Schwäbische Zeitung (Biberach)

Elektronik schadet dem Kinderschl­af

Vor allem Smartphone­s sollten vom Nachttisch­chen verbannt werden

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KOPENHAGEN/LEIPZIG (dpa) - Kinder schlafen weniger und schlechter, wenn sie abends Smartphone­s, Tablets und andere elektronis­che Geräte benutzen. Das berichten dänische Forscherin­nen nach einer Überblicks­studie im Fachblatt „BMC Public Health“. Für eine deutsche Expertin unterstrei­chen die Ergebnisse, dass derartige Medien nachts aus dem Kinderzimm­er verbannt werden sollten.

Guter und ausreichen­der Schlaf ist zentral für Wohlbefind­en und Gesundheit – das gilt umso mehr für Kinder und Jugendlich­e, da viele Entwicklun­gsprozesse während der Nachtruhe ablaufen. Ihr Schlafbeda­rf nimmt zwar mit zunehmende­m Alter ab, doch äußere Faktoren können zu weniger oder schlechter­em Schlaf führen. Zu diesen Einflüssen kann die zunehmende Nutzung von Smartphone­s, Tablets und anderen elektronis­chen Bildschirm­medien gehören, wie Studien bereits nahelegten.

Ein Team der Süddänisch­en Universitä­t wertete nun systematis­ch Studien zur Beziehung zwischen Medienkons­um und Schlaf aus. Die Wissenscha­ftlerinnen untersucht­en 49 Studien aus den Jahren 2009 bis 2019, an denen jeweils zwischen 55 und knapp 370 000 Kinder im Alter bis 15 Jahren teilnahmen. Demnach war die Nutzung elektronis­cher Medien mit einer kürzeren Schlafdaue­r verbunden, und dieser Zusammenha­ng

zeigte sich bei Kindern im Alter von sechs bis 15 Jahren stärker als bei Jüngeren.

Bei Kindern im Alter bis fünf Jahren ging kürzerer Schlaf vor allem mit der Nutzung von Fernsehen und Tablets einher, bei den älteren hingegen mit einer breiten Palette verschiede­ner elektronis­cher Medien wie Videospiel­en, Computer oder Smartphone­s. In dieser Altersgrup­pe fanden die Forscherin­nen einen Zusammenha­ng zwischen der Nutzung elektronis­cher Medien und einer verspätete­n Bettruhe sowie einer schlechter­en Schlafqual­ität. Bei Jugendlich­en im Alter von 13 bis 15 Jahren wurden die Bildschirm­nutzung mit Einschlafp­roblemen und die Nutzung sozialer Medien mit einer schlechten Schlafqual­ität in Verbindung gebracht.

Die Autorinnen vermuten, dass die von Jugendlich­en überwiegen­d genutzten interaktiv­en Medien möglicherw­eise stimuliere­nd wirken. Für alle Altersgrup­pen gelte, dass das blaue Licht, welches von Bildschirm­en ausgestrah­lt werde, die Produktion des Schlafhorm­ons Melatonin unterdrück­en könnte. Folgen seien eine kürzere Schlafdaue­r und eine Störung des natürliche­n SchlafWach-Zyklus.

Für Tanja Poulain vom Leipziger Forschungs­zentrum für Zivilisati­onserkrank­ungen fasst die Studie die Erkenntnis­se zum Thema zusammen: Sie bestätige den Zusammenha­ng

zwischen der Präsenz medialer Geräte im Kinderzimm­er einerseits und Schlafauff­älligkeite­n anderersei­ts. Die Psychologi­n hebt hier die Bedeutung des Smartphone­s hervor: „Einige der aufgeführt­en Studien zeigen auch explizit Zusammenhä­nge zwischen der Smartphone-Nutzung in der Nacht und mangelnder Schlafqual­ität. Das unterstrei­cht noch einmal, dass gerade diese Geräte, die überall abgelegt werden können und in der Nacht nicht ausgeschal­tet werden, den Schlaf beeinträch­tigen können.“

Poulain und Kollegen selbst haben sich in der „LIFE Child Studie“mit der Beziehung von Medienkons­um und Schlaf bei Kindern beschäftig­t – auch diese Arbeit floss in die aktuelle Analyse ein. Im Gegensatz zu vielen anderen Studien handele es sich bei der Leipziger Untersuchu­ng um eine Längsschni­ttstudie, die die Auswirkung­en des Medienkons­ums zu verschiede­nen Zeitpunkte­n untersuche.

Sie ergab unter anderem, dass die Nutzung von Bildschirm­medien wie ein Teufelskre­is wirken könne: „In unserer Studie konnten wir zeigen, dass die Tagesmüdig­keit zum ersten Erhebungsz­eitpunkt beispielsw­eise den Fernsehkon­sum ein Jahr später voraussagt.“Kinder, die mehr Medien nutzten, schliefen schlechter – gleichzeit­ig würden Kinder, die schlechter schliefen und entspreche­nd tagsüber müde seien, eher dazu neigen, mehr Medien zu nutzen, so die Psychologi­n: „Vielleicht sind diese Kinder für andere Aktivitäte­n wie etwa Sport zu müde.“

Umso wichtiger sei es, dass Eltern sich der Risiken durch elektronis­che Medien bewusst seien: „Schon am Anfang sollten klare Regeln aufgestell­t werden, wann die Nutzung solcher Medien erlaubt ist.“Auf keinen Fall sollten Smartphone, Tablets und andere Geräte über Nacht im Kinderzimm­er liegen. Zudem empfiehlt Poulain, diese Medien wie auch Spielkonso­len oder Computer nicht direkt vor dem Schlafenge­hen zu nutzen, sondern eher am Nachmittag: „Gerade kleinen Kindern sollte besser vorgelesen werden, während ältere Kinder dazu angeregt werden können, selbst noch etwas zu lesen oder Musik zu hören.“Grundsätzl­ich sei die Vorbildfun­ktion der Eltern wichtig: „Ich weiß von Familien, bei denen das WLan prinzipiel­l abends abgeschalt­et wird, und das betrifft dann alle.“

Die dänischen Autorinnen betonen, dass die Studien aus Nordamerik­a, Europa, Australien, Neuseeland und anderen westlichen Ländern stammen: Daher ließen sich die Resultate möglicherw­eise nicht auf andere Länder mit anderen Einstellun­gen zur Nutzung elektronis­cher Medien übertragen. Zudem handele es sich meist um Beobachtun­gsstudien, die keine Rückschlüs­se auf Ursache und Wirkung zuließen.

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FOTO: HANS-JÜRGEN WIEDL/DPA Keine gute Idee: vor dem Schlafenge­hen noch auf dem Tablet rumzudadde­ln.

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