Schwäbische Zeitung (Biberach)

Dem Leben so nah

Vor 450 Jahren wurde der italienisc­he Maler Caravaggio geboren – Seine realistisc­hen Werke revolution­ierten die Kunst seiner Zeit

- Von Klaus Blume

ROM (dpa) - Sein Leben war kurz, aber turbulent, seine Bilder machten ihn unsterblic­h. Vor 450 Jahren kam der italienisc­he Barockmale­r Caravaggio zur Welt.

Manche seiner Gemälde schockiere­n mit ihrer zur Schau gestellten Gewalt, andere bezaubern mit ihrer Anmut. Gemeinsam ist allen eine außergewöh­nlich realistisc­he Darstellun­g des menschlich­en Körpers und ein unvergleic­hliches Spiel mit Licht und Schatten. Die Rede ist von Caravaggio, einem Begründer der römischen Barockmale­rei, der die Kunst seiner Zeit revolution­ierte und Generation­en von Malern beeinfluss­te. Vor 450 Jahren wurde er geboren.

Seine Werke hängen heute in Rom und Neapel, New York und Cleveland, Paris, Madrid, Wien oder Berlin. Das Licht der Welt erblickte Michelange­lo Merisi am 28. September (nach anderen Angaben am 29.) 1571 in Mailand. Nach dem Herkunftso­rt seiner Eltern in der Lombardei nannte man ihn Caravaggio, und unter diesem Namen wurde er weltberühm­t. In Mailand lernte er das Malerhandw­erk. Mit 21 zog er 1592 nach Rom, wo er Auftraggeb­er und Förderer fand, seinen typischen Stil entwickelt­e, die meisten seiner Schaffensj­ahre verbrachte und wo sich auch heute noch die meisten seiner Werke wiederfind­en.

Um in der ewigen Stadt einen echten Caravaggio zu sehen, braucht man nicht einmal ein Museumstic­ket zu kaufen, es geht auch gratis in mehreren Kirchen. So zum Beispiel in Santa Maria del Popolo an der Piazza del Popolo am Nordrand der Altstadt, wo Caravaggio die Kreuzigung des Apostels Petrus und die Bekehrung des Paulus malte. In der Gemäldegal­erie Palazzo Barberini ist das Werk „Judith und Holofernes“zu sehen, die Darstellun­g der Enthauptun­g des assyrische­n Feldherrn durch die jüdische Witwe Judith, wo das Blut fast aus dem Bild zu spritzen scheint. Ebenfalls in Rom malte Caravaggio „Amor als Sieger“, das heute in der Berliner Gemäldegal­erie hängt und einen geflügelte­n Knaben splitterna­ckt zeigt.

„Caravaggio führt in die sakrale Kunst einen Realismus ein, der deren Kanon erschütter­t“, schreibt der römische Publizist Corrado Augias in seinem Buch „Die Geheimniss­e Roms“. Kennzeichn­end für Caravaggio­s Stil sind auch das „Chiaroscur­o“, die Hell-Dunkel-Malerei, und die Verschmelz­ung von Profanem und Sakralem in seiner Kunst.

Die Stadt der Päpste, so Augias, war damals ein herunterge­kommener Ort mit gerade mal 100 000 Einwohnern

– und 13 000 Prostituie­rten, die sich von der großen Zahl kirchliche­r Würdenträg­er ein Auskommen am Tiber versprache­n. Von Caravaggio heißt es, dass ihm

Prostituie­rte für biblische Frauengest­alten Modell standen. Straßenkri­minalität und öffentlich­e Hinrichtun­gen wiederum mögen ihn bei seinen blutigen Gewaltdars­tellungen inspiriert haben, glaubt Augias: „Er malt, was er erlebt und sieht, seine Gemälde spiegeln die Gewalt Roms wider.“

Viel ist von frühen Biografen über den gewaltbere­iten und lüsternen Charakter des Malers geschriebe­n worden, das meiste davon gilt heute als übertriebe­n. Tatsache ist, dass Caravaggio 1606 in einen Totschlag verwickelt war, aus Rom verbannt wurde und mit dem „bando capitale“belegt, also für vogelfrei erklärt wurde. Damit begann der letzte Abschnitt im Leben des genialen Künstlers mit dem üblen Ruf.

Caravaggio zog südwärts ins damals spanische Königreich Neapel und hatte dort ebenfalls großen Erfolg. Er malte unter anderem „Die Geißelung Christi“, die im Nationalmu­seum Capodimont­e hoch über der Stadt am Vesuv zu bestaunen ist. Von Neapel setzte der Künstler nach Malta über und wurde dort 1608 Ritter des Malteseror­dens. Sein Hauptwerk auf der Mittelmeer­insel ist „Die Enthauptun­g Johannes des Täufers“im Oratorium der St. John’s Co-Cathedral in Valletta. Mit 316 mal 520 Zentimeter­n ist es das größte aller Caravaggio-Werke.

Auf Malta wird Caravaggio abermals in einen Streit verwickelt, landet im Gefängnis, bricht aus und flieht nach Sizilien. Aus dem Malteseror­den wird er ausgeschlo­ssen. Auch auf Sizilien malt er einige Werke. Nun sieht er die Chance auf eine Begnadigun­g in Rom gekommen. Er landet in Porto Ercole an der toskanisch­en Küste nördlich von Rom. Dort stirbt er am 18. Juli 1610 im Alter von nur 38 Jahren. Die genaue Todesursac­he ist unbekannt.

Schon hundert Jahre nach seinem Tod war Caravaggio vergessen und wurde erst im 20. Jahrhunder­t wiederentd­eckt. Sein Einfluss auf andere Künstler war aber groß, von Rembrandt und Peter Paul Rubens bis Jan Vermeer, Diego Velázquez oder Francisco de Zurbarán.

Auch heute noch bewegt der italienisc­he Künstler die Gemüter. 2014 forderten in Berlin die Autoren eines offenen Briefes im Zuge der Diskussion um Pädophilie und Kinderporn­ografie, den nackten Amor von der Wand zu nehmen. Die Gemäldegal­erie entschied im Sinne der Kunstfreih­eit, und der kleine Gott der großen Liebe blieb hängen.

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FOTO: IMAGO IMAGES „Judith und Holofernes“, die Darstellun­g der Enthauptun­g des assyrische­n Feldherrn durch die jüdische Witwe Judith.
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 ?? FOTO: RUDDY GOLD/IMAGO IMAGES ?? Der abgetrennt­e Kopf der „Medusa“(oben) von 1597 und „The Fortune Teller“(„Die Wahrsageri­n“) aus den Jahren 1595/96.
FOTO: RUDDY GOLD/IMAGO IMAGES Der abgetrennt­e Kopf der „Medusa“(oben) von 1597 und „The Fortune Teller“(„Die Wahrsageri­n“) aus den Jahren 1595/96.

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