Schwäbische Zeitung (Biberach)

Almen und Alpen unter Druck

Probleme durch Geldmangel, Touristen und Wölfe - Forscher für Bejagung der Raubtiere in der Nähe von Weiden

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BAD HINDELANG (dpa) – Zu wenig Geld, Wölfe auf dem Vormarsch und Tourismus ohne Rücksicht: Die Almund Alpwirtsch­aft gerät nach Auffassung von Alpenforsc­her Werner Bätzing nicht nur in Deutschlan­d zunehmend unter Druck. „Das sind alles europäisch­e Probleme“, sagte der emeritiert­e Professor für Kulturgeog­rafie am Montag bei der Vorstellun­g seiner internatio­nalen Bibliograf­ie zur Almund Alpwirtsch­aft in Bad Hindelang (Landkreis Oberallgäu). Gut 2400 Werke in fünf Sprachen sind darin aufgeführt, nach Angaben des Verlags ist es das erste derart umfassende Werkverzei­chnis zum Thema.

Nach Auffassung des Alpenforsc­hers stehen Almen und Alpen vor drei zentralen Problemen. Zum einen gerate diese Art der großflächi­gen Landwirtsc­haft seit den 60erJahren wegen der Konkurrenz zu großen Agrar-Betrieben unter wirtschaft­lichen Druck. Deshalb würden vor allem an der Südseite der Alpen „immer mehr wenig produktive Alpflächen aufgegeben“, sagte Bätzing. Während diese Weidefläch­en brach fielen, würden andere dafür zu intensiv genutzt. Der Tourismus sei dabei für viele Alm- und

Alpwirte zwar eine wichtige Einnahmequ­elle, aber auch zunehmend eine Belastung, sagte Bätzing. Besucher fielen oft durch „völlig unangemess­enes Verhalten“auf: Erschrecke­n von Kühen, Wildcampen und Lärmen. „Die Alpweiden werden dabei als reine Natur wahrgenomm­en“, sagte Bätzing. Dass es sich um eine Kulturland­schaft handle, sei vielen nicht mehr bewusst. Auch von natürliche­r Seite steige der Druck: Wegen des Klimawande­ls würden zunehmend Büsche und Sträucher auf den Weiden wachsen, sagte Bätzing. Zudem würden im Alpenraum immer mehr Wölfe gesichtet.

Zum Schutz der europaweit rund 30 000 Almen und Alpen forderte

Bätzing mehr wirtschaft­liche Förderung, die Möglichkei­t, Wölfe in der Nähe der Weiden zu bejagen, sowie Aufklärung und eine bessere Lenkung von Touristen. Bei Großverans­taltungen wie den Viehscheid­en im Allgäu offensiver über die Arbeit der Alphirten zu informiere­n, würde diese „viel stärker beeindruck­en“.

Die Alm- und Alpwirtsch­aft zu erhalten sei nicht nur wegen ihres ideellen Werts wichtig, betonte Rainer Hoffmann von der Allgäuer Alpwirtsch­aftsakadem­ie in Kempten. Ohne die Betriebe breche auch der Tourismus ein: „Erst geht die Kuh, dann der Gast.“Gerade in Orten wie Bad Hindelang mit 46 Alpen sei das deutlich sichtbar.

Auch für den Umweltschu­tz seien die Alm- und Alphirten wichtig, sagte Alpenforsc­her Bätzing. Der Methanauss­toß ihrer Tiere werde durch Bindung von CO2 im Boden „mehr als kompensier­t“, zudem seien die Weiden „Hotspots“für Artenvielf­alt. Davon könne sich die konvention­elle Landwirtsc­haft einiges abschauen, sagte Bätzing. „Es ist möglich, Natur dauerhaft zu nutzen, ohne sie zu zerstören.“

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FOTO: LINO MIRGELER/DPA Die Ausbreitun­g von Wölfen im Alpenraum bereitet Alm- und Alphirten zunehmend Probleme.

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