Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wirtschaft wünscht sich Schwarz-Gelb
Koalition aus Union und FDP wird der meiste ökonomische Sachverstand zugetraut – Wirtschaftsthemen im Wahlkampf unterrepräsentiert
RAVENSBURG - Mit Blick auf die Bundestagswahl am Sonntag haben Wirtschaftsvertreter im Südwesten klare Wunschvorstellungen: Ginge es nach ihnen, sollte eine Koalition aus CDU/CSU und FDP die künftige Bundesregierung stellen. „In einer repräsentativen Umfrage haben 57 Prozent unserer Mitglieder SchwarzGelb als Wunschkonstellation angegeben“, sagte Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Industrieller Unternehmen Baden (wvib), einer Interessenvertretung familiengeprägter, mittelständischer Industrieunternehmen in Baden-Württemberg mit Sitz in Freiburg.
Die vermutlichen
Gründe dafür formulierte
Münzer im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“folgendermaßen:
„Mit einer wirtschaftsliberalen Programmatik würde die notwendige ökologische Transformation eher mit wirtschaftlichem Erfolg verbunden sein als mit der Hemmung der Marktkräfte. Alle anderen Parteien setzen auf eine mehr oder weniger dirigistische Rolle des Staates, auf Quoten, Strafen, Subventionen und Schulden.“Generell, so Münzer, werde das Thema Wirtschaft aber von allen Parteien im Wahlkampf nicht angemessen behandelt.
Ähnlich äußerte sich jüngst auch Stefan Wolf in der „Bild“-Zeitung. Der Chef des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall und Vorstandsvorsitzende des Automobilzulieferers Elring Klinger aus Dettingen an der Erms zeigte sich in dem Blatt besorgt, dass Wirtschaft im Wahlkampf bislang nur am Rande ein Thema sei. „Den Menschen muss klar sein, dass sie am Wahltag nicht einfach nur darüber abstimmen, welche Koalition in den kommenden vier Jahren dieses Land regiert. Es geht um eine grundlegende Richtungsentscheidung darüber, wie unser Land in Zukunft aussehen soll“, sagte Wolf.
Die Bürger könnten wählen zwischen einem Leben in Freiheit, mit einer freien Wirtschaft, Arbeitsplätzen und Wohlstand oder mit einem Staat, der immer mehr Kompetenzen an sich ziehe, der seine Bürger mit Verboten gängele und mit Bürokratie erdrücke. Mit Blick auf eine mögliche Koalition von SPD, Grünen und Linkspartei sprach Wolf von „einer Katastrophe für den Wohlstand in unserem Land“. Wenn die Abgaben weiter steigen würden, so wie es Linke und SPD forderten, würden Hunderttausende Arbeitsplätze verloren gehen und der Industriestandort stark geschwächt. Wolf zufolge sollte die Politik darüber nachdenken, „wie deutsche Unternehmen weniger belastet werden als ihre Konkurrenz im Ausland“. Der Gesamtmetallchef
sprach sich in der „Bild“für Steuersenkungen und eine Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge bei 40 Prozent aus.
Beim Wahlkampfthema Nummer 1, dem Klimaschutz, der in starkem Maße auch die Wirtschaft tangiert, lehnte Wolf harte klimapolitische Vorgaben ab. Diese würden im Kampf gegen den Klimawandel nicht helfen. Statt darauf zu hoffen, mit staatlichen Verboten den globalen CO2-Ausstoß um 0,2 Prozent zu drücken, so Wolf, müsste Deutschland alles daran setzen, klimafreundliche Technologien zu entwickeln und in Länder zu exportieren, in denen der CO2-Ausstoß deutlich höher liegt.
Für wvib-Hauptgeschäftsführer Münzer hingegen ist der CO2-Ausstoß nach wie vor zu billig. „Die Herangehensweise der Politik, dass Öko niemanden etwas kosten darf, ist grundfalsch. Öko muss in der Breite etwas kosten, wenn sich etwas ändern soll“, sagte Münzer. Diese Position müsse deshalb auch in die Breite der Gesellschaft getragen werden.
Von welcher Koalition die günstigste wirtschaftliche Entwicklung in der kommenden Legislaturperiode erwartet wird, fragte in dieser Woche auch das Münchener ifo-Institut 153 Ökonomen in Deutschland. Für die meisten Umfrageteilnehmer (44 Prozent) würde demnach eine Koalition aus Union und FDP das Wirtschaftswachstum am stärksten ankurbeln. Die niedrigste Arbeitslosenquote versprechen sich die Ökonomen ebenfalls von Schwarz-Gelb.
Gefragt danach, welches Bündnis die Einkommensungleichheit am deutlichsten reduziert, votierten die Ökonomen hingegen für Rot-RotGrün (55 Prozent). Schwarz-Gelb würde die Einkommensungleichheit umgekehrt am ehesten verstärken (70 Prozent).