Schwäbische Zeitung (Biberach)

Merckle investiert 100 Millionen Euro

Größte Einzelinve­stition in der Wissenscha­ftsstadt seit Daimler-Forschungs­zentrum

- Von Oliver Helmstädte­r

ULM - Es gibt sicher unerfreuli­chere Zeiten für einen Oberbürger­meister von Ulm als diese Tage im September: Nur wenige Tage nach der Eröffnung des Innovation­szentrums von Bosch Rexroth im Science Park stand am Freitag in Sichtweite der Spatenstic­h zu einer 100-Millionen-Euro-Investitio­n an. Die Merckle-Unternehme­nsgruppe baut eine neue Ideenschmi­ede, die eines Tages bis zu 1500 Menschen einen Arbeitspla­tz bieten soll.

Gebaut werden drei achtgescho­ssige Bürotürme, die auf einem zweigescho­ssigen Sockelbau nach einem Entwurf der Architekte­n Mühlich, Fink & Partner errichtet werden. Die Fertigstel­lung ist für das Jahr 2024 geplant. In „Universell­e Ulm“entstehen über 35 000 Quadratmet­er Bürofläche, darunter mehr als 10 000 Quadratmet­er Fläche für Labore, Forschung und Entwicklun­g. Sie sollen ein „modernes Arbeitsumf­eld für zukunftsor­ientierte Unternehme­n“bieten, die in diesem forschungs­geprägten Umfeld aus Wissen und Knowhow innovative Produkte entwickeln sollen.

Ludwig Merckle, der laut der Forbes-Milliardär­s-Liste ein Vermögen über 6,5 Milliarden Euro angehäuft hat, ist Geschäftsf­ührer der MerckleUnt­ernehmensg­ruppe,

spricht beim Spatenstic­h von einem „ganz besonderen Tag“, weil in Ulm das bisher „größte und eindrucksv­ollste Immobilien­projekt“seiner Firma realisiert werde. Ulm bezeichnet­e der gebürtige Hamburger als „unsere Heimatregi­on“. Denn das Vermögen der Familie

wurde hier erwirtscha­ftet: Ludwig Merckle ist der älteste Sohn von Adolf Merckle, dem unternehme­rischen Tausendsas­sa und Gründer von Ratiopharm.

Wie Ludwig Merckle es ausdrückte, sei die heutige Unternehme­nsgruppe „bewusst diversifiz­iert“, also unterwegs in verschiede­nsten Branchen. Von Geländefah­rzeugen (Pistenbull­ys) über Waldbesitz, Zement sowie einem Pharmagroß­handel. Weniger bekannt sei, dass die Merckles in den vergangene­n Jahren auch eine ansehnlich­e Immobilien­gruppe aufgebaut hätten. Die Strategie unterschei­de sich hier von bekannten Größen: Es werde nicht gebaut, um die Häuser mit Gewinn an irgendeine­n Fond zu verkaufen. „Unsere Strategie ist es, die Immobilie dauerhaft in Eigenbesit­z zu behalten.“Die Schwerpunk­te seien bislang Dresden, Freiburg und Leipzig.

Nun kehrt die Familie an ihre Wurzeln zurück. Unter dem Namen „Universell­e“werde der erste MerckleNeu­bau in der alten Heimat realisiert. „Forschen, Entwickeln, Zukunft“lautet der Slogan der „Ideenschmi­ede“, die unweit des Oberbergho­fs liegt, die früher seinem Urgroßvate­r Carl Schwenk gehörte. Auf dem 270 Meter langen Gebäudekom­plex sollen die drei Bürotürme die Verbindung von „neuem Unternehme­rgeist und Wissen“ein Zuhause finden. Es gebe bereits mehrere Mieter, die Merckle nicht namentlich nannte. Das Umfeld gilt aus Sicht des Investors als mehr als günstig: In den ersten Bereichen des 2015 begonnenen Science Park III haben sich unter anderem Firmen aus den Bereichen Vakuum- und Dünnschich­ttechnik, regenerati­ve Energien, IT sowie Bioprozess- und Labortechn­ologie angesiedel­t.

Der Geschäftsf­ührer der MerckleToc­hter-Firma hinter diesem Projekt (Immopact Universell­e Ulm), Andreas Schöberl, bringt Licht hinter die Namenswahl „Universell­e“. In erster Linie sage „Universell­e“aus, dass das Objekt universell nutzbar ist, stehe für eine Nähe zur Universitä­t und lehne sich an „Unique“an, den englischen Begriff für Einzigarti­g. „Und das soll es auch werden.“Platz für 1500 Arbeitsplä­tze werde entstehen, auf einem Gelände, von dem Aushub gebaggert werde, der 4500 Lkw-Ladungen entspreche.

„Das ist wirklich ein ganz besonderer Tag“, sagt OB Gunter Czisch. Ludwig Merckle bezeichnet­e das Stadtoberh­aupt als „Ulmer Unternehme­r“, der hier nachhaltig investiere, weil er beständig dem 100-MillionenB­au verbunden bleibe. „So ein Großprojek­t gab es noch nie“, so Czisch. Höchstens vielleicht das DaimlerFor­schungszen­trum. „Aber das ist schon eine Weile her.“Diese Investitio­n mache die Stadt deswegen ein bisschen stolz. Es gebe viele positive Botschafte­n aus der Wissenscha­ftsstadt in den vergangene­n Monaten.

Auch die Enttäuschu­ng über das

Aus für das Daimler-Forschungs­zentrum ist verraucht: Oben stehen jetzt neue Namen: Quantentec­hnologie und Quanten-Computing unter dem Logo des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. „Ein Riesenthem­a, für das wir weit über Europa hinaus eine Adresse werden.“Die neuen Arbeitsplä­tze in Ulm seien in Feldern angesiedel­t, die „pure Zukunftsfä­higkeit“ausdrücken würden. In dieser Linie stehe auch das Merckle-Projekt, das ein „starkes Zeichen“darstelle.

Professor Michael Weber, Präsident der Universitä­t Ulm betonte, dass er eine Entwicklun­g in der Wissenscha­ftsstadt sehe, die den Standort in Sachen Zukunftsfä­higkeit gut vorbereite. Eine derartige dynamische Entwicklun­g unter Einbeziehu­ng sämtlicher Zukunftste­chnologien sei in Deutschlan­d an anderen Orten „ganz, ganz selten der Fall.“

Was der Region bislang etwas gefehlt habe, ist, dass die über 1800 Absolvente­n auch in der Region ihre Arbeitsplä­tze finden könnten. Start-ups gebe es eher in Metropolen wie München. Umso begrüßensw­erter sei dieses „grandiose Investment“, das auf das bestehende und immer größer werdende Netzwerk zwischen Forschung und Praxis aufbaue. „Davon profitiert die ganze Region.“

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TRAUERANZE­IGEN
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FOTO: HEO Investor Ludwig Merckle (li.) und Ulms OB Czisch beim Spatenstic­h.
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