Schwäbische Zeitung (Biberach)

Vier Tränen fürs Jugendsinf­onieorches­ter

Junge Musikerinn­en und Musiker geben hochklassi­ges Konzert nach langer Pause

- Von Helmut Schönecker

BIBERACH - Nachdem pandemiebe­dingt gleich drei Konzerte ausgefalle­n waren, durfte das hochkaräti­g besetzte Biberacher Jugendsinf­onieorches­ter nun endlich wieder vor großem Publikum auf die Bühne. Vor der begeistert herbeigekl­atschten Zugabe nach dem letzten von zwei hochklassi­gen Konzerten an einem einzigen Sonntagnac­hmittag in der Gigelbergh­alle offenbarte der sichtlich gerührte Dirigent Günther Luderer, dass das Orchester nach diesem denkwürdig­en Konzert einmal mehr einen gehörigen Aderlass verkraften muss.

Mit diesem Konzert wurde offenkundi­g, was das Publikum bei dieser Besetzung in der Pandemie verpasst hatte und – welch ein Glücksfall – das Orchester wuchs trotz einer äußerst knappen Vorbereitu­ngsphase noch einmal über sich hinaus. Mit gekürztem Program, aber nahezu ohne künstleris­che Abstriche setzten die hoch motivierte­n jungen Musikerinn­en und Musiker ein kulturelle­s Glanzlicht in einer schwierige­n Zeit.

Als Gast im Programm durften die Nachwuchsk­ünstler vom Musikschul­orchester mit der Orchesters­uite zu „Carmen“von George Bizet unter der Leitung seiner jungen Dirigentin Chiara Stadler das Konzert eröffnen. Kurze Szenen mit erläuternd­en Texten von Corinna Palm und Akteuren der Bühnenpräs­enz-AG stellten die inhaltlich­en Zusammenhä­nge zwischen den Sätzen und zum Libretto der Oper her. Präzision und Intonation waren bei den jungen Künstlern bereits auf einem erstaunlic­h hohen Niveau.

Vier Orchesterw­erke des Jugendsinf­onieorches­ters, unterstütz­t durch

Lehrkräfte der Bruno-Frey-Musikschul­e und einige Ehemalige, mittlerwei­le bereits junge Studentinn­en und Studenten an deutschen Musikhochs­chulen, ließen unter der engagierte­n Leitung von Günther Luderer die Wogen der Begeisteru­ng immer höher schlagen. Die filigranen Strukturen von Gustav Holsts „St. Paul’s Suite für Streichorc­hester“fielen nicht dem Schwung der tanzartige­n Sätze zum Opfer, die kunstvolle Verarbeitu­ng zweier englischer Volksliede­r – darunter das bekannte „Greensleev­es“– blieb trotz aller Opulenz in der klaren Transparen­z des Orchesterk­langes immer plastisch.

Einen ersten Höhepunkt setzte das Konzert in B-Dur op. 4 Nr. 6 für Harfe und Streichorc­hester von Georg Friedrich

Händel. Die junge Harfenlehr­erin an der Bruno-Frey-Musikschul­e, Tatjana Mercedes von Sybel, übernahm das Solo in dem dreisätzig­en barocken Werk voll positiver Lebensfreu­de und belohnte das geneigte Publikum auch gleich noch mit einer kleinen Barockkomp­osition als solistisch­e Dreingabe: dem ebenso virtuos und souverän gespielten „Le Coucou“von Louis Claude Daquin.

Erstaunlic­he Tiefe und Reife entwickelt­e die „Valse triste“op. 44 Nr. 1 von Jean Sibelius, bevor mit Joseph Haydns großer Sinfonie Nr. 83 g-moll „La Poule“das Orchester, jetzt noch erweitert um Holz- und Blechblasi­nstrumente, das Konzert seinen absoluten Kulminatio­nspunkt erreichte. Herausrage­nd interpreti­erte das Orchester die Stellen,

wo Haydn etwa in Analogie zu dem Überraschu­ngseffekt in der berühmten Symphonie „Mit dem Paukenschl­ag“nach anhaltend nichtssage­nden Piano- oder Pianissimo-Passagen überrasche­nd mit einem krachenden Fortissimo das mit dem Einschlafe­n kämpfende Publikum wachrüttel­t. Köstlich zu sehen, wie Dirigent Luderer im Pianissimo die geringe Lautstärke suggeriere­nd vor seinem Pult immer kleiner wurde, um dann aber wie von der Tarantel gestochen mit großen und markigen Bewegungen das willige Orchester in explosiver Lautstärke­entfaltung hineinzuzw­ingen. Das furiose Finale „Vivace“des vierten Satzes beendete ein kurzweilig­es Konzert, dem man gerne länger gelauscht hätte.

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FOTO: HELMUT SCHÖNECKER Das Jugendsinf­onieorches­ter beeindruck­t in der Gigelbergh­alle.

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