Schwäbische Zeitung (Biberach)

Impfzentru­m schließt – So geht es weiter

Warum das Team in Ummendorf heute frustriert ist und was die Folgen der Schließung sind

- Von Andreas Spengler

UMMENDORF - Rund 95 000 Impfungen wurden im Ummendorfe­r Impfzentru­m seit Januar durchgefüh­rt. Am Donnerstag endet nun eine kleine Ära: Das Zentrum in der Gemeindeha­lle schließt. Die Euphorie der ersten Monate hat sich bei vielen Mitarbeite­rn inzwischen in Frust verwandelt. Wie es jetzt weitergeht.

Der ärztliche Leiter des Impfzentru­ms, Jobst Isbary, erinnert sich noch an die Zeit, als der Impfstoff gegen Covid-19 ein knappes Gut war. Damals seien die Impflinge voller Freude in die Gemeindeha­lle gekommen. Die Hoffnung auf einen Aufbruch sei bei allen spürbar gewesen. Irgendwann folgten Wochen, in denen sogar fast 1000 Personen an einem Tag geimpft wurden. Heute hingegen sind es an guten Tagen noch rund 300 Personen, die in Ummendorf oder über die mobilen Impfteams ihre Spritze erhalten. „Wir hätten gerne noch sehr viel mehr geimpft“, erklärt Isbary. Das Impfzentru­m hält er dennoch für ein Erfolgspro­jekt. Inzwischen aber sei es „nicht mehr verantwort­bar“die Impfzentru­m weiter zu betreiben. „Alle Steuerzahl­er zahlen dafür, aber es wird kaum mehr in Anspruch genommen.“

Schwierig seien vor allem die Gespräche mit den Impflingen geworden. „Inzwischen hören wir da viel Missmut und Skepsis.“Dem pflichtet auch Johannes Reck aus Ummendorf bei. Reck ist Impfarzt im Impfzentru­m. Er erzählt, dass in jüngster Zeit vermehrt Impflinge ins Zentrum kommen, die eigentlich gegen die Impfung seien, aber sich nur aufgrund der gesetzlich­en Regelungen impfen ließen.

„Die Argumente, die ich da zu hören bekomme, haben nichts mehr mit sachlichen Nachfragen von vernünftig­en Leuten zu tun“, betont er. Eine Frau Mitte Dreißig zum Beispiel sei mit ihrem Ehemann zur Impfung gekommen und wollte den VektorImpf­stoff von „Johnson und Johnson“verabreich­t bekommen. Vektorimpf­stoffe lösen in seltenen, aber signifikan­t häufigen Fällen Hirnvenent­hrombosen bei Frauen unter 60 aus.

„Meine Empfehlung, den Impfstoff von Biontech zu wählen, der dieses Risiko nicht hat, auch wenn er zwei Mal verabreich­t werden muss, konterte der Ehemann: Er sei Schichtarb­eiter und habe keine Zeit, seine Frau dauernd zum Impfen herumzufah­ren. Und außerdem sei ja jede Impfung Gift. Deshalb wäre es doch wohl besser, nur ein Mal Gift zu spritzen als zwei Mal“, erzählt Reck.

Diese und weitere solcher Gespräche hätten ihn „sprachlos“zurückgela­ssen. „Was kann man so jemandem antworten? Wer sich so faktenfern, sinnfrei und konsequent von lästigen Zwängen der logischen Überprüfun­g seiner Äußerungen befreit hat, den kann man nicht mit sachlichen Argumenten überzeugen, wie sich das manche Politiker wünschen.“

Die einzige Möglichkei­t dafür sieht Reck darin, den Druck auf die Impfgegner zu erhöhen. „Auf Überzeugun­g mit sachlichen Argumenten kann man nicht hoffen.“Er plädiere daher für eine Einführung der 2GRegel in allen Bereichen außer den lebensnotw­endigen wie im Lebensmitt­elhandel und befürworte den Wegfall der Lohnfortza­hlung bei Quarantäne von Ungeimpfte­n und die Kostenpfli­cht von Corona-Tests bei Ungeimpfte­n.

„Dieser Druck wirkt. Das merke ich ja bei meiner Tätigkeit im Impfzentru­m ganz deutlich.“Reck fügt hinzu: „Ich kann nicht einsehen, dass die medizinisc­he Sicherheit der Bevölkerun­g von nicht sachlich Argumentie­renden bedroht werden darf und die Gesellscha­ft insgesamt auch noch für die Kosten dieser irrational­en Verweigeru­ngshaltung eintreten soll.“

In den kommenden Wochen soll das Impfzentru­m in der Gemeindeha­lle schrittwei­se abgebaut werden. Der verblieben­e Impfstoff wird an die mobilen Impfteams und die verbleiben­den Zentren weitergele­itet. Jobst Isbary betont, die ärztliche Leitung des Zentrums sei „eine ganz tolle Erfahrung“gewesen. Jetzt aber müsse sich die Gesellscha­ft auf „ein Leben mit Covid einrichten“. Er hoffe, dass sich im Herbst noch mehr Menschen impfen lassen und dann irgendwann ein Ende der Pandemie in Sicht ist.

Die Impfungen werden nun nach der Schließung des Kreisimpfz­entrums noch stärker als bisher durch niedergela­ssene Ärztinnen und Ärzte sowie die Betriebsär­zteschaft durchgefüh­rt. Für eine Übergangsz­eit von drei Monaten wird es zusätzlich weiterhin Impfteams in Baden-Württember­g geben, um die niedergela­ssene Ärzteschaf­t zu unterstütz­en. Der Landkreis Biberach wird hierbei künftig vom mobilen Impfteam, das im Krankenhau­s Ravensburg stationier­t ist, versorgt.

Mittlerwei­le haben rund 60 Prozent der Menschen im Landkreis Biberach mindestens eine erste Impfung erhalten, 57 Prozent sind bereits voll immunisier­t. Die Schließung in Ummendorf hat auch zur Folge, dass mögliche Zweittermi­ne dort nicht mehr stattfinde­n können. Wenn die Zweitimpfu­ng ab Oktober stattfinde­n soll, sei es wichtig, rechtzeiti­g Kontakt mit einer Hausarztpr­axis aufzunehme­n, um einen Termin für die Zweitimpfu­ng zu vereinbare­n, heißt es in einer Ankündigun­g des Biberacher Landratsam­ts.

Wer keine feste Hausarztpr­axis hat, kann auf der Internetse­ite der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g BW www.kvbawue.de den Standort der nächstgele­genen Corona-Schwerpunk­tpraxis finden, um einen Zweitimpfu­ngstermin zu vereinbare­n.

Für die Terminvere­inbarung sei es wichtig, dass der Mindestabs­tand zwischen Erst- und Zweitimpfu­ng eingehalte­n wird und auch, dass der Termin mindestens zwei Wochen vor der fälligen Impfung mit der Arztpraxis vereinbart wird.

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FOTOS: ANDREAS SPENGLER Ein Bild vom Tag der Eröffnung des Impfzentru­ms im Januar. Inzwischen bleiben wieder viele Stühle unbesetzt, weil nur noch wenige Menschen sich gegen Covid-19 impfen lassen.
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Der ärztliche Leiter des Ummendorfe­r Impfzentru­ms, Jobst Isbary.

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