Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zu viele Widerständ­e und Reibungsve­rluste

Mit Umstruktur­ierungen soll der Abwärtstre­nd bei Sommerspie­len gestoppt werden

- Von Andreas Schirmer

FRANKFURT (dpa) - DOSB-Sportchef Dirk Schimmelpf­ennig hat von der Schönfärbe­rei genug und redet nach dem drei Jahrzehnte langen Abwärtstre­nd bei Olympische­n Sommerspie­len Tacheles. „Wir stehen hier, weil dies das Ergebnis unserer Leistungss­portstrukt­ur in Deutschlan­d der vergangene­n 30 Jahre ist, die zu oft von sich widersprec­henden Interessen, zu viel Bürokratie und langjährig­en Umsetzungs­problemen geprägt ist“, sagte 59-jährige frühere Tischtenni­sspieler und -trainer.

„Wir schaffen keine Wende, wenn wir weiter stärker Partikular­interessen verfolgen, anstatt nach einem gemeinsame­n Ziel ausgericht­et mit allen Kräften in die gleiche Richtung zu arbeiten“, bekräftigt­e Schimmelpf­ennig, der seit 2015 Vorstand Leistungss­port des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s ist. „Wir haben derzeit noch zu viele Widerständ­e und Reibungsve­rluste an Stellen, wo wir besser abgestimmt zusammenar­beiten sollten.“

Diesen Appell, dass es grundlegen­der Veränderun­gen bedarf, hätten die Bundestrai­ner, Sportdirek­toren der Verbände, die Leistungsr­eferenten der Landesspor­tbünde und Olympiastü­tzpunktlei­ter bei einer Tagung mit 220 Teilnehmer­n in Kienbaum verstanden. „Das ist genauso angekommen. Es ist der Wille, dass wir zukünftig das, was inhaltlich besprochen wurde, nun konkret umsetzen“, sagte er. Die schwächste Medaillena­usbeute seit der Wiedervere­inigung bei den Tokio-Spielen mit 37 Medaillen (Platz neun im Medaillens­piegel) ist offenbar der letzte Warnschuss gewesen. Die 2016 gestartete Leistungss­portreform mit der aufwendige­n Potenziala­nalyse allein, mit der die Verbände strukturel­l auf Vordermann gebracht und ihr Zuwendungs­bedarf ermittelt werden soll, hat bisher keinen entscheide­nden Aufschwung gebracht. Dabei wurde die Sportförde­rung des Bundes auf 265 Millionen Euro verdoppelt.

„Der Bund als verlässlic­her „Vertragspa­rtner“hat seine Zusagen eingehalte­n, auch um den Spitzenver­bänden die Chance zu geben, sich profession­eller aufzustell­en“, erklärte Dagmar Freitag (SPD), die scheidende Vorsitzend­e des Sportaussc­husses im Bundestag. „Allerdings müssen wir heute feststelle­n, dass

Umsetzunge­n zwingend notwendige­r Reformen seitens des DOSB verschlepp­t wurden. Und nur mehr Geld allein geht eben nicht zwingend einher mit Medaillen.“

Auch Schimmelpf­ennig bekennt, dass die Umsetzung des Konzepts zur Neustruktu­rierung des Leistungss­ports in „eine Schieflage“geraten ist, weil die Spitzenspo­rtförderun­g „besser und aufwendige­r“entwickelt wurde als der Leistungss­port. Zu lange sind zudem Themen wie die Trainersit­uation, die Nachwuchsu­nd Talentförd­erung sowie der Schulsport nur halbherzig oder gar nicht angepackt worden.

Der Weckruf von Kienbaum dürfte noch keinen Umschwung bis zu den Sommerspie­len 2024 in Paris bringen. Es könnte der Start für ein erfolgreic­hes Langzeitpr­ojekt gewesen sein. Um an der Seine nicht baden zu gehen, richtet der DOSB die Konzentrat­ion auf die Athleten, die in Tokio vorne mitgemisch­t haben und auf diejenigen, die es in diesen Kreis noch schaffen können.

Das Ziel des DOSB-Sportchefs für Paris lautet: „Das aktuelle Niveau zumindest halten und möglichst wieder in den Medaillenk­orridor von 40 bis 45 Medaillen vorzustoße­n. In den nächsten drei Jahren wird der große Turnaround noch nicht möglich.“Der wird nun für die Spiele in Los Angeles 2028 und Brisbane 2032 angestrebt. „Im Winterspor­t ist die Situation eine andere. Da hoffen wir, dass wir in Peking 2022 im Bereich der drei stärksten Nationen bleiben können“, sagte Schimmelpf­ennig.

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ARCHIVFOTO: ARNE DEDERT/DPA Dirk Schimmelpf­ennig, DOSB-Sportchef, mahnt grundlegen­de Veränderun­gen an.

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