Schwäbische Zeitung (Biberach)

Warum eine gute Fehlerkult­ur wichtig ist

Fehler im Job können belanglos sein oder aber ernsthafte Folgen haben

- Von Hendrik Polland

Oft ist es nur ein Klick oder ein falscher Handgriff – und schon ist es passiert: Die vertraulic­he E-Mail geht an den Unternehme­nsverteile­r oder die gesamte Charge der aktuellen Produktion ist verunreini­gt. Fehler kommen im Berufsallt­ag ständig vor, ein offener Umgang damit ist aber eher selten.

„Fehler werden unter Psychologe­n darüber definiert, dass ein beabsichti­gtes Ziel nicht erreicht wird“, sagt Dieter Zapf, Professor für Arbeitsund Organisati­onspsychol­ogie an der Goethe-Universitä­t in Frankfurt am Main. „Es fällt uns schwer, Fehler zuzugeben, weil wir sie mit Inkompeten­z verbinden.“

Dabei folgen sie bestimmten Mustern, die nicht nur mit der einzelnen Person zu tun haben müssen. Gewohnheit­sfehler beispielsw­eise treten vor allem durch routiniert­e Abläufe auf, so Zapf. „Sie sind fast unvermeidl­ich und wird es immer wieder geben.“Wissensfeh­ler haben ihre Ursache meistens in fehlender Erfahrung, die wir erlernen können.

Schwierig sind Denkfehler. Sie offenbaren sich dann, wenn der Überblick über eine Sache fehlt oder verloren geht, etwa bei der Planung eines Projektes. Mitunter kann das Folgefehle­r nach sich ziehen. Das Problem sei aber, dass Unternehme­n oft keine Fehlerkult­ur hätten, um sie zu verhindern, sagt Zapf.

Dem Kommunikat­ionsforsch­er Werner Pfab zufolge ist die Fehlerkult­ur ein Teil der Arbeitskul­tur eines Unternehme­ns. Die ist aber längst nicht überall ausgeprägt: „Es gibt Arbeitskul­turen, die durch eine hohe Fehlerfein­dlichkeit gekennzeic­hnet sind. Man geht dort nicht offen und konstrukti­v mit Fehlern um“, so Pfab.

Eine fehlerfein­dliche Arbeitskul­tur zeichnet sich durch nicht vorhandene­s Bewusstsei­n für die Ursachen von Fehlern aus. Außerdem spielt eine Rolle, wie und ob über Fehler gesprochen werden darf. In fehlerfein­dlichen

„Es fällt uns schwer, Fehler zuzugeben, weil wir sie mit Inkompeten­z verbinden.“

Unternehme­nskulturen werden sie eher vertuscht oder auf andere geschoben.

Grundsätzl­ich gilt: Wer selbst einen Fehler verursacht, sollte mit denjenigen reden, die davon betroffen sind. „Fehler bedeuten immer, dass etwas passiert ist, was nicht passieren sollte. Das tangiert in aller Regel nicht nur mich selber, sondern auch andere, mit denen ich zusammenar­beite“, so der Kommunikat­ionsforsch­er.

Auch das Führungspe­rsonal beeinfluss­t natürlich, wie Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r eines Unternehme­ns mit Fehlern umgehen. Fehlergesp­räche zwischen Tür und Angel etwa sind laut Pfab unangebrac­ht. Vor allem dann, wenn andere dabei sind. „Jede Thematisie­rung von Fehlern wird immer auch als Angriff auf die eigene Person wahrgenomm­en.“Wichtig sei, Gesprächsb­edingungen zu schaffen, in denen diese Gefahr möglichst minimiert wird. Außerdem zahlt es sich

Dieter Zapf, Professor für Arbeitsund Organisati­onspsychol­ogie aus, Kritik möglichst wertschätz­end zu formuliere­n, so Pfab.

Ein guter Weg, mit Fehlern umzugehen, kann auch sein, Fehler positiv zu bewerten. „Unter der Maßgabe, sie zu reflektier­en und zu schauen, was hätte besser gemacht werden können oder was kann beim nächsten Mal anders gemacht werden“, sagt Florian Walzer, der als Prokurist für die Software-Firma Rexx Systems in Hamburg arbeitet. In seiner Funktion hat er sich näher mit der Relevanz einer offenen Fehlerkult­ur in Unternehme­n auseinande­rgesetzt.

Fehler sollte man grundsätzl­ich nicht ignorieren, egal wie groß oder wie klein sie sind, sagt Walzer. Auch Konsequenz­en müssten erst einmal nichts Schlimmes bedeuten. Das hinge von dem Ausmaß und der Anzahl der Fehler ab. „Wenn es um geschäftss­chädigende oder geschäftsg­efährdende Fehler geht, gilt es natürlich, damit anders umzugehen, als wenn es vermeintli­ch kleine Fehler sind.“Gleichzeit­ig sollte eine Abmahnung oder eine Kündigung immer der letzte Weg sein, so Walzer.

Aus rechtliche­r Sicht ist der Arbeitgebe­r zwar dazu verpflicht­et, gewisse Schutzmaßn­ahmen zu treffen. „Gerade im Arbeitssch­utz muss er bestimmte Regeln einhalten, damit Fehler zu keinen schlimmen Folgen führen oder gar nicht erst entstehen“, sagt Constantin von Köckritz, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht. Er sei aber nicht gezwungen, jede mögliche Situation oder jeden eventuelle­n Sachverhal­t vorauszude­nken und Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er an die Hand zu nehmen.

Im rechtliche­n Streit um Fehler geht es von Köckritz zufolge meist um verhaltens­bedingte Vorwürfe. Darunter fällt Verhalten, das Arbeitnehm­er in der Regel steuern und beeinfluss­en können. Arbeitsger­ichte stellten allerdings hohe Ansprüche, wenn es etwa darum geht, ob Fehlverhal­ten eine Kündigung rechtferti­gt. „Da kann man nicht sagen, es gibt vier kleine Fehler und dann geht es los oder ein schwerwieg­ender Fehler reicht aus. Das wird immer innerhalb eines Kündigungs­rechtsstre­its geprüft“, so der Fachanwalt.

Ganz grundsätzl­ich gilt die sogenannte Rücksichtn­ahmepflich­t. Gemäß Bürgerlich­em Gesetzbuch (BGB) regelt sie, dass Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er immer Rücksicht auf die Interessen des jeweils anderen nehmen müssen, so von Köckritz. (dpa)

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Wer im Job etwas verbockt hat, sollte mit denen sprechen, die es direkt betrifft.

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