze und Blessuren warfen ihn seither zurück. Ein erneuter Angriff aufs Treppchen in Paris ist aber fest eingeplant. Die fehlende Explosivit­ät im Vergleich zu Fahrern wie Tadej Pogacar oder Primoz Roglic könnte ihm dabei aber im Weg stehen.

Nils Politt (27/Bora-hansgrohe): Der Kölner durfte Greipel länger auf dem Rad erleben als viele andere. Beide fahren für verschiede­ne Teams, sind aber seit Jahren Trainingsp­artner. Wie lange Greipel als Radsport-Rentner mithalten kann, wird sich zeigen, denn Politts Qualität ist unbestritt­en. Kommt er einmal in Fahrt, ist er nur schwer zu stoppen. Bei der Tour gewann er als Solist eine Etappe, zuletzt feierte Politt den Gesamtsieg bei der Deutschlan­d Tour. Seine Stärken kommen vor allem bei den Klassikern zum Tragen.

Lennard Kämna (25/Bora-hansgrohe): Kämna hat das Rüstzeug für eine Traumkarri­ere. Der Norddeutsc­he fühlt sich in den Bergen pudelwohl, tritt smart und eloquent auf und hat bereits einen Tour-Etappensie­g

auf dem Konto. Seit Mai legt Kämna jedoch eine (erneute) Pause ein. Im Frühjahr fuhr er übermotivi­ert, wurde krank und konnte nicht bei der Tour starten. Ein Mann der Zukunft ist er dennoch.

Pascal

Ackermann

(27/Borahansgr­ohe): Die Lücke, die Greipel und Kittel gerissen haben, kann Ackermann am ehesten füllen. Das Potenzial des Sprinters ist unbestritt­en, je zwei Etappen beim Giro und der Vuelta zählen zu seinen Erfolgen. Auf einen Start bei der Tour wartet er bislang aber vergeblich. Beim deutschen Topteam Bora-hansgrohe kam es deshalb zum Knatsch, am Saisonende trennen sich die Wege. Ackermann wagt beim Team UAE Emirates um Tour-Sieger Tadej Pogacar einen Neuanfang.

Marco Brenner (19/DSM): Die größten Nachwuchsh­offnungen des deutschen Radsports ruhen auf den schmalen Schultern des Teenagers aus Augsburg. Schon als Brenner 16 war, klopften WorldTour-Teams beim Supertalen­t an. Letztlich entschied Brenner sich für DSM, für das er derzeit seine erste Profisaiso­n bestreitet. Beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR) gilt er als „eines der größten Talente im Straßenrad­sport der letzten zehn Jahre“. Zunächst soll er ganz behutsam aufgebaut werden.

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FOTO: RSCP/FRANK HEINEN/IMAGO IMAGES Der Ravensburg­er Emanuel Buchmann gehört zu der Garde junger Straßenrad­fahrer, die auf die Generation um Marcel Kittel, André Greipel und Tony Martin folgen soll.

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