Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kreistag Sigmaringen will zweite Meinung
Erstes Gutachten empfiehlt Aus für Kliniken in Bad Saulgau und Pfullendorf
SIGMARINGEN - Die SRH-Kliniken wollen aus den drei Krankenhäusern im Landkreis Sigmaringen eines machen. Bad Saulgau und Pfullendorf sollen komplett schließen, die stationäre Versorgung soll künftig auf Sigmaringen konzentriert werden. In einer gemeinsamen Klausurtagung des Kreistags und des Gemeinderats Pfullendorf ist es am Wochenende hoch hergegangen. Am Ende verständigten sich beide Gremien darauf, eine weitere Untersuchung zu beauftragen. Erst danach soll eine Entscheidung fallen. Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Mit welcher Begründung rechtfertigen die Verantwortlichen die Schließung der beiden Krankenhäuser?
Durch rückläufige Fallzahlen konzentriere sich das Krankenhauswesen immer stärker auf größere Standorte. Der Markt werde seit Jahren kleiner. Corona habe diese Entwicklung verstärkt. Aus diesem Grund rechneten sich Investitionen in kleinere Häuser nicht mehr. Zudem stehe zu wenig Personal zur Verfügung.
Soll in Bad Saulgau und Pfullendorf eine Art Ambulanz bleiben? Nein, beide Häuser sollen komplett geschlossen werden. Nicht betroffen ist die Notfallpraxis in Bad Saulgau. In beiden Städten soll es weiterhin einen Notarzt geben.
Die Gesellschaft Curacon untersuchte drei Szenarien. Wie sahen die anderen beiden Szenarien aus? Im ersten Szenario hätten die Krankenhäuser den Status quo erhalten. Im zweiten Szenario wäre die stationäre Versorgung in Sigmaringen konzentriert worden, Bad Saulgau und Pfullendorf hätten aber eine Art Notfallkrankenhaus behalten. Da die SRH als Hauptgesellschafter aber den ambulanten Bereich nicht als ihren Auftrag betrachtet, wurde diese Alternative verworfen.
Wie geht es mit den Mitarbeitern weiter?
In den beiden bedrohten Häusern arbeiten zusammen rund 300 Mitarbeiter. Sie sind am Montag in Betriebsversammlungen über das medizinische Konzept informiert worden. „Wir werden das Personal, das mitgehen möchte, in Sigmaringen brauchen“, sagt Klinikgeschäftsführer Dr. Jan-Ove Faust. Letzte Gewissheit haben sie allerdings erst, wenn ein Bebammen
schluss gefasst ist.
Wie ist die finanzielle Situation der SRH-Kliniken im Landkreis? Bekannt war, dass die Kliniken für das aktuelle Jahr einen Verlust in Höhe von 7,2 Millionen Euro erwarten. Sollte an der jetzigen Struktur von drei Krankenhäusern festgehalten werden, besteht die Gefahr, „dass wir erheblich negative Betriebsergebnisse zu erwarten haben“, so der Geschäftsführer. In der Klausursitzung war von einem jährlichen zweistelligen Millionenbetrag die Rede.
Warum sind die Gesellschafter nicht bereit, jährlich einen Betrag X zum Ausgleichen der Verluste zu investieren?
Landrätin Stefanie Bürkle ist der Meinung, dass sich das Problem mit Geld nur bedingt lösen lasse. Um He
für die zwischenzeitlich geschlossene Bad Saulgauer Geburtenstation
zu finden, wurde viel Geld ausgegeben. „Geld hat uns in diesem Fall aber nichts genutzt“, sagt die Landrätin. Es handle sich vielmehr um ein strukturelles Problem. Sie habe viel gelesen und sich mit Experten unterhalten: „Die Empfehlung ist schmerzhaft und ich ärgere mich, dass ich zu keiner anderen Antwort komme.“
Was versprechen sich die Verantwortlichen von der Zweitmeinung, die jetzt eingeholt werden soll? Die Landrätin möchte sicher gehen, dass nichts übersehen wurde – bei den Chancen und den Risiken. Deshalb griff sie den Vorschlag aus den Reihen des Kreistags auf. Zwei Gutachter sollen nun angefragt werden, ob sie sich kurzfristig der Sache annehmen. Spätestens im ersten Quartal 2022 soll „die Zweitmeinung“vorliegen. „Wenn sich der jetzige Stand bestätigt, müssen wir diesen Schritt gehen“, sagt Pfullendorfs Bürgermeister Thomas Kugler.
Wie geht es jetzt weiter?
Die SRH als Hauptgesellschafter braucht die beiden kleineren Partner (Landkreis und Stadt Pfullendorf), da über eine Schließung von Standorten nur einstimmig entschieden werden kann. SRH-Geschäftsführer Werner Stalla machte deutlich, dass ihm eine schnelle Entscheidung wichtig ist. „Wir wollen keine zweite Meinung, unterstützen die Bestrebungen aber.“Sobald das neue Gutachten vorliegt, soll entschieden werden. Erst aber muss der Kreistag Anfang Oktober einem Gutachter den Auftrag erteilen. Zuvor, am Freitag, 24. September, soll in der Göge-Halle in Hohentengen eine Bürgerinformation stattfinden. Beginn ist um 19 Uhr.
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