Schwäbische Zeitung (Biberach)
Merckle investiert 100 Millionen Euro
Größte Einzelinvestition in der Wissenschaftsstadt seit Daimler-Forschungszentrum
ULM - Es gibt sicher unerfreulichere Zeiten für einen Oberbürgermeister von Ulm als diese Tage im September: Nur wenige Tage nach der Eröffnung des Innovationszentrums von Bosch Rexroth im Science Park stand am Freitag in Sichtweite der Spatenstich zu einer 100-Millionen-Euro-Investition an. Die Merckle-Unternehmensgruppe baut eine neue Ideenschmiede, die eines Tages bis zu 1500 Menschen einen Arbeitsplatz bieten soll.
Gebaut werden drei achtgeschossige Bürotürme, die auf einem zweigeschossigen Sockelbau nach einem Entwurf der Architekten Mühlich, Fink & Partner errichtet werden. Die Fertigstellung ist für das Jahr 2024 geplant. In „Universelle Ulm“entstehen über 35 000 Quadratmeter Bürofläche, darunter mehr als 10 000 Quadratmeter Fläche für Labore, Forschung und Entwicklung. Sie sollen ein „modernes Arbeitsumfeld für zukunftsorientierte Unternehmen“bieten, die in diesem forschungsgeprägten Umfeld aus Wissen und Knowhow innovative Produkte entwickeln sollen.
Ludwig Merckle, der laut der Forbes-Milliardärs-Liste ein Vermögen über 6,5 Milliarden Euro angehäuft hat, ist Geschäftsführer der MerckleUnternehmensgruppe,
spricht beim Spatenstich von einem „ganz besonderen Tag“, weil in Ulm das bisher „größte und eindrucksvollste Immobilienprojekt“seiner Firma realisiert werde. Ulm bezeichnete der gebürtige Hamburger als „unsere Heimatregion“. Denn das Vermögen der Familie
wurde hier erwirtschaftet: Ludwig Merckle ist der älteste Sohn von Adolf Merckle, dem unternehmerischen Tausendsassa und Gründer von Ratiopharm.
Wie Ludwig Merckle es ausdrückte, sei die heutige Unternehmensgruppe „bewusst diversifiziert“, also unterwegs in verschiedensten Branchen. Von Geländefahrzeugen (Pistenbullys) über Waldbesitz, Zement sowie einem Pharmagroßhandel. Weniger bekannt sei, dass die Merckles in den vergangenen Jahren auch eine ansehnliche Immobiliengruppe aufgebaut hätten. Die Strategie unterscheide sich hier von bekannten Größen: Es werde nicht gebaut, um die Häuser mit Gewinn an irgendeinen Fond zu verkaufen. „Unsere Strategie ist es, die Immobilie dauerhaft in Eigenbesitz zu behalten.“Die Schwerpunkte seien bislang Dresden, Freiburg und Leipzig.
Nun kehrt die Familie an ihre Wurzeln zurück. Unter dem Namen „Universelle“werde der erste MerckleNeubau in der alten Heimat realisiert. „Forschen, Entwickeln, Zukunft“lautet der Slogan der „Ideenschmiede“, die unweit des Oberberghofs liegt, die früher seinem Urgroßvater Carl Schwenk gehörte. Auf dem 270 Meter langen Gebäudekomplex sollen die drei Bürotürme die Verbindung von „neuem Unternehmergeist und Wissen“ein Zuhause finden. Es gebe bereits mehrere Mieter, die Merckle nicht namentlich nannte. Das Umfeld gilt aus Sicht des Investors als mehr als günstig: In den ersten Bereichen des 2015 begonnenen Science Park III haben sich unter anderem Firmen aus den Bereichen Vakuum- und Dünnschichttechnik, regenerative Energien, IT sowie Bioprozess- und Labortechnologie angesiedelt.
Der Geschäftsführer der MerckleTochter-Firma hinter diesem Projekt (Immopact Universelle Ulm), Andreas Schöberl, bringt Licht hinter die Namenswahl „Universelle“. In erster Linie sage „Universelle“aus, dass das Objekt universell nutzbar ist, stehe für eine Nähe zur Universität und lehne sich an „Unique“an, den englischen Begriff für Einzigartig. „Und das soll es auch werden.“Platz für 1500 Arbeitsplätze werde entstehen, auf einem Gelände, von dem Aushub gebaggert werde, der 4500 Lkw-Ladungen entspreche.
„Das ist wirklich ein ganz besonderer Tag“, sagt OB Gunter Czisch. Ludwig Merckle bezeichnete das Stadtoberhaupt als „Ulmer Unternehmer“, der hier nachhaltig investiere, weil er beständig dem 100-MillionenBau verbunden bleibe. „So ein Großprojekt gab es noch nie“, so Czisch. Höchstens vielleicht das DaimlerForschungszentrum. „Aber das ist schon eine Weile her.“Diese Investition mache die Stadt deswegen ein bisschen stolz. Es gebe viele positive Botschaften aus der Wissenschaftsstadt in den vergangenen Monaten.
Auch die Enttäuschung über das
Aus für das Daimler-Forschungszentrum ist verraucht: Oben stehen jetzt neue Namen: Quantentechnologie und Quanten-Computing unter dem Logo des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. „Ein Riesenthema, für das wir weit über Europa hinaus eine Adresse werden.“Die neuen Arbeitsplätze in Ulm seien in Feldern angesiedelt, die „pure Zukunftsfähigkeit“ausdrücken würden. In dieser Linie stehe auch das Merckle-Projekt, das ein „starkes Zeichen“darstelle.
Professor Michael Weber, Präsident der Universität Ulm betonte, dass er eine Entwicklung in der Wissenschaftsstadt sehe, die den Standort in Sachen Zukunftsfähigkeit gut vorbereite. Eine derartige dynamische Entwicklung unter Einbeziehung sämtlicher Zukunftstechnologien sei in Deutschland an anderen Orten „ganz, ganz selten der Fall.“
Was der Region bislang etwas gefehlt habe, ist, dass die über 1800 Absolventen auch in der Region ihre Arbeitsplätze finden könnten. Start-ups gebe es eher in Metropolen wie München. Umso begrüßenswerter sei dieses „grandiose Investment“, das auf das bestehende und immer größer werdende Netzwerk zwischen Forschung und Praxis aufbaue. „Davon profitiert die ganze Region.“