Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wie ein Computer Beethovens 10. Sinfonie vollendet
In einem Projekt wird Künstliche Intelligenz mit Informationen gefüttert und komponiert so das letzte Werk zu Ende – Überwältigende Momente fehlen
derer die KI lernte, wie Beethoven klingt, der Auswahlprozess – an vielen Stellen waren menschliche Entscheidungen gefragt.
Schon häufiger gab es Versuche, Computerprogramme komponieren zu lassen. Dazu zählt die „Fertigstellung“der 8. Sinfonie in h-Moll von Franz Schubert (1797-1828). Auch da war ein Unternehmen aus der Kommunikationsbranche involviert, der Smartphone-Hersteller Huawei.
Wenn man sich an einen Übervater wie Beethoven herantraut, ist Kritik gleichwohl vorprogrammiert. Die Beteiligten betonen aber, dass man den Genius natürlich nicht vom Sockel stoßen wolle. Es handele sich um ein Experiment, um zu zeigen, wie kreative Zusammenarbeit von menschlicher und künstlicher Intelligenz funktionieren könne.
„Wir möchten mit diesem Projekt nicht sagen, dass eine Maschine plötzlich besser komponieren kann als Beethoven“, erklärt Röder. Er sagt aber auch: „Wenn Beethoven heute leben würde, würde er all diese Technologien ausprobieren. Davon bin ich überzeugt.“
Der Beethoven-Experte Heinz von Loesch hat sich die Aufnahmen bereits angehört. „Kompositionstechnisch könnte meines Erachtens alles von Beethoven sein“, sagt er. Im Detail sei vieles sehr schön gemacht worden. Auch die Rahmenbedingungen hält er für klug gewählt. „Man nimmt eher das Lyrische als Fluchtpunkt, weniger das Heroische. Man hat hier nicht versucht, die 9. Sinfonie zu überbieten.“Für einen Geniestreich hält er die Sinfonie gleichwohl nicht.
Es gebe beispielsweise so gut wie keine ikonischen Momente beim Anhören. „Es ist alles schön gemacht, aber es gibt nichts Überwältigendes“, sagt von Loesch. „Weder im Bereich des Heroischen noch des Lyrischen. Man fühlt sich Gott nicht wirklich nah.“
Legitim sei so ein Projekt dennoch, denn es behaupte ja niemand, es sei Beethoven selbst. Widersprechen will er allerdings bei der Frage, ob der Komponist selbst eine derartige Technologie gewählt hätte. „Beethoven war der Meinung, dass er das originalste Genie aller Zeiten bis dato ist“, sagt von Loesch. „Er hätte sein Material nicht von jemand anderem substanziell bearbeiten lassen.“
Ludwig van Beethoven X – The AI Project. Modern Recordings (Warner). 17,88 Euro.