Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mit Sachwerten aus der Zwickmühle

Ein ausbalanci­ertes Aktiendepo­t kann als Inflations­schutz für das Vermögen dienen

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - In Zeiten wie diesen, in denen die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ihre Inflations­prognose für das Gesamtjahr von 1,9 auf 2,2 Prozent erhöht hat, fragen sich viele Anleger, wie sie ihr Geld denn nun anlegen sollen. Immerhin ist die Inflation in Deutschlan­d im September bereits auf 4,1 Prozent gestiegen – ja, im Jahresverl­auf erwartet die Bundesbank gar einen Anstieg „in Richtung fünf Prozent“. Drohen die Sparer also zwischen Minuszinse­n für hohe Giroeinlag­en und anziehende­r Teuerung zunehmend in eine Zwickmühle zu geraten?

Zumindest bei der Inflation dürfte es 2022 zu einer Entspannun­g kommen, denn sowohl die Notenbank als auch Wissenscha­ftler und Banker betrachten unisono den Höhenflug der Teuerungsr­ate als ein vorübergeh­endes Phänomen. Zum einen ist da der Anstieg der Mehrwertst­euer von 16 zurück auf 19 Prozent, der als Basiseffek­t ab Januar 2022 nicht mehr sichtbar sein wird. Der zweite Effekt sind Lieferengp­ässe, wodurch Erzeugerpr­eise dramatisch gestiegen sind, was sich auch auf die Verbrauche­rpreise auswirkt. „Sobald die Lieferprob­leme überwunden sind, wird auch dieser Preiseffek­t auslaufen – voraussich­tlich 2022“, erläutert Mario Peric, Bereichsvo­rstand bei der Commerzban­k.

Hinzu kam der zuletzt gestiegene Rohölpreis, der sich 2020 etwa verdoppelt hatte und nach Erwartung des Instituts bei 75 Dollar bis Ende 2021 einpendeln dürfte. Ein bleibender Effekt wird die CO2-Steuer in Höhe von 25 Euro je Tonne sein, die die Verbrauche­r seit Januar 2021 auf Benzin, Heizöl und Gas bezahlen. Bis 2025 soll diese Abgabe noch auf 55 Euro je Tonne steigen.

Vor diesem Hintergrun­d rechnet die Commerzban­k für 2022 mit einer

Inflation von 2,75 Prozent. Die Bethmann Bank erwartet hier 2,0 Prozent. „Aber das tiefe Niveau von vor der Pandemie werden wir nicht mehr erreichen“, sagt Gregor Frankenhau­ser, verantwort­lich bei der Bethmann Bank für Kunden in Oberschwab­en. Strukturel­le Faktoren wie Demographi­e und Klimaschut­z sprechen dann laut Commerzban­k ab 2024 für strukturel­l höhere Inflation.

Den Weg aus der Zwickmühle zwischen Minuszins und Inflation weisen in den Augen vieler Banker Sachwerte wie insbesonde­re Aktien, aber auch Immobilien, Rohstoffe und mit Abstrichen Gold – „zumindest solange die Inflation nicht ausufert“, so Peric von der Commerzban­k. „Ein gut diversifiz­iertes Portfolio kann gegen nahezu alle Unwägbarke­iten einen gewissen

Schutz bieten“, sagt Jens-Oliver Niklasch, Analyst des LBBW Research. Klar, müsse man dabei auch Risiken in Kauf nehmen, damit sich überhaupt Renditecha­ncen eröffnen. Dazu zählt Niklasch eben auch Investitio­nen in Aktien, die in Deutschlan­d immer noch zu den „ungeliebte­n Kindern der Anleger“gehörten. Um aber einen langfristi­gen Vermögensa­ufbau zu entwickeln, komme man um diese Assetklass­e nicht herum, macht er klar.

„Es geht bei einem gut strukturie­rten Depot darum auf Branchen zu setzen, die mit Inflation umgehen können“, macht Frankenhau­ser von der Bethmann Bank klar. Was er damit meint, sind starke Marken insbesonde­re im hochwertig­en Konsumgüte­rbereich, aber auch Industriew­erte, die über eine gewisse Preissetzu­ngsmacht und ein nachhaltig­es Geschäftsm­odell verfügen. „Unternehme­n mit wenig austauschb­aren Produkten sind gefragt“, so Frankenhau­ser. Eine aktive Selektion von

Einzeltite­ln im Depot könne hier eine ganze Menge bringen, das sei eben der Job eines guten Vermögensv­erwalters. Auch inflations­geschützte oder inflations­indexierte Anleihen können laut Frankenhau­ser ein Teil der Lösung sein.

Wenn es ohnehin keine Zinsen gibt, denken viele Anleger über den Kauf von Goldbarren oder -münzen nach. Zwar zählt das gelbe Edelmetall auch zu den Sachwerten, löst es aber bei den befragten Anlage-Experten keine Euphorie aus. Es spreche zwar nichts gegen eine fünfprozen­tige Beimischun­g von Gold, sagt Frankenhau­ser, aber zum Aufbau eines inflations­geschützte­n Depots sei das Edelmetall nicht zwingend notwendig. „Man muss sich darüber im Klaren sein, dass Gold im Preis schwanken kann“, meint dazu Niklasch vom LBBW Research. Im Gegensatz zu einer Anlage mit Nominalwer­t weiß man beim Gold eben nie, zu welchem Preis man wieder verkaufen kann.

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FOTO: IMAGO IMAGES Eine Börsen-App auf dem Mobiltelef­on: Den Weg aus der Zwickmühle zwischen Minuszins und Inflation weisen in den Augen vieler Banker Sachwerte wie insbesonde­re Aktien.
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