Schwäbische Zeitung (Biberach)

Zeidler und Palmer betonen den Wert der Demokratie

Während der OB zu mehr Bürgerscha­ftlichkeit aufruft, nimmt der frühere Staatsmini­ster die Person Matthias Erzberger als Beispiel

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - Der Bürgertag am Freitag in der Stadthalle ist die erste Veranstalt­ung der Stadt nach der Pandemie gewesen, die komplett öffentlich und mit weitestgeh­ender Normalität stattfand. Oberbürger­meister Norbert Zeidler blickte in seiner Rede deshalb auf die aktuelle Situation der Stadt, während der frühere Staatsmini­ster Christoph Palmer in seiner Festrede den hiesigen Reichstags­abgeordnet­en Matthias Erzberger würdigte, dessen Ermordung sich dieses Jahr zum 100. Mal jährte.

In den 24 Monaten seit dem letzten Bürgertag sei viel passiert, sagte Zeidler und warf den Blick gleich auf die aktuelle Entwicklun­g in Warthausen, wo inzwischen ernsthaft über eine Eingemeind­ung nach Biberach diskutiert wird. Die Stadt Biberach werde diesen Prozess gespannt, demütig und konstrukti­v begleiten, so Zeidler: „Der heutige Abend kann in jedem Fall ein schöner Beleg dafür sein, dass es nicht so verkehrt ist, zur Bürgerscha­ft dieser Stadt zu gehören.“

Während der Pandemie sei trotzdem einiges in der Stadt gegangen, sagte der OB und zählte verschiede­ne Projekte auf – vom neuen Dorfgemein­schaftshau­s

in Rißegg über ITZ plus, Mali-Sporthalle bis hin zur neuen Klinik. Hingegen hätten die Starkregen­ereignisse für hohe Schäden und Leid gesorgt. „24 Monate also seit dem letzten Bürgertag, die einer emotionale­n Achterbahn gleichkomm­en“, sagte Zeidler.

Er betonte die Wichtigkei­t von Ehrenamt und Bürgerscha­ftlichkeit gerade in diesen Zeiten. „Es braucht Bürger und keine Ego-Shooter.“Er mache sich Sorgen um die bürgerscha­ftlichen Tugenden, die im wahrsten Sinne des Wortes „staatstrag­end“seien, so Zeidler und mahnte zu einem achtsamen, pflegliche­n Umgang mit unserer Demokratie. Er verglich die Demokratie mit einer Religion: „Sie kann nur dann bestehen, wenn die Menschen an sie glauben.“

An den großen Demokraten Mattias Erzberger erinnerte Christoph Palmer in seiner Rede. Er würdigte speziell das Engagement von Alfons Siegel und der Biberacher ErzbergerI­nitiative, die bereits vor dem Erzberger-Boom der vergangene­n Jahre auf dessen Verdienste hingewiese­n hätten.

Palmer skizzierte wichtige Stationen von Erzbergers Biografie, die ihn vom Volksschul­lehrer auf dem Land zum großartige­n Debattenre­dner der

Weimarer Republik machten und zu einem der großen Politiker dieser Epoche neben Friedrich Ebert, Gustav Stresemann und Walther Rathenau.

Erzberger sei eine vielschich­tige, sperrige Person gewesen, die sich nicht für eine lineare Erzählung eigne, „die uns aber heute noch viel zu sagen hat“, so Palmer. So habe Erzberger Patriotism­us mit Weltoffenh­eit verbunden. Er habe gezeigt, dass man zu Veränderun­gen bereit sein und sein Handeln daran ausrichten müsse. „Er hat als Friedens- und Finanzpoli­tiker konsequent an dem gearbeitet, was er als richtig erkannt hatte“, sagte Palmer. „Mann muss auch für einen Standpunkt stehen und darf nicht feige zur Seite treten.“Daran habe sich Erzberger gehalten, wissend dass er dafür auch seinen Tod in Kauf nahm.

Lange habe Matthias Erzberger in der Bundesrepu­blik nicht die Anerkennun­g dafür erhalten. „Seit etwa 20 Jahren nun erhält er endlich seinen gerechten Stellenwer­t“, so Palmer und sprach von einer „Erzberger-Renaissanc­e“.

Umrahmt wurde der Bürgertag musikalisc­h von Preisträge­rinnen und Preisträge­rn der Bruno-FreyMusiks­chule.

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