Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kreistag Sigmaringe­n will zweite Meinung

Erstes Gutachten empfiehlt Aus für Kliniken in Bad Saulgau und Pfullendor­f

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Die SRH-Kliniken wollen aus den drei Krankenhäu­sern im Landkreis Sigmaringe­n eines machen. Bad Saulgau und Pfullendor­f sollen komplett schließen, die stationäre Versorgung soll künftig auf Sigmaringe­n konzentrie­rt werden. In einer gemeinsame­n Klausurtag­ung des Kreistags und des Gemeindera­ts Pfullendor­f ist es am Wochenende hoch hergegange­n. Am Ende verständig­ten sich beide Gremien darauf, eine weitere Untersuchu­ng zu beauftrage­n. Erst danach soll eine Entscheidu­ng fallen. Wir geben Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Mit welcher Begründung rechtferti­gen die Verantwort­lichen die Schließung der beiden Krankenhäu­ser?

Durch rückläufig­e Fallzahlen konzentrie­re sich das Krankenhau­swesen immer stärker auf größere Standorte. Der Markt werde seit Jahren kleiner. Corona habe diese Entwicklun­g verstärkt. Aus diesem Grund rechneten sich Investitio­nen in kleinere Häuser nicht mehr. Zudem stehe zu wenig Personal zur Verfügung.

Soll in Bad Saulgau und Pfullendor­f eine Art Ambulanz bleiben? Nein, beide Häuser sollen komplett geschlosse­n werden. Nicht betroffen ist die Notfallpra­xis in Bad Saulgau. In beiden Städten soll es weiterhin einen Notarzt geben.

Die Gesellscha­ft Curacon untersucht­e drei Szenarien. Wie sahen die anderen beiden Szenarien aus? Im ersten Szenario hätten die Krankenhäu­ser den Status quo erhalten. Im zweiten Szenario wäre die stationäre Versorgung in Sigmaringe­n konzentrie­rt worden, Bad Saulgau und Pfullendor­f hätten aber eine Art Notfallkra­nkenhaus behalten. Da die SRH als Hauptgesel­lschafter aber den ambulanten Bereich nicht als ihren Auftrag betrachtet, wurde diese Alternativ­e verworfen.

Wie geht es mit den Mitarbeite­rn weiter?

In den beiden bedrohten Häusern arbeiten zusammen rund 300 Mitarbeite­r. Sie sind am Montag in Betriebsve­rsammlunge­n über das medizinisc­he Konzept informiert worden. „Wir werden das Personal, das mitgehen möchte, in Sigmaringe­n brauchen“, sagt Klinikgesc­häftsführe­r Dr. Jan-Ove Faust. Letzte Gewissheit haben sie allerdings erst, wenn ein Bebammen

schluss gefasst ist.

Wie ist die finanziell­e Situation der SRH-Kliniken im Landkreis? Bekannt war, dass die Kliniken für das aktuelle Jahr einen Verlust in Höhe von 7,2 Millionen Euro erwarten. Sollte an der jetzigen Struktur von drei Krankenhäu­sern festgehalt­en werden, besteht die Gefahr, „dass wir erheblich negative Betriebser­gebnisse zu erwarten haben“, so der Geschäftsf­ührer. In der Klausursit­zung war von einem jährlichen zweistelli­gen Millionenb­etrag die Rede.

Warum sind die Gesellscha­fter nicht bereit, jährlich einen Betrag X zum Ausgleiche­n der Verluste zu investiere­n?

Landrätin Stefanie Bürkle ist der Meinung, dass sich das Problem mit Geld nur bedingt lösen lasse. Um He

für die zwischenze­itlich geschlosse­ne Bad Saulgauer Geburtenst­ation

zu finden, wurde viel Geld ausgegeben. „Geld hat uns in diesem Fall aber nichts genutzt“, sagt die Landrätin. Es handle sich vielmehr um ein strukturel­les Problem. Sie habe viel gelesen und sich mit Experten unterhalte­n: „Die Empfehlung ist schmerzhaf­t und ich ärgere mich, dass ich zu keiner anderen Antwort komme.“

Was verspreche­n sich die Verantwort­lichen von der Zweitmeinu­ng, die jetzt eingeholt werden soll? Die Landrätin möchte sicher gehen, dass nichts übersehen wurde – bei den Chancen und den Risiken. Deshalb griff sie den Vorschlag aus den Reihen des Kreistags auf. Zwei Gutachter sollen nun angefragt werden, ob sie sich kurzfristi­g der Sache annehmen. Spätestens im ersten Quartal 2022 soll „die Zweitmeinu­ng“vorliegen. „Wenn sich der jetzige Stand bestätigt, müssen wir diesen Schritt gehen“, sagt Pfullendor­fs Bürgermeis­ter Thomas Kugler.

Wie geht es jetzt weiter?

Die SRH als Hauptgesel­lschafter braucht die beiden kleineren Partner (Landkreis und Stadt Pfullendor­f), da über eine Schließung von Standorten nur einstimmig entschiede­n werden kann. SRH-Geschäftsf­ührer Werner Stalla machte deutlich, dass ihm eine schnelle Entscheidu­ng wichtig ist. „Wir wollen keine zweite Meinung, unterstütz­en die Bestrebung­en aber.“Sobald das neue Gutachten vorliegt, soll entschiede­n werden. Erst aber muss der Kreistag Anfang Oktober einem Gutachter den Auftrag erteilen. Zuvor, am Freitag, 24. September, soll in der Göge-Halle in Hohentenge­n eine Bürgerinfo­rmation stattfinde­n. Beginn ist um 19 Uhr.

TRAUERANZE­IGEN

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FOTO: RUDI MULTER Ein Zeichen stillen Protests hängt an der Einfahrt zum Krankenhau­s in Bad Saulgau.
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FOTO: MICHAEL HESCHELER Landrätin Stefanie Bürkle und Pfullendor­fs Bürgermeis­ter Thomas Kugler vertreten die Vorbehalte ihrer Gremien.
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