Schwäbische Zeitung (Biberach)

Straftäter flüchten aus Psychiatri­e nahe Heilbronn

Die Polizei sucht nach den als gefährlich geltenden Flüchtigen – Der Ausbruch wird auch den Landtag beschäftig­en

- Von Frederick Mersi und Stephen Wolf

WEINSBERG (dpa) - Es ist kurz vor 22 Uhr, als vier Männern am Mittwochab­end die Flucht aus der geschlosse­nen Station des Klinikums am Weissenhof gelingt. Nach Polizeiang­aben gelten sie als gefährlich, drei von ihnen sind rechtskräf­tig verurteilt­e Straftäter. „Wenn sie gesehen werden, sollten sich die Menschen nicht in unnötige Gefahr begeben, sondern die Polizei rufen“, sagte ein Polizeispr­echer am Donnerstag­nachmittag. Trotz Öffentlich­keitsfahnd­ung, Einsatz eines Hubschraub­ers und zahlreiche­n Polizisten vor Ort fehlte bis zu diesem Zeitpunkt von den vier Flüchtigen aber jede Spur.

Wie die Männer aus der Psychiatri­e in Weinsberg (Landkreis Heilbronn) fliehen konnten, bleibt zunächst ebenso unklar wie die Frage, weshalb sie dort im Maßregelvo­llzug untergebra­cht waren. Man habe nach der Flucht „sofort“und „unverzügli­ch die Polizei eingeschal­tet“, teilte das Klinikum lediglich mit. Es würden „intensive Ermittlung­en“geführt. Weitere Angaben wollte ein Sprecher des Klinikums mit Verweis auf die Ermittlung­en nicht machen.

Beim Maßregelvo­llzug geht es nach Angaben des Gesundheit­sministeri­ums

in Stuttgart um die Unterbring­ung psychisch kranker oder suchtkrank­er Straftäter. Ziel ist der Schutz der Bevölkerun­g und eine Therapie der Patienten. Bei drei der vier nun geflüchtet­en Männer habe aber ein Abbruch der Therapie bevorgesta­nden, teilte ein Ministeriu­mssprecher am Donnerstag mit.

Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) hatte in der Vergangenh­eit gefordert, Straftäter in diesem Fall möglichst schnell in Gefängniss­en unterzubri­ngen: „Solche Delinquent­en sind im Maßregelvo­llzug schwer zu handhaben“, sagte er nach dem Ausbruch mehrerer Straftäter aus einer Klinik in Calw im April 2019. Nach Angaben des Ministeriu­ms beschäftig­t sich deshalb eine Arbeitsgru­ppe von Bund und Ländern mit einer Änderung des betreffend­en Paragrafen im Strafgeset­zbuch. „Ihre Arbeit steht kurz vor dem Abschluss“, sagte ein Ministeriu­mssprecher am Donnerstag.

Patienten flüchten immer wieder aus Psychiatri­en. Im vergangene­n Jahr gab es in Baden-Württember­g nach Angaben des Gesundheit­sministeri­ums 47 solcher Fälle, bei 1252 Patienten landesweit sei das ein

Anteil unter vier Prozent. In den geschlosse­nen Bereichen aller Kliniken im Südwesten prüften Sicherheit­sbeauftrag­te die Vorkehrung­en gegen Fluchtvers­uche regelmäßig, von dort sei 2020, so das Ministeriu­m, niemand geflohen.

SPD und FDP wollen das Thema aber noch einmal im Landtag behandeln. Man habe beantragt, dass sich der Sozialauss­chuss am Mittwoch mit dem Vorfall befasse, hieß es in einer gemeinsame­n Mitteilung.

Von den vier Männern aus der Psychiatri­e in Weinsberg fehlte zunächst noch jede Spur. Es gebe zwar keine konkreten Hinweise darauf, dass die Flüchtigen bewaffnet seien, sagte ein Polizeispr­echer. „Aber ausschließ­en können wir es natürlich nicht.“Wer in der Region Heilbronn mit dem Auto unterwegs sei, solle deshalb keine Anhalter mitnehmen.

Hinweise aus der Bevölkerun­g zu den Flüchtigen im Alter von 24 bis 37 Jahren nahm die Polizei unter einer Telefonnum­mer des zuständige­n Präsidiums entgegen. Das Landeskrim­inalamt veröffentl­ichte Fotos, Namen und Beschreibu­ngen der Männer im Internet. Zwar seien dazu auch Hinweise eingegange­n, sagte ein Polizeispr­echer. „Es liegen aber keine Hinweise vor, wo sich die Männer momentan aufhalten könnten.“

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FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Polizisten besprechen sich vor der Klinik am Weissenhof im Kreis Heilbronn. Vier Männer sind aus einer geschlosse­nen Station geflüchtet.

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