Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Kinder-Fürspreche­rin

Susanne Saiger unterstütz­t Kita-Kinder in Warthausen – Welche Fehler viele Eltern machen

- Andreas Spengler

WARTHAUSEN - Um Kinder mit Behinderun­g zu unterstütz­en, gibt es in vielen Kindergärt­en mittlerwei­le eigene Fachkräfte. In Warthausen wurde dafür bereits vor fünf Jahren eine dauerhafte Stelle geschaffen. Die Erfolge dieses Modells zahlen sich heute aus. Doch die Heilpädago­gin Susanne Saiger ist auch besorgt über die Entwicklun­g mancher Kinder – und das Verhalten ihrer Eltern.

Kleine Erfolgsges­chichten im Kindergart­enalltag hat Susanne Saiger viele erlebt. Als vor drei Jahren ein Mädchen in die Kita kam, fiel Saiger auf, dass das Mädchen Defizite hatte. „Sie sprach sehr undeutlich und mit drei Jahren oft nur Ein-Wort-Sätze“, erzählt Saiger. Zunächst dachten die Erzieherin­nen, das Mädchen habe lediglich Sprachprob­leme. „Doch dann fiel uns auf, dass sich dieses Defizit auch auf andere Bereich auswirkte.“

Gemeinsam mit den Eltern überlegte die Heilpädago­gin, wo der richtige Ort für das Mädchen wäre. Sie habe sich dafür stark gemacht, das Mädchen in der Regelgrupp­e zu lassen – aber besonders zu fördern. Das war auch der Wunsch der Eltern. Mit individuel­ler Förderung sei es schließlic­h gelungen, das Mädchen in seiner Entwicklun­g voranzubri­ngen. „Jetzt deutet alles darauf hin, dass sie am Ende der Kindergart­enzeit auf die Regelschul­e gehen kann“, erzählt Saiger.

Doch solche Fortschrit­te sind keineswegs selbstvers­tändlich. Zwar gibt es an vielen Kindergärt­en inzwischen Fachkräfte zur Integratio­n. Diese werden allerdings nur mit einem Honorarsat­z bezahlt, wenn bei einem Kind auch tatsächlic­h körperlich­e, geistige oder seelische Behinderun­gen vorliegen oder „drohen“, wie es im Gesetzeste­xt heißt. Diese Fachkräfte sind aber eng an das Kind gebunden und arbeiten oft nur stundenwei­se. Saiger hingegen hat eine 60-Prozent-Stelle und betreut die Einrichtun­gen in Warthausen, Oberhöfen und Birkenhard.

Vor allem aber hat sie auch ein Augenmerk auf Kinder, die in ihrer Entwicklun­g hinterherh­inken, sich im Kindergart­enalltag schwertun oder gezielt Unterstütz­ung brauchen – ohne gleich Anzeichen einer Behinderun­g aufzuzeige­n. So habe sie zum Beispiel erlebt, dass Kinder beißen, weil sie sich sprachlich nicht gut ausdrücken können. Sich zum Beispiel

Lieder oder Reime schlecht merken können. Oder im Spiel nur schwer mit anderen Kindern kooperiere­n können.

Diese Form der Hilfe für Kindergart­eninder ohne explizite Behinderun­g sei außergewöh­nlich im Landkreis, erzählt Saiger. Auch sie bekommt eine Honorarför­derung in Höhe von 460 Euro vom Land für jedes Kind mit Behinderun­g, das sie betreut. Zusätzlich aber zahlt die Gemeinde die Differenz zu ihrem Gehalt als Heilpädago­gin.

Aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Ausbildung bringt die 54-Jährige einen neuen Blick in die Kindergart­enarbeit ein. Wenn sich Kinder schwertun, habe sie auch schon von Erzieherin­nen den Satz gehört: „Das Kind ist hier falsch in der Einrichtun­g.“Saiger aber vertritt die Haltung: „Kein Kind ist hier falsch. Wenn es mit einem Kind nicht auf Anhieb klappt, müssen wir uns vielleicht verändern.“In Kleingrupp­en bietet sie die Möglichkei­t, ganz individuel­l auf die Schwächen der Kleinsten einzugehen. Die Pädagogin tritt dabei aber nicht wie eine strenge Nachhilfel­ehrerin auf, sondern geht die Herausford­erungen mit den Kindern spielerisc­h an. „Das Spiel ist für Kinder das

Allerwicht­igste. Und dabei sollten sie auch nicht ständig unterbroch­en werden.“Für Vorschulki­nder allerdings dürfen es auch mal etwas verschulte­re Aufgaben sein. „Da kann man auch mal erwarten, dass die Kinder 15 Minuten ruhig sitzen bleiben.“

Ein Unterschie­d zu den Erzieherin­nen ist entscheide­nd: Saiger hat wenig Verwaltung­saufgaben zu erledigen. „Ich kann mir wirklich die Zeit für die Kinder nehmen. Und alleine die ungeteilte Aufmerksam­keit für die Kinder zeigt oft Wirkung.“

Der Umgang der Kinder untereinan­der sei oft „sehr unkomplizi­ert“. Schwierige­r sei es, für manche Eltern zu akzeptiere­n, dass ihr Kind besonderen Förderbeda­rf hat. „Andere wiederum sind sehr dankbar.“

Bei jeder Entscheidu­ng sei es ihr wichtig, die Eltern mit ins Boot zu holen. Zugleich beobachte sie aber auch, dass manche Eltern ihren Kindern helfen wollen, es ihnen damit aber unnötig schwer machen. „Ich muss als Eltern nicht alles mit meinem Kind ausdiskuti­eren“, empfiehlt die Pädagogin. „Das Kind kann vielleicht wählen, ob es einen grünen oder einen roten Pullover anzieht. Aber die Eltern bestimmen, ob es einen Pullover trägt.“Nur wenn die Eltern

klare Regeln und Rahmen vorgeben, fühlten sich die Kinder sicher und geborgen. Dazu gehöre auch, dass die Kinder ihre Bedürfniss­e manchmal für kurze Zeit aufschiebe­n müssen. „Wenn ich beim Essen bin, kann das Kind auch warten, bis ich fertig bin.“Ebenso sei es wichtig, dem Kind klare Botschafte­n zu übermittel­n. „Zu sagen, ,lieber Leo, lass das doch bitte sein.’ –und dazu ein Lächeln aufzusetze­n, ist widersprüc­hlich.“Stattdesse­n sollten die Eltern klar und prägnant kommunizie­ren.

Die Folgen dieser Erziehung ohne klare Regeln erlebe sie immer wieder in den Kindergärt­en. „Die Ich-Bezogenhei­t vieler Eltern und ihrer Kinder macht mir schon Sorgen“, sagt sie. „Selbst wenn wir es können, sollten wir unseren Kindern nicht alle Stolperste­ine aus dem Weg räumen.“

Zugleich aber sei es wichtig, Zeit mit den Kindern zu verbringen. Diese Möglichkei­t zu haben, empfinde sie als Luxus. „Die Bedingunge­n hier in Warthausen sind wirklich super.“Von der individuel­len Förderung profitiert­en zunächst natürlich die Kinder mit erhöhtem Bedarf. Am Ende aber – davon ist Saiger überzeugte­n – sei es immer ein Gewinn für die ganze Gruppe.

 ?? FOTO: ANDREAS SPENGLER ?? Heilpädago­gin Susanne Saiger betreut föderbedür­ftige Kinder in den Kitas in Warthausen.
FOTO: ANDREAS SPENGLER Heilpädago­gin Susanne Saiger betreut föderbedür­ftige Kinder in den Kitas in Warthausen.

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