Schwäbische Zeitung (Biberach)
Widerstand gegen Gewerbegebietspläne
Rund 70 Bürger diskutieren mit Vertretern der Stadtverwaltung über das „IGE Flugplatz“
BIBERACH - „Hier kein Gewerbegebiet“, „Das ist unser Naherholungsgebiet“– mit diesen Schildern haben rund 70 Menschen gegen ein mögliches Gewerbegebiet nordwestlich des Stadtteils Fünf Linden protestiert. Zum Ortstermin am frühen Montagabend waren auch Baubürgermeister Christian Kuhlmann und Stadtplanungsamtsleiter Roman Adler gekommen, ebenso wie mehrere Stadträte verschiedener Fraktionen.
„Wir sehen uns als Verlierer in diesem Thema“, fasste Karl Schley die Sorgen der Anwohner zusammen, deren Gefühlslage auch das Wetter an diesem Herbstabend unterstrich: Während die untergehende Sonne die Wiesen noch in warmes Licht tauchte, standen am Himmel bereits erste Regenwolken.
Rund 16 Hektar Fläche in Verlängerung der Nordwestumfahrung, bislang vorwiegend landwirtschaftlich genutzt, sind im Entwurf des Flächennutzungsplans (FNP) 2035 als mögliches Interkommunales Gewerbegebiet (IGE) „Flugplatz“vorgesehen. Zusammen mit der Gemeinde Mittelbiberach will die Stadt dort Flächen für Firmen aus der Region zur Verfügung stellen, die expandieren wollen.
„Wir wollen die Fläche zunächst einmal im FNP vorhalten“, sagte Kuhlmann, „es geht nicht darum, dass hier in zwei Jahren schon die Bagger kommen.“Man rede über einen Zeithorizont von zehn bis 15 Jahren. „Allein, dass Sie die Fläche vorhalten wollen, ist uns eigentlich schon zu viel“, konterte Martin Schmidt, einer der Organisatoren der Bürgerinitiative, die sich gegen das Gewerbegebiet wehrt.
Die rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung, meist Bewohner aus Fünf Linden, schilderten den Vertretern der Stadtverwaltung die Argumente, die aus ihrer Sicht ein Gewerbegebiet an dieser Stelle nicht zulassen: Es handle sich um das Naherholungsgebiet für die Menschen, die hier wohnen. Des Weiteren gehe eine Gewerbeansiedlung zu Lasten der Landwirtschaft. Ökonomie werde hier klar vor Ökologie gesetzt. Die Flächen seien zudem wichtig als Frischluftschneise für die angrenzenden Wohngebiete.
Konkret befürchten die Anwohner durch ein Gewerbegebiet auch Lärm und mehr Verkehr. Geäußert wurde auch die Sorge, dass die Gewerbeansiedlung im Lauf der Zeit bis zur Mittelbiberacher Steige hin ausgedehnt werden und das jetzige Wohngebiet komplett umschließen könnte. Weshalb man denn Gewerbeansiedlungen überhaupt so nah an ein Wohngebiet setzen will und warum es zwingend in Biberach sein müsse, wenn man doch interkommunal plane, lauteten weitere Fragen der Bürger. „Wenn man interkommunal denkt, dann sollte es doch ein Gewinn für alle sein, aber wir sind hier die Verlierer, weil wir am stärksten betroffen sind“, sagte Karl Schley von der Bürgerinitiative. Diese appellierte an die Verwaltung, zunächst innerorts nach geeigneten Flächen zu suchen anstatt neue zu versiegeln.
Kuhlmann und Adler versuchten den Befürchtungen entgegen zu treten. Man befinde sich ganz am Anfang eines Prozesses. Beide sicherten zu, dass die Bedenken der Anwohner in den Abwägungsprozess einfließen. „Am Ende ist das eine politische Entscheidung, die der Gemeinderat treffen muss“, sagte Kuhlmann.
Die 16 Hektar, die als IGE Flugplatz in den FNP aufgenommen werden sollen, seien nicht aus der Luft gegriffen, sondern orientierten sich an konkreten Werten, die bestimmte Firmen und auch die Bürgermeister der Verwaltungsgemeinschaft Biberach benannt hätten. Außerdem spiele die statistische Entwicklung der Firmen mit hinein. Man habe diese Zahlen 2015 erhoben und ganz aktuell auch nach Corona nochmals. „Der Bedarf ist nicht geringer geworden, er hat sich bestätigt“, sagte Adler. Wichtig sei dabei auch, dass es nicht darum gehe, Firmen von außerhalb neu anzusiedeln, ergänzte Kuhlmann: „Es geht unter anderem um kleine und mittlere Betriebe, die bereits in der Region sind, die an ihre Grenzen stoßen und erweitern möchten.“Bei der Auswahl geeigneter Flächen sei die Stadt allerdings nicht völlig frei. Der nun vorgeschlagene Standort eigne sich aufgrund seiner Nähe zur B 312 und der NordwestUmfahrung. Klar sei, dass kein Gewerbeverkehr durch das Wohngebiet geführt werde, so Kuhlmann. Außerdem werde zwischen Gewerbe- und Wohngebiet ein Grünzug angelegt, wenn es denn zu einer Gewerbeansiedlung komme.
Ein Gewerbegebiet könne auch nicht fernab einer Wohnbebauung einfach in die Landschaft gesetzt werden, sagte Kuhlmann. Laut Raumordnungsgesetz müsse es an eine bebaute Fläche „angebunden“werden. Außerdem könne dies nur an „zentralen Orten“geschehen. Das seien im Bereich der Verwaltungsgemeinschaft Biberach nur Biberach und Eberhardzell, so Kuhlmann. „Das sind rechtliche Vorgaben, die wir neben Ihren Argumenten auch berücksichtigen müssen“, sagte der Baubürgermeister.
Auch das immer wieder genannte Thema Innenverdichtung habe die Stadt im Blick. Derzeit versuche die Verwaltung, im Bereich der HermannVolz-Straße bestehenden Betrieben die Möglichkeit zu einer Erweiterung zu schaffen. „Aber auch dort gibt es Anwohner, die gegen eine solche Entwicklung sind“, so Kuhlmann.