Schwäbische Zeitung (Biberach)

Laschets Rücktritt auf Raten

Der Unionskanz­lerkandida­t läutet seinen Abschied von der Parteispit­ze ein

- Von Claudia Kling

BERLIN - Das Eis, auf dem Armin Laschet steht, war von Anfang an dünn. Mit knapp 53 Prozent hatte er im Januar die Stichwahl um den CDU-Vorsitz gegen Friedrich Merz gewonnen. Er strahlte und sah sich wohl schon auf dem Weg ins Kanzleramt. Doch nun ist alles anders: Seine politische Karriere könnte in absehbarer Zeit zu Ende sein, der Traum vom Kanzleramt weitgehend ausgeträum­t. Demnächst kann er in aller Ruhe seine berufliche­n Alternativ­en sondieren – denn für den Ruhestand ist der 60Jährige eigentlich noch zu jung.

Wenn sich Laschet nach dem CDU-Parteitag, den er am Donnerstag angekündig­t hat, gänzlich aus der Öffentlich­keit zurückzieh­en würde, wäre das nicht weiter verwunderl­ich. Der CDU-Vorsitzend­e, der am 23. Oktober auch das Amt des Ministerpr­äsidenten in Nordrhein-Westfalen abgibt, ist in den Monaten seit seiner Wahl auf so viel Geringschä­tzung gestoßen wie kein anderer Parteichef vor ihm.

Vor allem aus dem Süden blies ihm nahezu beständig heftiger Gegenwind ins Gesicht. Zum letzten Mal am Mittwoch, als der CSU-Vorsitzend­e Markus Söder bei einer Pressekonf­erenz in München die Option auf eine Jamaika-Koalition begrub. Es gehe nun auch um „Selbstacht­ung und Würde“, argumentie­rte Söder. Auch das wieder ein Seitenhieb auf den Chef der großen Schwester. Denn Laschet hatte in Düsseldorf – wie nun am Donnerstag in Berlin – angekündig­t, zu weiteren Gesprächen über Jamaika bereit zu sei, sollten Grüne und FDP ihre Entscheidu­ng pro Ampel revidieren. In der Söderschen Argumentat­ionslinie zeigt er also weder Selbstacht­ung noch Würde.

Für den nur 1,72 Meter großen Laschet ist der nahezu zwei Meter große bayerische Regierungs­chef ein in der Tat übermächti­ger Gegner. Gegen Söders „Angebot“, die Kanzlerkan­didatur der Union zu übernehmen, setzte sich Laschet im April zwar mit erstaunlic­hem Beharrungs­vermögen durch, aber angezählt war er dennoch von Anfang an. Vor allem die CDU-Mitglieder im Süden und Osten der Republik, die gerne Friedrich Merz als Parteivors­itzenden gesehen hätten, wechselten nicht mit Begeisteru­ng zu Laschet, sondern zum bayerische­n Ministerpr­äsidenten. Entspreche­nd engagiert verlief der Wahlkampf für den CDU-Chef in einigen Wahlkreise­n. Weder wurde für ihn plakatiert noch wurde er zu Veranstalt­ungen eingeladen.

Dazu kamen die eigenen Fehler des Unionskanz­lerkandida­ten: Der Lacher in der schlimmste­n Hochwasser­katastroph­e, die das Land Nordrhein-Westfalen je heimgesuch­t hat. Die verpasste Gelegenhei­t, sich als Kümmerer zu präsentier­en. Das Zukunftste­am, das der schwache Kandidat erst dann vorstellte, als es dafür viel zu spät war. Die thematisch­e Behäbigkei­t im Wahlkampf, als schon längst klar war, dass es für die Union ernst und bitter werden könnte. Söder und seine engsten Vertrauten wie CSU-Generalsek­retär Markus Blume und Spitzenkan­didat Alexander Dobrindt sprachen bereits genüsslich davon, es gehe nicht darum, „mit dem Schlafwage­n ins

Kanzleramt zu fahren“. Wählerstim­men kostete Laschet aber auch sein Unvermögen, präzise Antworten zu geben, schlagfert­ig zu sein.

Die Pressekonf­erenz am Donnerstag­abend im Konrad-AdenauerHa­us ist dafür ein Beispiel. Nachdem Laschet gesprochen hatte, war eigentlich niemandem so ganz klar, was er jetzt genau angekündig­t hatte. Einen Rückzug auf Raten? Ein Verbleiben im Amt, wenn gewünscht? Zumindest, dass es einen Bundespart­eitag zur personelle­n Neuaufstel­lung geben soll, stand gegen 18.45 Uhr fest. Und dass diese Neuaufstel­lung über das Amt des CDU-Vorsitzend­en hinausgehe­n soll. „Vom Vorsitzend­en über das Präsidium bis hinein in den Bundesvors­tand“, wie Laschet sagte.

Für viele CDU-Bundestags­abgeordnet­e im Südwesten, von denen einige um ihr Direktmand­at zittern mussten, kann die Erneuerung gar nicht schnell genug kommen. Die Unzufriede­nheit ist riesig, allerdings nicht nur über den glücklosen Unionskanz­lerkandida­ten. Auch Söder machen viele verantwort­lich für das Wahldesast­er der Union, weil er Laschet vor sich hergetrieb­en und beständig gezündelt habe. Die Angst geht um, dass die Union von dieser Gespaltenh­eit weiter zerrieben werde und bei der nächsten Wahl noch schlechter abschneide­n könnte als am 26. September. Auch die Aussicht auf eine Erneuerung in der Opposition ist für eine Partei, die es gewohnt ist zu regieren, wenig motivieren­d. Umso schwerer fällt es einigen CDUMitglie­dern im Südwesten anzuerkenn­en, dass Jamaika wohl keine Option mehr ist.

Der baden-württember­gische CDU-Landeschef Thomas Strobl sprach am Mittwoch von selbst verschulde­ten Entwicklun­gen, „die uns an den heutigen Punkt gebracht haben“. Von CSU-Chef Söder war am Donnerstag zunächst nichts zu hören, nachdem Laschet seinen Rückzug auf Raten bekannt gegeben hatte.

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