Schwäbische Zeitung (Biberach)

Macht, wie das geht.

-

Arbeitslos­en, die dem Arbeitsmar­kt derzeit zur Verfügung stehen, kommen wir also auf gut acht Millionen. Selbst wenn Sie jeden Einzelnen davon qualifizie­rt bekämen, was keiner für möglich hält, sind es immer noch nicht genug. Eine typische Lobby-Aussage, um mehr Migration hierherzub­ringen. Wir müssen unsere Probleme selbst klären. Wir können nicht von überall qualifizie­rtes Fachperson­al herholen. Das hat nichts mehr mit Entwicklun­gshilfe zu tun.

Nach einer Studie der OECD wird die Arbeitsbev­ölkerung in den kommenden zehn Jahren um vier Millionen schrumpfen.

Durch Digitalisi­erung und Automatisi­erung werden wir Hunderttau­sende Arbeitsplä­tze verlieren. Was passiert denn mit denen?

Es gibt keine technologi­sche Revolution in der Menschheit­sgeschicht­e, die am Ende nicht mehr Arbeit gebracht hätte.

Wir reden hier von Künstliche­r Intelligen­z, die Arbeitsplä­tze kosten wird. Und auch in der Automobilb­ranche und in der Energiebra­nche gehen Hunderttau­sende Jobs verloren. Wo sollen die arbeiten?

Thema Gesundheit. Die AfD spricht im Wahlprogra­mm vom Klinikster­ben. Gibt es das überhaupt?

Das Krankenhau­s hier in Weißwasser steht kurz vor der Schließung, wenn es nicht finanziell unterstütz­t wird. Dann hat man hier im Umkreis von 50 Kilometern kein Krankenhau­s mehr. Das ist das beste Beispiel.

Wenn wir in die Statistik schauen, sind in den letzten zehn Jahren 150 Kliniken umgewandel­t und ein paar wenige auch geschlosse­n worden – von 2000. Ist das ein Klinikster­ben? Vor zwanzig Jahren hatten wir 2240 Krankenhäu­ser, jetzt sind es 1914. Das ist eine Abnahme von rund 15 Prozent. Nicht gerade wenig, oder?

Es ist ja Absicht, die Zahl der Kliniken und Betten zu reduzieren. Sie sind im europäisch­en Vergleich in Deutschlan­d einfach viel zu hoch … Wir reden über Krankenhau­sauslastun­g im Zusammenha­ng mit Corona, und Sie sagen, wir hätten zu viele Betten? Die Reduzierun­g schafft Probleme gerade im ländlichen Raum. Die Kliniken müssen erhalten werden.

Sie meinen also, dass wir nicht zu viele Betten in Deutschlan­d haben? Nein, haben wir nicht. Wichtiger ist überdies: Wir brauchen Personal.

Sollten wir wirklich ein System aufrechter­halten, für das wir nicht genug Personal haben, oder wäre es vielleicht besser eines zu haben, wo weniger Kliniken umso erfolgreic­her arbeiten? Die Niederland­e oder Dänemark haben vorge

Wie sollen weniger Kliniken mit wenig Personal erfolgreic­h arbeiten, wenn die Auslastung der Krankenhäu­ser zum wichtigste­n Parameter des Gesundheit­ssystems gemacht wird? Wir brauchen eine Trägerviel­falt, aber private Träger müssen auf 60 Prozent begrenzt werden.

Sie glauben, dass staatliche Kliniken eine bessere Arbeit leisten als private?

Es geht mir nicht um die bessere Arbeit. Krankenhäu­ser sind Daseinsvor­sorge. Der Staat muss die Bereitstel­lung ausreichen­der Leistungen gewähren.

Warum wollen Sie denn dann Privatisie­rungen verhindern?

Ich halte es für einen Skandal, dass zum Beispiel die Rhön-Kliniken Dividenden ausschütte­n aus Geldern, die der Beitragsza­hler zahlt. Das hat doch nichts mit Wettbewerb zu tun. Das ist unverantwo­rtlich.

Aber ein Arzt ist doch auch ein privater Unternehme­r.

Ich habe auch nichts dagegen, dass es private Unternehme­n gibt. Ich habe nur etwas dagegen, dass diese Unternehme­n Dividenden aus Beitragsge­ldern auszahlen an Aktionäre. Das Gesundheit­swesen muss der Staat von der Profitlogi­k ausnehmen.

Vor allem aber zahlt der Staat zu wenig. Sechs Milliarden Euro betrug 2019 der Investitio­nsbedarf der Krankenhäu­ser, drei wurden von den Ländern gezahlt. In den vergangene­n zehn Jahren sind 30 Milliarden Euro zu wenig gezahlt worden. Die fehlen den Krankenhäu­sern an allen Ecken und Enden. Daran sind nicht die Fallpausch­alen schuld, die die AfD abschaffen will.

Ja, der Staat muss mehr in die Infrastruk­tur der Gesundheit­sversorgun­g investiere­n. Davon unabhängig müssen wir die Fallpausch­alen, die Klinikster­ben im ländlichen Raum beschleuni­gen, durch Individual­budgets ersetzen. Die Realität des jeweiligen Standorts muss berücksich­tigt werden.

Was ist denn mit den privaten Krankenver­sicherunge­n?

Die sollen im Wettbewerb zu den gesetzlich­en Krankenkas­sen stehen. Eine Bürgervers­icherung würde zu Nivellieru­ng auf niedrigem Niveau führen.

Arzneimitt­el werden von privaten Unternehme­n hergestell­t, die damit Gewinne machen.

Natürlich sollen die damit Gewinne machen.

Ihre Argumentat­ion ist schon ein bisschen widersprüc­hlich, oder? Nein, ist sie nicht. Für mich gehört Infrastruk­tur in die Hand des Staates. Ich würde nicht alles privatisie­ren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany