Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Da kann man nicht einfach nur einen Zettel an die Tür kleben“
Kritik an der Informationspolitik von Sana – War die jüngste Entwicklung am Laupheimer Krankenhaus absehbar?
LAUPHEIM (ry) - „Ich hatte das so nicht auf dem Schirm“, zeigte sich Oberbürgermeister Gerold Rechle vorige Woche entsetzt über das Aus für die chirurgische 24-StundenNotfallversorgung am Laupheimer Krankenhaus; auch Ratsmitglieder äußern sich überrascht, allerdings nicht alle. Einig ist man sich, dass die Informationspolitik von Sana katastrophal gewesen sei. Der Krankenhausbetreiber sieht das anders.
Mit der Verlagerung des chirurgischen Leistungsspektrums nach Biberach und der Bündelung am neuen Zentralkrankenhaus könne am Standort Laupheim keine chirurgische Notfallversorgung rund um die Uhr mehr vorgehalten werden, erklärte die Sana Kliniken Landkreis Biberach GmbH (SLB) auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Bereits seit 2013 sei sie auf Aufgaben wie die Versorgung kleiner Wunden oder das Anlegen einer Gipsschiene beschränkt gewesen. Das Konzept zur Neustrukturierung der medizinischen Versorgung im Landkreis Biberach sei bereits vor Jahren in dieser Form ausgearbeitet, im März 2016 vom Landeskrankenhausausschuss genehmigt und seither kommuniziert worden. Es sehe für den Standort Laupheim ein Zentrum für Älterenmedizin mit Betten für Geriatrische Reha und Innere Medizin vor, das zum 1. Oktober den Betrieb aufnehmen werde.
Sana verweist auf ein SZ-Interview mit der SLB-Geschäftsführerin Beate Jörißen vom Dezember 2016. Es enthält diese Passage:
SZ: Gibt es künftig noch eine Notfallambulanz?
Jörißen: Ja. Im Ärztehaus ist eine chirurgische Praxis vorgesehen, mit einer Versorgung für Schul- und Arbeitsunfälle.
SZ: Rund um die Uhr?
Jörißen: Zu den üblichen Praxiszeiten. Außerhalb dieser Zeiten werden chirurgische Patienten ans Klinikum Biberach verwiesen. Die internistische Versorgung bieten wir davon unabhängig rund um die Uhr an.
Genau das ist jetzt eingetreten. Gerold Rechle sagt dazu, 2016 sei er im Rathaus nicht für das Thema Gesundheitszentrum verantwortlich gewesen. Von Sana, Partner der Stadt in der Zentrum für Älterenmedizin GmbH, hätte er zwingend erwartet, dass ein so wichtiger Aspekt wie Änderungen in der Notfallversorgung im Zuge der vielen Gespräche, die man miteinander führe, noch einmal zeitnah und in aller Deutlichkeit dargelegt wird – das sei nicht geschehen. Im Rathaus sei die Tragweite der Änderungen niemandem bewusst gewesen. Sich bei einem für die Stadt so elementaren Thema jetzt auf eine Aussage vor fünf Jahren zu berufen, sei „arg weit hergeholt“. Am Donnerstag trifft Rechle den Sana-Regional-Geschäftsführer Andreas Ruland. „Ich will versuchen, eine Verbesserung der jetzt eingeführten Regelung zu erwirken“, lautet Rechles Ziel. Ein Knackpunkt könnte sein, „wer dann den personellen Mehraufwand bezahlt“. Was seit Kurzem in Sachen Notfallambulanz angeboten werde, sei einer Großen Kreisstadt mit fast 23 000 Einwohnern, 13 000 Arbeitsplätzen, regem Vereinsleben und Mittelzentrumsfunktion jedenfalls nicht angemessen.
Kreiskämmerer Holger Adler, zuständig für den Eigenbetrieb „Immobilien der Kliniken“, sagt, Fachleute könnten nachvollziehen, dass sich der Abzug der stationären chirurgischen Versorgung auf die Notfallversorgung am Standort auswirkt. Jedoch: „Uns war das so nicht klar.“
Verärgert ist Adler über die mangelhafte Kommunikation, die Sana im Zuge der Umstellung gepflogen habe. Weder die Öffentlichkeit noch der Landkreis, Mitgesellschafter der Kliniken GmbH, seien im Vorfeld des 11. September hinreichend informiert worden. „Notfallversorgung ist ein wichtiges Thema, da kann man nicht einfach nur einen Zettel an die Tür kleben“, rügt Adler. „Es ist Aufgabe des Betreibers, dafür zu sorgen, dass es keine Irritationen gibt. Dazu muss Sana Öffentlichkeitsarbeit machen und sich kritischen Fragen stellen, ob das, was kommt, so sein muss.“Das sei nicht passiert, falle auch auf den Landkreis zurück und werfe einen Schatten auf den Start des neuen Biberacher Klinikums. Nun müsse man ausloten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Mehr an Notfallversorgung in Laupheim möglich wäre.
Kritik am Informationsgebaren von Sana äußerten auch die Vertreter des Laupheimer Unternehmerkreises (LUK) und des Bunds der Selbständigen Laupheim (BDS) sowie die von der SZ befragten Mitglieder des Laupheimer Gemeinderats. Sana hält in einer Stellungnahme dagegen, dass zuletzt im Rahmen einer Pressemeldung im April auf die Verlagerung des chirurgischen Leistungsspektrums nach Biberach hingewiesen wurde, „sodass die Neuordnung der klinischen Strukturen im Landkreis im öffentlichen Bewusstsein präsent gewesen sein dürfte“. Im Vorfeld der Verlagerung habe man zudem die Rettungsdienst-Leitstellen informiert.
Mit Inkrafttreten der Neustrukturierung sei vor Ort durch Aushänge auf die Änderungen in Laupheim hingewiesen und „eine ergänzende Pressemeldung“versandt worden. Damit kann nur jene vom 14. September gemeint sein – drei Tage nach der Umstellung und, wie zu hören ist, nach ersten kritischen Nachfragen des Laupheimer OB im Landratsamt.
Bleibt die Frage, inwieweit die Entwicklung abzusehen war. Nach Informationen aus dem Kreistag sei dort wohl bewusst gewesen, dass Sana die Notfallversorgung nicht durchgehend offenhalten wird, wenn der Neubau steht; nicht aber, dass es zum jetzigen Zeitpunkt geschieht, berichtet Roland Pecha, Sprecher der Laupheimer CDUFraktion. Er selbst sei von dem Geschehen überrascht worden. Wenn Sana sich jetzt auf Aussagen von 2016 berufe, dann möge der Konzern „bitte auch zu all dem stehen, was vor fünf Jahren an Positivem angekündigt wurde“.
„Für mich war das keine Überraschung“, erklärt dagegen Martina Miller, Stadt- und Kreisrätin der SPD. Es sei durchaus klar gewesen, dass es nach dem Abzug der stationären Chirurgie ins neue Biberacher Klinikum in Laupheim keine chirurgische Notfallversorgung mehr über das MVZ hinaus geben würde. Nicht bekannt gewesen seien die Öffnungszeiten im MVZ. Nicht von ungefähr habe sie im Gemeinderat gefragt, was künftig passieren werde, wenn um 19 Uhr ein Kind von der Schaukel fällt. Allerdings sei sie auch der Meinung, so Miller, dass das jetzige Notfallangebot „für eine Große Kreisstadt wie Laupheim nicht ausreicht“.
„Dass es diesen Gang nimmt, damit hatten wir gerechnet, aber erst in Verbindung mit dem geplanten Gesundheitszentrum“, sagt Erwin Graf, Fraktionschef der Freien Wähler. Man bedauere die Abstriche bei der chirurgischen Notfallversorgung; mit vereinten Kräften müsse man versuchen, zumindest einen Aufschub zu erwirken, oder mehr. „Herr Rechle hat unsere Unterstützung in diesem Punkt.“
„Dass es so kommt, war Beschlusslage seit mehreren Jahren“, sagt Anja Reinalter, grüne Kreisrätin und Fraktionschefin der Offenen Liste im Laupheimer Gemeinderat. Die Art und Weise, wie es kommuniziert wurde, lasse zu wünschen übrig; fehlende Transparenz in den Abläufen nähre Argwohn. Sana habe keinen Vertrag gebrochen, von einer vertrauenbildenden Maßnahme könne freilich nicht die Rede sein.