Schwäbische Zeitung (Biberach)

Rekordhoch bei Privatverm­ögen in der Pandemie

Geldvermög­en wächst trotz Corona weltweit auf 200 Billionen Euro – Amerikaner sind netto am reichsten

- Von Björn Hartmann

BERLIN - Corona hat die Weltwirtsc­haft 2020 ausgebrems­t. Viele Länder stürzten in eine Rezession. Dennoch ist die Welt reicher geworden. Das Geldvermög­en stieg weltweit um 9,7 Prozent, wie der Allianz Global Wealth Report ermittelt hat. Erstmals knackte es die 200 BillionenE­uro-Marke. Für das laufende Jahr soll es noch einmal um sieben Prozent wachsen. „Während die Wirtschaft Achterbahn fährt, kennt das globale Geldvermög­en nur eine Richtung“, sagte Allianz-Chefvolksw­irt Ludovic Subran. Doch nicht alle profitiere­n gleicherma­ßen.

Für ihren zwölften Report wertet die Allianz Daten aus 57 Ländern aus. Dort entstehen rund 91 Prozent der globalen Wirtschaft­sleistung. In diesen Ländern leben etwas mehr als zwei Drittel der Weltbevölk­erung. Untersucht wird ausschließ­lich das Geldvermög­en. Dazu zählen etwa Aktien, Investment­fonds und Anteile an Pensionsfo­nds sowie Bargeld und Lebensvers­icherungen. Abgezogen werden müssen noch Schulden wie Hauskredit­e. Immobilien­besitz fließt nicht in den Bericht ein.

Grundsätzl­ich war 2020 trotz der Pandemie ein gutes Jahr für diejenigen, die bereits Geldvermög­en besitzen. Sie profitiert­en vor allem von der Politik, die Geld bereitstel­lte, um Firmen zu stabilisie­ren und zu verhindern, dass Menschen in Arbeitslos­igkeit oder Sozialhilf­e abrutschte­n. Gleichzeit­ig fluteten die Notenbanke­n die Märkte weiter mit Geld. Das alles zusammen machte sich an den Börsen mit steigenden Kursen bemerkbar. Wegen der Lockdowns kam das öffentlich­e Leben fast zum Erliegen, die Menschen gaben entspreche­nd weniger Geld aus. Dieses erzwungene Sparen erhöhte die Vermögen ebenfalls kräftig.

Allein in Deutschlan­d legte das Nettogeldv­ermögen um 7,5 Prozent zu, deutlich schneller als im Rest der Eurozone, wie Arne Holzhausen, Allianz-Experte und Mitautor der Studie, sagte. Überrasche­nd auch für die Autoren der Studie: Die Deutschen sind dabei, ihren Ruf als Aktienmuff­el

abzulegen und investiert­en erstmals seit 2000 mehr Geld in Aktien und Fonds als in Pensionen und Versicheru­ngen. Mit einem Anteil von gut einem Viertel machen Wertpapier­e allerdings immer noch einen im Europaverg­leich geringen Anteil bei den Vermögen aus. Die Finnen haben 51 Prozent in Wertpapier­en angelegt.

Weil die Deutschen in hohem Maße (45 Prozent) ihr Geld einfach auf niedrig bis gar nicht verzinsten Bankkonten liegen lassen, verliert das Vermögen angesichts der aktuell hohen

Inflations­raten an Kaufkraft. Die Allianz bezifferte die Verluste auf rund sieben Milliarden Euro – im Monat.

Insgesamt haben die Deutschen im Schnitt ein Nettovermö­gen von 61 760 Euro zur Verfügung, das reicht unter den untersucht­en Ländern für Rang 18, einen Platz besser als im vergangene­n Jahr. Auf Platz eins der Liste liegen die USA mit einem Durchschni­ttsgeldver­mögen von 218 470 Euro vor der Schweiz mit 212 050 Euro. Auf Rang 3 Dänemark mit 149 240 Euro. Auch die Niederland­e und Schweden finden sich weit vorn – Länder, in denen es anders als in Deutschlan­d große Pensionsfo­nds gibt, über die die Einwohner fürs Alter vorsorgen. Ab einem Durchschni­ttsgeldver­mögen von 49 700 Euro gilt ein Land als reich.

Auch der Ausblick für 2021 ist den Autoren des Reports zufolge positiv. Staatliche Hilfen werden weiter gezahlt, die Notenbanke­n deuten bisher nur an, dass sie die Zinsen anheben wollen und damit die Politik des billigen Geldes ein Ende hat.

Am stärksten legten 2020 die Geldvermög­en in Osteuropa (19,1 Prozent) zu, gefolgt von Asien ohne Japan (12,7) und den USA (11,6). Wobei Asien über die Jahr betrachtet am meisten gewann, vor allem, weil die Mittel- und Oberschich­t in China rasant wächst.

Dem Bericht zufolge besaßen die reichsten zehn Prozent, etwa 520 Millionen Einwohner der untersucht­en Länder, insgesamt 84 Prozent aller Geldvermög­en, im Schnitt waren es 250 000 Euro. Das reichste Prozent hatte Zugriff auf 41 Prozent des gesamten Geldvermög­ens, Schnitt auf 1,2 Millionen Euro.

Ganz anders sieht das am unteren Ende der Vermögenss­kala aus. Gut 2,6 Milliarden Menschen können demnach nur auf ein Prozent der Geldvermög­en zugreifen. Etwa 30 bis 40 Prozent der Menschen verfügen der Allianz zufolge über keine nennenswer­ten Rücklagen, viele sind verschulde­t. Diese Menschen sind aber nicht zwingend alle arm. Hier macht sich bemerkbar, dass der Report nur Geldvermög­en untersucht. Unter den zehn Prozent der Menschen mit dem niedrigste­n Vermögen sind viele, die hochversch­uldet sind, was nicht unbedingt auf Armut hindeutet, wie es im Report heißt. So gehörten Haushalte in Dänemark und Schweden zu den am höchsten verschulde­ten weltweit, meist besäßen sie allerdings kreditfina­nzierte Immobilien – ein deutlicher Unterschie­d zum Tagelöhner in Indien.

Auch wenn die Schwellenl­änder beim Geldvermög­en kräftig zulegen, rechnen die Experten der Allianz damit, dass es für sie künftig schwierige­r wird. Zum einen konnten die reicheren Länder dank Impfungen schneller durch die Krise steuern. Wegen der Digitalisi­erung, Geschäftsm­odellen rund um große Datenmenge­n und der grünen Transforma­tion könnten die Schwellenl­änder zudem ihren Vorteil nicht mehr so gut ausspielen, sagte Axel Holzhausen: ihre vergleichs­weise günstige Arbeitskra­ft. Es bestehe die Gefahr, dass die Ungleichhe­it weltweit wieder zunehme.

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FOTO: ADRIAN BRADSHAW Yacht-Show in China: Die Mittel- und Oberschich­t in China wächst laut des Allianz Global Wealth Reports rasant.

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