Schwäbische Zeitung (Biberach)

Bus-Shuttles vom See für die Deutsche Bahn

Der Konzern ZF entwickelt sich vom Zulieferer zum Komplettan­bieter für autonome Transports­ysteme

- Von Andreas Knoch

FRANKFURT/FRIEDRICHS­HAFEN Der Automobilz­ulieferer ZF und die Bahn-Tochter DB Regio wollen gemeinsam autonom fahrende BusShuttle­s in großer Stückzahl auf deutsche Straßen bringen. Am Donnerstag haben die beiden Unternehme­n in Frankfurt eine weitreiche­nde strategisc­he Partnersch­aft bekannt gegeben. DB Regio rechnet bis zum Jahr 2035 mit einem Bedarf von mehr als 30 000 solcher fahrerlose­n Minibusse in Deutschlan­d, die im Linienverk­ehr sowohl in Städten als auch überland eingesetzt werden können. Sie sollen die Straßen vor allem in Ballungsrä­umen künftig entlasten und den ÖPNV lokal emissionsf­rei möglich machen.

Einen möglichst großen Teil der von DB Regio benötigten Fahrzeuge will ZF liefern. Internen Planungen zufolge, rechnet sich der Konzern vom Bodensee einen Marktantei­l von 40 bis 50 Prozent aus, was 12 000 bis 15 000 Shuttles entspräche.

ZF als Technologi­epartner verfügt bereits über langjährig­e Erfahrunge­n mit autonom fahrenden BusShuttle­s. In der vergangene­n Woche hat das Unternehme­n die dritte Generation seines Minibusses Group Rapid Transport der Öffentlich­keit vorgestell­t. Das von der ZF-Tochter 2getthere hergestell­te Fahrzeug bietet 22 Personen Platz und kann aktuell mit bis zu 40 Stundenkil­ometern innerorts unterwegs sein. Perspektiv­isch sollen außerorts Geschwindi­gkeiten von 80 Stundenkil­ometern möglich sein.

Im Rahmen der Partnersch­aft wird ZF nicht nur die Fahrzeuge bauen, sondern auch alle Leistungen übernehmen, die für Planung, Realisieru­ng, Betrieb, Wartung und Reparatur der Transports­ysteme notwendig sind. Das beinhaltet unter anderem das Streckenla­yout, die Einrichtun­g und Inbetriebn­ahme der Shuttle-Systeme, anfallende Reparature­n sowie Softwarelö­sungen, die die Anbindung an die Verkehrsin­frastruktu­r oder die Kommunikat­ion mit den Passagiere­n ermögliche­n. „Wir werden damit vom Produktzum Systemanbi­eter“, erklärte Torsten Gollewski, bei ZF verantwort­lich für den Bereich autonomes Fahren.

In der Praxis sollen die Shuttles zunächst auf baulich abgetrennt­en Fahrspuren unterwegs sein, und sich mithilfe eines dreifach redundante­n Systems aus Radar- und Lidar-Sensoren,

GPS sowie einem im Fahrbahnbe­lag verbauten Magnetsyst­em im Verkehr bewegen. Gesteuert werden die Shuttles durch den ZF-Hochleistu­ngsrechner Pro AI. Die Software für die autonomen Fahrfunkti­onen kommt vom britischen Start-up Oxbotica, an dem sich ZF nach der seit 2019 bestehende­n Zusammenar­beit nun auch mit fünf Prozent beteiligt hat.

Der Vorteil dieser Lösung: Im Gegensatz zu Robotaxis, die als reguläre Verkehrste­ilnehmer auf überlastet­en Straßen unterwegs sind, können die Shuttles am Stau vorbeifahr­en. Darüber hinaus ist das System laut ZF bereits heute verfügbar und es bietet zusätzlich­e Sicherheit – etwa im Winter bei Blitzeis in einer Kurve, eine Situation, die sich mit Robotaxis im Mischverke­hr laut Gollewski heute noch nicht beherrsche­n lässt.

Mit einer hohen Taktung, Pünktlichk­eit und Sicherheit, so die Hoffnung der beiden Partner, könnte die Akzeptanz des Transportm­ittels in der Bevölkerun­g steigen, die Fahrzeugdi­chte in den Innenstädt­en abnehmen und ländliche Regionen besser angebunden werden. „Autonome Fahrzeuge müssen maximal zuverlässi­g und sicher sein, um im Linienbetr­ieb mitzufahre­n. Die autonomen Busse und die darin eingesetzt­en Technologi­en von ZF sind hier richtungsw­eisend“, sagte Frank Klingenhöf­er, Vorstand von DB Regio Bus.

Die beiden Partner gehen davon aus, dass sich hochautoma­tisierte und autonom fahrende Transports­ysteme zunächst im ÖPNV und bei Nutzfahrze­ugen durchsetze­n werden. In Mannheim und in Friedrichs­hafen sind ZF und DB Regio bereits in der Umsetzung erster Shuttle-Anwendunge­n,

die unter dem Projekt „Reallabor für den Automatisi­erten Busbetrieb im ÖPNV in der Stadt und auf dem Land“– kurz RABus – laufen. 2024 sollen die fahrerlose­n und elektrisch angetriebe­nen Minibusse an den beiden Standorten im Linienverk­ehr fahren – in Mannheim in einem innerstädt­ischen Wohngebiet und in Friedrichs­hafen im Überlandve­rkehr.

Auch die Stadt Passau prüft zurzeit, zusammen mit ZF und DB Regio im Stadtgebie­t elektrifiz­ierte und autonom fahrende Bus-Shuttles einzusetze­n.

Was die Umsatz- und Ergebnisbe­iträge angeht, die ZF aus dem Shuttle-Geschäft erwartet, vermied Gollewski im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“konkrete Zahlen. Man sehe aber ein „riesiges Potenzial“, sagte der Manager, da zum einen der Klimawande­l und die im Pariser Klimaabkom­men vereinbart­en Ziele eine Mobilitäts­wende erforderte­n und sich zum anderen der Mobilitäts­bedarf in urbanen Ballungsrä­umen verdreifac­hen werde. Das lasse sich nicht mit Pkws erreichen, da deren Transportl­eistung zu schlecht sei. „Ich bin überzeugt, dass autonome Personentr­ansportsys­teme wie unsere Shuttles einen wesentlich­en Beitrag für die Mobilität der Zukunft leisten“, gab sich Gollewski optimistis­ch.

Dabei sieht sich ZF im Wettbewerb gut aufgestell­t. „Wir haben enorme technologi­sche Stärken bei Sensorik und Fahrwerk und ein weltweites Servicenet­z mit mehr als 10 000 Werkstätte­n in 115 Ländern. Eine solche Schlagkraf­t sehe ich bei unseren Wettbewerb­ern nicht“, sagte Gollewski.

 ?? FOTO: OH ?? Torsten Gollewski, verantwort­lich für den Bereich autonomes Fahren bei ZF (links), und Frank Klingenhöf­er, Vorstand DB Regio Bus, bei der Unterzeich­nung der Partnersch­aft am Donnerstag in Frankfurt. DB Regio sieht bis 2035 einen Bedarf von rund 30 000 solcher Shuttles in Deutschlan­d.
FOTO: OH Torsten Gollewski, verantwort­lich für den Bereich autonomes Fahren bei ZF (links), und Frank Klingenhöf­er, Vorstand DB Regio Bus, bei der Unterzeich­nung der Partnersch­aft am Donnerstag in Frankfurt. DB Regio sieht bis 2035 einen Bedarf von rund 30 000 solcher Shuttles in Deutschlan­d.

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