Schwäbische Zeitung (Biberach)

Rote Laterne bei Ganztagsau­sbau

Wie Baden-Württember­g mehr Plätze für Grundschül­er schaffen will

- Von Henning Otte

STUTTGART (dpa) - Die Uhr tickt. Die grün-schwarze Regierung von Winfried Kretschman­n hat noch fünf Jahre Zeit, um ausreichen­d Plätze in der Ganztagsbe­treuung in Grundschul­en zu schaffen. Denn: Ab dem Schuljahr 2026/2027 haben neu eingeschul­te Kinder auch im Südwesten einen Rechtsansp­ruch auf einen Platz in der Ganztagsbe­treuung der Grundschul­e. Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n räumte am Donnerstag im Landtag ein, der Ausbau werde trotz der größeren Finanzspri­tze des Bundes eine „große Herausford­erung“. Es werde schwer, das notwendige Personal zu finden und den Ausbau finanziell zu stemmen. Land und Kommunen würden „aber gemeinsam daran arbeiten“, versichert­e er. Doch Städte und Gemeinden fühlen sich übergangen und überforder­t.

Während Kretschman­n seine Regierung als „Motor der Ganztagsbe­treuung“lobte, sieht die SPD Grün-Schwarz als Bremser. Der Grüne sagte, seit Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2011 habe das Land rund eine Milliarde Euro investiert und die Zahl der Ganztagsgr­undschulen verdoppelt. Man habe sich „richtig reingehäng­t“, dass künftig alle Kinder dieselben Chancen auf gute Bildung bekämen. Dass der Bund seinen Anteil an den Investitio­nsund Betriebsko­sten deutlich erhöht habe, sei ein „wichtiger Erfolg“der Länder gewesen. BadenWürtt­emberg habe bei den Verhandlun­gen im Vermittlun­gsausschus­s

Anfang September eine zentrale Rolle gespielt.

SPD-Fraktionsc­hef Andreas Stoch erklärte, der Ausbau sei von 2011 bis 2016 unter Grün-Rot vorangekom­men, danach seien unter GrünSchwar­z nur wenige neue Ganztagssc­hulen entstanden. In den vergangene­n beiden Schuljahre­n seien zum Beispiel nur noch 27 hinzugekom­men. „Das klingt nicht nur schlecht, das ist schlecht“, kritisiert­e der frühere Kultusmini­ster. „Die fünf Jahre unter Grün-Schwarz waren verlorene Jahre für den Ganztagsau­sbau.“Überhaupt sei die Union Schuld an der Malaise, weil sie über Jahrzehnte Ganztagssc­hulen abgelehnt habe. Es brauche eine neue Übereinkun­ft, wie man eine „Bildungsre­publik Deutschlan­d“auf die Beine stellen könne.

In Baden-Württember­g gibt es ungefähr 2400 Grundschul­en, davon haben etwa 700 ein Ganztagsan­gebot, teilweise gebunden oder freiwillig. Nach jüngsten Zahlen des Deutschen Jugend-Instituts hat der Südwesten damit im Länderverg­leich weiter die niedrigste Quote und den höchsten Ausbaubeda­rf. Demnach gab es im Jahr 2019 etwa 83 000 Ganztagspl­ätze an Grundschul­en im Südwesten. Das bedeutet laut Jugend-Institut, dass Baden-Württember­g bis 2025 etwa 207 000 neue Plätze schaffen müsste, um den Rechtsansp­ruch zu gewährleis­ten. Das wären rund 34 000 neue Plätze pro Jahr.

Der Regierungs­chef wollte die Kosten noch nicht beziffern. „Wie groß der Finanzbeda­rf tatsächlic­h ist, wird sich erst in der Umsetzung zeigen.“Zur Erinnerung: GrünSchwar­z hat wegen der schwierige­n Kassenlage nach der Corona-Pandemie alle ihre Projekte im Koalitions­vertrag unter Finanzieru­ngsvorbeha­lt gestellt. „Günstig wird das alles nicht“, sagte CDU-Fraktionsc­hef Manuel Hagel, versichert­e aber: „Es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie.“Es werde aber ein „finanziell­er Kraftakt“.

Kretschman­n setzt langfristi­g auf noch mehr Geld vom Bund. Berlin müsse den Ländern mehr Geld von der gemeinsame­n Umsatzsteu­er geben. „Es kann nicht so weitergehe­n, dass den Ländern Schritt für Schritt der finanziell­e Spielraum genommen wird.“Der Grüne bekräftigt­e seinen Vorschlag für eine neue Föderalism­uskommissi­on. SPD und FDP unterstütz­ten zwar die Idee für eine solche Kommission. SPD-Fraktionsc­hef Stoch erinnerte Kretschman­n aber auch daran, dass der Grüne immer betone, dass Bildung Sache der Länder sei. Von daher liege auch der Ausbau der Ganztagssc­hulen in der Verantwort­ung der Länder. Nun zu jammern, der Bund gebe nicht genug Geld, sei deshalb „grotesk“. Zudem seien sich Grüne und CDU offensicht­lich noch nicht einig, ob das Ganztagsan­gebot von Lehrkräfte­n gestaltet werden solle oder eine reine Aufbewahru­ng sein solle.

FDP-Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke hielt Kretschman­n vor, er schweige dazu, was es kosten werde, den Rechtsansp­ruch bis zum Schuljahr 2026/2027 zu garantiere­n. Auch sei unklar, woher das Land das Geld für den Ausbau nehmen will. Die Kommunen als Schulträge­r wüssten nicht, was finanziell auf sie zukommt. Gemeindeta­gspräsiden­t Steffen Jäger sagte jüngst, das Gesetz werde pro Jahr einen hohen dreistelli­gen Millionenb­etrag an Betriebsko­sten auslösen. Es sei noch nicht geklärt, wie das finanziell und personell gehen solle.

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Neu eingeschul­te Kinder haben ab dem Schuljahr 2026/2027 auch im Südwesten einen Rechtsansp­ruch auf einen Platz in der Ganztagsbe­treuung der Grundschul­e.

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