Schwäbische Zeitung (Biberach)
Tony Martin wird kein Frührentner am Bodensee
Mit neuen Projekten will sich der Ex-Radprofi Zeit lassen und vorerst die Freiheit mit der Familie genießen
BRÜGGE (SID) - Am ersten Tag eines neuen Lebens erwartete Tony Martin die schönste aller Belohnungen. In seiner Schweizer Wahlheimat Kreuzlingen nahmen Ehefrau Nina und die beiden Töchter den Ex-Radprofi nach der langen Autofahrt aus Belgien voller Stolz in Empfang.
Allzu viel Schlaf hatte Martin zuvor nicht gefunden. Erst nach Mitternacht endete die Feier im Teamhotel des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR). Mit Sekt wurde auf den WMTriumph mit der Mixed-Staffel in Martins letztem Rennen angestoßen, es gab Torte mit einer „Danke Tony“– Aufschrift, mit einer Dia-Collage wurde an die vielen Höhepunkte in seiner Karriere erinnert.
Gold beim Gang in den RadsportRuhestand war dabei nur der krönende Abschluss. „Ich hätte mir keinen schöneren Abschied wünschen können“, sagte Martin. Sein bevorstehendes Karriereende setzte bei seinen Teamkollegen zusätzliche Kräfte frei. „Als ich auf der Startrampe stand, habe ich gedacht: 'Den schießen wir heute in den Orbit'“, sagte Max Walscheid. Brennauer meinte: „Es hat uns alle beflügelt und uns Aufwind gegeben.“
Nach vier WM-Titeln im Einzelzeitfahren fügte Martin seiner Trophäensammlung am Ende ein weiteres Regenbogentrikot hinzu. Wie das Gelbe Trikot der Tour de France, das er 2015 vorübergehend trug, sind sie nun Erinnerungen an einen früheren, prägenden Abschnitt.
Nun jedoch, so der 36-Jährige, „beginnt das normale Leben“. Die Trainingsstunden, die Rennen auf der ganzen Welt, das Leben aus dem Koffer, die Entbehrungen – all das hat für Martin ein Ende. Auch um Stürze und gefährliche Verletzungen muss er sich nicht mehr sorgen. Die Risiken des Radsports waren maßgeblich bei seiner Entscheidung für den Rücktritt gewesen. Er habe für sich entschieden, dass er die Gefahren „nicht mehr will“.
Im Fokus steht stattdessen vorerst ausschließlich die Familie. „Ich werde die Zeit mit ihr genießen. Wir werden die Chance nutzen und auch ein bisschen reisen“, sagte Martin. Wie es dann weitergehe, werde er über den Winter entscheiden.
Zur Ruhe setzen wird er sich am Bodensee aber nicht. „Ich werde definitiv kein Frührentner“, sagte Martin: „Ich habe ein paar Projekte im Kopf, dann schaue ich mal, welche sich davon umsetzen lassen.“